(Gegenwind 245, Februar 2009)

Joanna Plachta
Joanna Plachta

Dolmetscher-Treffen

Hohe Anforderungen

Seit 2002 lädt der Gegenwind regelmäßig Dolmetscherinnen und Dolmetscher zum Erfahrungsaustausch und zu Fortbildungen ein. In diesem Jahr wollen wir einige der Beteiligten im Interview vorstellen. Im letzten Heft machte die Arabisch-Dolmetscherin Yasmina Abdulkader den Anfang, die gleichzeitig über das jetzt geplante "Resettlement-Programm" sprach. Mit der Polnisch-Dolmetscherin Joanna Plachte sprachen wir über die staatliche Prüfung für DolmetscherInnen und ÜbersetzerInnen, die die Industrie- und Handelskammer anbietet.

Gegenwind:

Kannst Du als erstes erzählen, wie Du nach Deutschland gekommen bist?

Joanna Plachta:

Das war im Jahre 2001, nachdem ich mein Jurastudium absolviert habe. Es war eine schwierige Entscheidung, weil ich vor allem die Chance hatte, gleich nach dem Studienabschluss ein Referendariat zu machen. Aber ich hatte gerade geheiratet und konnte mir eine Fernbeziehung mit meinem Mann nicht vorstellen. So bin ich zu ihm nach Deutschland gezogen. Es war am Anfang nicht einfach, ich habe mich hier sehr alleine gefühlt. Das lag sicherlich daran, dass ich kein Deutsch konnte. In Polen hatte ich in der Nähe von Danzig gewohnt, und hier zog ich zu meinem Mann ins Studentenheim in Hamburg. Erst als er mit Studium fertig war, sind wir nach Kaltenkirchen gezogen.

Gegenwind:

Wie hast Du Deutsch gelernt?

Joanna Plachta:

Als erstes habe ich zwei Jahre lang eine private Sprachschule in Hamburg besucht, wo ich meinen Abschluss in der Oberstufe I gemacht habe. Gleich danach habe ich eine Prüfung an der Uni Hamburg gemacht, damit ich auch in Deutschland studieren durfte. Anschließend habe ich eine Praktikumsstelle gefunden, wo ich zum ersten Mal mit dem Beruf der Dolmetscherin und Übersetzerin zu tun hatte. Das war in einer Rechtsanwaltskanzlei in Wandsbek, wo ich zwei Jahre lang gearbeitet habe.

Gegenwind:

Was hast Du denn dort gedolmetscht und übersetzt?

Joanna Plachta:

In erster Linie habe ich Gespräche mit polnischen Klienten gedolmetscht. Zwar kam das nicht täglich vor, aber öfters war das ein Bedarf. Dazu musste ich verschiedene Schriftstücke wie Geburtsurkunden, Ehefähigkeitszeugnisse und anderes übersetzen. Dort habe ich zum ersten Mal gemerkt, dass mir diese Tätigkeit viel Spaß macht. Deswegen habe ich mir vorgenommen, mich in dieser Richtung weiter zu bilden.

Gegenwind:

Durftest Du damals übersetzte Urkunden auch stempeln?

Joanna Plachta:

Nein, natürlich nicht. Das darf ich erst, seit ich die Übersetzerprüfung bei der Industrie- und Handelskammer bestanden habe.

Gegenwind:

Was hast Du denn nach dem Praktikum gemacht, um Dolmetscherin und Übersetzerin zu werden?

Joanna Plachta:

Gleich nach dem Praktikumabschluss habe ich zu meiner eigenen Überraschung den "Lehrgang für Übersetzer für Rechts- und Wirtschaftssprache" im Fach Deutsch-Polnisch und Polnisch-Deutsch gefunden. Da habe ich mich gleich angemeldet, und zwei Jahre lang habe ich diesen Kurs besucht. Ich wollte mich auf die Prüfung gründlich vorbereiten. Erst nach zwei Jahren der Teilnahme an diesem Lehrgang habe ich mich zur Prüfung angemeldet. Dieser Kurs wurde vom "Institut für Weiterbildung - Euromentor" angeboten und kostete 100 Euro im Monat, was wirklich nicht viel ist, wenn man alle Unterrichtsstunden zusammenrechnet. Während des Lehrganges wurden wir gründlich auf die IHK-Prüfung vorbereitet, und zwar in Bezug auf die Rechts- und Wirtschaftssprache, auf die Politik, die Geschichte, die Kultur, die Landeskunde und so weiter.

Gegenwind:

Denkst Du, dass man Übersetzerin nur mit einer Ausbildung werden sollte?

Joanna Plachta:

Das ist eine schwierige Frage. Ich würde mich nicht trauen, ohne eine solche Vorbereitung zur Prüfung zu gehen.

Gegenwind:

In Deinem Praktikum hattest Du ja schon gedolmetscht und übersetzt, und das war vor dem Lehrgang.

Joanna Plachta:

Ja, trotzdem. Die Industrie- und Handelskammer hat hohe Anforderungen für die Prüfung, schon die Zulassung zur Prüfung ist schwierig. Die Beherrschung der Fremd- und Muttersprache genügt nicht um die IHK-Prüfung erfolgreich ablegen zu können. Vielmehr handelt es sich hierbei um die gründliche Kenntnisse gehobener wirtschaftlicher und wirtschaftsbezogener Sachverhalte. Es muss belegt werden, dass man sich mit allen aktuellen Themen auseinandergesetzt hat und auseinandersetzen kann. Man sollte in den verschiedenen Gebieten, also Politik, Wirtschaft, Geschichte und Kultur, wirklich auf dem Laufenden sein.

Prüfungszeugnis

Gegenwind:

Wann hast Du Dich zur IHK-Prüfung angemeldet?

Joanna Plachta:

Ende März 2007, aber die erste Prüfung fand erst im Juni statt.

Gegenwind:

Kannst Du uns den Ablauf der Prüfung beschreiben?

Joanna Plachta:

Die Aufgabenstellung erfolgt durch den DIHK, also den Deutschen Industrie- und Handelskammertag. Die Korrektur der Arbeiten wird von der IHK Düsseldorf gemacht. Wir sind als Gruppe nach Düsseldorf gefahren, also ungefähr sieben Personen aus meinem Lehrgang. In Anbetracht dessen, dass die Prüfung schon um 8 Uhr angefangen hat, haben wir beschlossen in Düsseldorf zu übernachten.
Die Prüfung selbst besteht aus zwei Teilen, dem schriftlichen und dem mündlichen Teil. Bei diesem ersten Termin ging es nur um den schriftlichen Teil. Die schriftliche Prüfung setzt sich dann aus drei Teilen zusammen. Es beginnt mit der Übersetzung von zwei deutschen Texten in die Fremdsprache, dann folgen zwei anspruchsvolle Texte, die aus der Fremdsprache ins Deutsche übersetzt werden müssen. Im Raum waren ungefähr fünfzig Personen, die an der Prüfung teilnahmen, und wir wurden die ganze Zeit beaufsichtigt. Wir durften nicht miteinander reden. Es waren sehr anspruchsvolle Texte, ein juristischer Text, dann eine Verordnung, die aus dem Deutschen ins Polnische übersetzt werden musste. Dann gab es einen wirtschaftlichen Text. Für jeden Text von ungefähr einer Seite waren 60 Minuten Zeit. Wir durften Wörterbücher benutzen, aber dazu war wirklich keine Zeit. Es ist ausgeschlossen, länger im Wörterbuch zu blättern. Die beiden polnischen Texte waren auch einmal juristisch, einmal wirtschaftlich. Dann mussten wir noch als fünften Text einen Aufsatz zu einem Thema schreiben. Dazwischen gab es nur kurze Pausen, zehn Minuten ungefähr. Wir haben also um 8 Uhr angefangen und waren um halb zwei fertig.

Gegenwind:

Welches Thema hatte der Aufsatz?

Joanna Plachta:

Es wurden drei Themen zur Wahl gestellt, die sich in Thematik und auch Stil unterschieden. Ich habe einen Aufsatz über die Europäische Union geschrieben. Ich weiß die anderen beiden Möglichkeiten nicht mehr, aber es waren aktuelle Themen.

Gegenwind:

Hattet Ihr Computer, oder musstet Ihr mit der Hand schreiben?

Joanna Plachta:

Nur mit der Hand. Und wir mussten wirklich schnell sein. Nach der schriftlichen Prüfung sind wir nach Hause gefahren und haben auf die Ergebnisse gewartet. Es hat ungefähr sechs bis acht Wochen gedauert, bis die Post von der IHK kam. Ich konnte mich gar nicht richtig auf etwas konzentrieren, aber ich musste mich auf die mündliche Prüfung vorbereiten. Die fand dann drei Monate später statt.

Gegenwind:

Wie hast Du bei der schriftlichen Prüfung abgeschnitten?

Joanna Plachta:

Gut. Insgesamt habe ich die Note 2 bekommen. Es gab für die fünf Aufgaben fünf einzelne Beurteilungen, die waren bei mir aber fast gleich.

Gegenwind:

Wie spielte sich die mündliche Prüfung dann ab?

Joanna Plachta:

Zur mündlichen Prüfung bin ich selber gefahren. Es war wieder sehr anstrengend. Die mündliche Prüfung war in drei Teile gegliedert. Am Anfang stand ein Gespräch von ungefähr 15 Minuten in der Fremdsprache, in meinem Fall also auf Deutsch. Es ging um Politik und Geschichte, ich musste vier oder fünf Fragen beantworten. Ich wurde nach der Rentenreform hier in Deutschland gefragt, dann ging es um den deutsch-polnischen Handel oder die Wirtschaftsbeziehungen.
Die anderen beiden Teile der Prüfung waren dann mündliche Übersetzungen, ich bekam also einen deutschen und einen polnischen Text und musste sie in der anderen Sprache mündlich vortragen, und zwar ohne Vorbereitung. Ich musste dolmetschen, ohne den Text vorher zu Ende zu lesen, spontan. Es war ein juristischer und ein wirtschaftlicher Text, aber die genauen Themen weiß ich nicht mehr. Die Prüfung dauerte fast eine Stunde, es gab keine Pause, eine Aufgabe nach der anderen. Dann hat die Kommission beraten, ich musste warten. Es waren drei Prüfer, einer war ein Jurist von der IHK, die beiden anderen waren Polinnen, die die Prüfung früher schon bestanden hatten, also geprüfte Übersetzerinnen und Dolmetscherinnen. Die drei waren professionell und neutral, sie haben mir nicht geholfen, aber auch nicht versucht, es mir schwer zu machen. Sie gaben mir für das Gespräch die Note gut, für die beiden spontanen Übersetzungen die Note befriedigend.

Gegenwind:

Warst Du damit zufrieden?

Joanna Plachta:

Na ja, es gab zu wenig Zeit, um die Texte gut zu übersetzen oder zu dolmetschen. Ich hatte überhaupt keine Zeit zum Nachdenken, sondern musste automatisch dolmetschen. Ich habe fast immer gemerkt, wenn ich Fehler machte, aber es war schon zu spät.

Gegenwind:

Wie viel hat die ganze Prüfung gekostet?

Joanna Plachta:

Die beiden Prüfungen haben zusammen 300 Euro gekostet, aber dann waren es noch die zwei Fahrten, das Hotel - zusammen also über 500 Euro, vielleicht mit Essen dann schon 600 Euro. Das ist auch ein Grund, warum es wichtig ist, viel Zeit zu investieren, um sich auf die Prüfung vorzubereiten. Es ist eben auch viel Geld.

Gegenwind:

Was hast Du von der IHK nach der Prüfung bekommen?

Joanna Plachta:

Ich habe ein Zertifikat bekommen. Dort steht alles drauf, alle Noten. Ich bin nicht ganz zufrieden, ich weiß, dass ich bessere Leistungen erbringen kann als dort drauf steht, aber während der Prüfung ging das nicht besser.

Gegenwind:

Was nützt Dir das Zertifikat?

Joanna Plachta:

Ich kann jetzt in diesem Beruf arbeiten und verdiene damit mein Geld. Ich kann zwar noch nicht davon leben, weil ich noch zu wenig Aufträge habe, aber ich habe ja erst vor ein paar Monaten angefangen.

Gegenwind:

Nun ist das Gesetz zur Vereidigung und Ermächtigung in Schleswig-Holstein 2008 noch nicht verabschiedet worden. Verspricht Du Dir auch etwas davon, wenn das Gesetz in Kraft tritt und Du Deine Vereidigung beantragen kannst?

Joanna Plachta:

Ja, ich hoffe, es klappt jetzt schnell mit der Ermächtigung. Ich werde auf jeden Fall den Antrag stellen.

Gegenwind:

Willst Du lieber dolmetschen oder lieber übersetzen?

Joanna Plachta:

Ich beschäftige mich lieber mit Übersetzungen. Da fühle ich mich sicherer. Besonders bei juristischen und wirtschaftlichen Texten gilt das. Ich habe Jura studiert, deshalb kann ich juristische Texte gut übersetzen, und mir fällt das leichter als das Dolmetschen. Aber ich war auch noch nicht als Dolmetscherin beim Gericht. Ich finde, mit dem Übersetzen geht man ein geringeres Risiko ein. Ich selbst kann alles kontrollieren, korrigieren, ich kann mich mit dem Text mehrfach auseinandersetzen, bevor ich alles abschicke.

Gegenwind:

Was nützen Dir Dolmetscher-Treffen? Warum nimmst Du daran teil?

Joanna Plachta:

Vor allem lerne ich viele Dolmetscher kennen, wir können Erfahrungen austauschen, das bringt mir viel. Außerdem kann ich dort Werbung machen, meine Visitenkarten verteilen, und das hilft auch.

Interview: Reinhard Pohl

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