(Gegenwind 355, April 2018)

Krieg zu Ende? Flüchtlinge nach Hause?

Wie geht es weiter mit Syrien?

Die AfD drängt im Bundestag, syrische Flüchtlinge jetzt wieder nach Hause zu schicken. Einzelne Mitglieder besuchen auch die Assad-Regierung in Damaskus und verbreiten anschließend, alles wäre gut, die Cafés geöffnet, die Menschen zufrieden. Das Echo der Kampagne findet man in den Kommentarspalten der Online-Medien: „Die” sollen nach Hause, „die” sollen ihr Land wieder aufbauen. Die Bundesregierung unterstützt diese Kampagne: Waren Syrerinnen und Syrer noch 2015 und 2016 die „guten” Flüchtlinge, die immer als Positivbeispiele denen vom Westbalkan oder Nordafrika entgegengestellt wurden, werden syrische Flüchtlinge seit 2017 zu „Kriegsflüchtlinge” („subsidiär Geschützten”) herabgestuft, die Familieneinheit wird ihnen verweigert.

In Syrien gibt es tatsächlich starke Veränderungen: Die kurdische YPG hat mit Luftunterstützung der USA dem „Islamischen Staat” alle größeren Städte abgenommen. Im Nachgang hat die Regierung Assad weite Gebiete im Osten des Landes wieder besetzt, die sie ab 2014 fast kampflos dem „Islamischen Staat” überlassen hatte. Mehr als die Hälfte des Landes untersteht heute wieder formell der Assad-Regierung.

Beginn des Krieges

Das sah 2014 noch ganz anders aus. Die Proteste gegen die Diktatur, die das Land seit 1970 mit ungeheurer Brutalität beherrscht, begannen 2011, angestoßen durch den „Arabischen Frühling” in Tunesien. Sie breiteten sich rasch über das ganze Land aus. Das zeigte nicht nur, wie verhasst die Diktatur bei allen Teilen der Bevölkerung ist. Es zeigte auch die starken sozialen Probleme, die seit 2005 entstanden waren.

Die Klimaänderungen, verursacht durch die Industriestaaten, verändert im Nordosten Syriens die Bedingungen für die Landwirtschaft drastisch: Das Land wird trockener. Die Diktatur, die jedem Bauern die Anbauprodukte genau vorschreibt, reagierte auf die Klimaänderungen unflexibel, viele Bauern mussten ihr Land verlassen und suchten Zuflucht in den großen Städten. Es entstanden Elendsviertel an den Rändern von Damaskus, Aleppo, Homs, Hama oder Daraa. Die syrische Regierung tat nichts, auch weil die Weltwirtschaftskrise ab 2008 die Staatskasse schwer traf und die Korruption drastisch zunahm.

Es waren die allein gelassenen Bewohnerinnen und Bewohner dieser Elendssiedlungen am Rande der Großstädte, die die Proteste trugen und landesweit verbreiteten. Und es war die übliche Methode Assads zur Bekämpfung der Opposition, die aus den Protesten einen Bürgerkrieg machte. Von Anfang an bekam die Armee Schießbefehl, die Proteste wurden mit Panzern und Bombern bekämpft. Doch während die Regierungsclique selbst genauso wie die Elite der Luftwaffe der religiösen Minderheit der Alawiten angehören, ist die Armee eine Armee von Wehrpflichtigen, also zu mehr als 70 % bestehend aus sunnitischen Muslimen. Und die desertierten nach dem Schießbefehl massenhaft, von 300.000 Regierungssoldaten sind heute weniger als zehn Prozent bei der Regierung geblieben, davon weniger als 6.000 für Kampfeinsätze einsetzbar.

Die Deserteure flohen meistens ins Ausland, oft die gesamten Familien, weil die Diktatur traditionell auf diejenigen zugreift, die greifbar sind. Viele bildeten auch neue Gruppierungen, um die Protestierer zu schützen, und nannten diese „Freie syrische Armee”. Sie verwenden die syrische Fahne, die vor der Machtergreifung des Vaters Assad galt, grün-weiß-schwarz mit roten Sternen. Assads Fahne blieb rot-weiß-schwarz mit grünen Sternen. Aber die „Freie Syrische Armee” ist keine Armee, sondern es handelt sich um ungefähr 80 Organisationen, die den gleichen Namen tragen, aber sonst wenig miteinander zu tun haben. Einige (die US-Regierung spricht von 28) wollten eine Demokratie nach westlichem, europäischen Vorbild. Andere unterstellten sich den Muslimbrüdern, eine konservativen Strömung, deren syrische Anführer aber seit den 1980er Jahren im Exil saßen und wenig mit der inneren Situation vertraut waren. Die Mehrzahl der Gruppen wurde nach und nach von extremen islamischen Organisatoren gekapert, die vor allem aus den Golfstaaten und Saudi-Arabien heraus Unterstützung bekamen, oft nicht von den dortigen Regierungen, sondern religiösen Stiftungen.

Aus dem Westen wurden wenige Gruppieren unterstützt, und zwar durch die USA, Großbritannien und Frankreich. Die Türkei unterstützte von Anfang an nur islamistische Extremisten, weil einerseits der türkische Präsident selbst den Muslimbrüdern nahe steht, andererseits ihnen eine größere Durchschlagskraft zugetraut wurde.

Auch Assad setzt auf radikale Islamisten

Präsident Assad hatte, wie sein Vater, schon immer Bewegungen wie die PFLP (in Konkurrenz zur PLO), die PKK (als Verhandlungsposten gegenüber der türkischen Regierung und ihrer Wasserpolitik) oder auch die libanesische Hisbollah (als Machtfaktor im Libanon) unterstützt. Nach der US-Besetzung des Irak 2003 begann er mit der Unterstützung von radikalen Islamisten rund um den Jordanier az-Zarqawi, der mit seinen jordanisch-syrisch-irakischen Freiwilligen 2001 aus Herat in Afghanistan zurückgekehrt war und 2004 den Kampf gegen die US-Besatzungstruppen im Irak aufnahm.

In den nächsten Jahren landeten regelmäßig Freiwillige in Damaskus, wurden von dort aus in ein Armee-Ausbildungslager in Sukkariya weitergeleitet, von dort aus gelangten sie in den Irak. Das Programm wurde und wird von Asif Schaukat, Assads Schwager geleitet, der offiziell im Militärgeheimdienst für Palästina zuständig ist. Mit Hilfe dieser in Syrien ausgebildeten Freiwilligen machte az-Zarqawi seine Gruppe zur stärksten Widerstandsgruppe im Irak, nach seinem Tod wurde sie nach az-Zarqawis Plänen erst zum „Islamischen Staat im Irak” (ISI), dann zu ISIS und 2014 zum IS, dem „Islamischen Staat” umbenannt.

Allerdings: Wer aus dem Irak über Syrien nach Hause, also in der Regel nach Tunesien oder Russland, zurückkehren wollte, wurde in Syrien verhaftet und ohne Urteil eingesperrt. So sammelten sich in Syriens Gefängnissen mit der Zeit Tausende von islamistischen Kämpfern, ausgebildet, aber als unzuverlässig eingestuft. Erst im Herbst 2011 verkündete Assad eine Generalamnestie, rund 8.000 Kämpfer wurden entlassen - und bildeten seitdem das Rückgrad des „Islamischen Staates” in Syrien. Auffällig war, dass sie weite Gebiete im Osten des Landes mit Raqqa als Hauptstadt einnahmen, aber es kaum Kämpfe mit der syrischen Armee gab, die sich in der Regel kampflos zurückzog.

Nur verbal kämpfte Assad gegen die Islamisten: Er bezeichnete sie als „Terroristen” und behauptete, sie wären die einzigen, die gegen seine Regierung seien. Alle, die protestierten, würden von den „Terroristen” dazu gezwungen oder vom Westen (und natürlich Israel) dafür bezahlt. Eine Opposition, eine „Freie syrische Armee” gab es in der Assad-Propaganda nicht, sondern nur seine Armee und die Terroristen vom „Islamischen Staat” und der „Nusra-Front”, die sich zu al-Qaida zählt. Beide machten damals weniger als 20 Prozent des Widerstandes aus, aber genau diese 20 Prozent beschimpfte Assad und förderte sie gleichzeitig.

„Islamischer Staat” und al-Nusra

Diese beiden Organisationen kämpften weniger gegen die Regierungstruppen als vielmehr gegen die demokratische Opposition. Denn auch ihnen ging es, wie Assad, um die Macht, ohne die diktatorische Ordnung selbst in Frage zu stellen.

Einheiten der FSA wurden genauso angegriffen wie konkurrierende Islamisten, vor allem diejenigen, die dem Muslimbrüdern nahe stehen. Muslimbrüder werden von Salafisten vor allem kritisiert, weil sie sich an Wah-len beteiligen, in Ägypten wie in der Türkei, im Jemen wie in Tunesien. Salafisten, dazu gehören die Führungen von IS und Nusra-Front, lehnen Wah-len ab, weil sie den „Willen Allahs” zum Durchbruch verhelfen wollen, den man angeblich im Koran findet, über den man aber weder diskutieren noch abstimmen darf.

Nachdem der IS im Osten und die Nusra-Front in Idlib zur stärksten Macht geworden waren, wandte sich der IS gegen die kurdische YPG. Denn auch dort hatte die Assad-Armee sich 2013 zurückgezogen, die stärkste kurdische Partei PYD hatte daraufhin eine Zivilverwaltung organisiert und „ihrem” Rojava (kurdisch: Westen) eine demokratische Verfassung gegeben. Hier galt jetzt die Gleichberechtigung von Mann und Frau, die Religionsfreiheit, neben Arabisch und Kurdisch wurde Assyrisch, die alte Sprache der Christen, zur offiziellen Staatssprache. Der IS-Angriff brachte das kurdische Gebiet an den Rand des Zusammenbruchs, die Türkei belieferte den „Islamischen Staat” seit 2014 mit Waffen und Munition und schloss die Grenze zu den Kurden - bis 2015 die USA zurückkehrten. Sie hatten den Irak 2010 verlassen, begannen aber nach dem Völkermord an den Jesiden im August 2014 wieder mit Bombenangriffen sowie kleineren Operationen am Boden.

Im Kampf um Kobane erlitt der „Islamische Staat” seine erste Niederlage, allerdings um den Preis hoher Verluste auf kurdischer Seite. Eine Entwicklung, die weder Assad noch Erdogan gefielen.

Assad auf dem Weg zur Niederlage

Die Situation für Assad hatte sich 2014, drei Jahre nach Beginn des Bürgerkrieges, drastisch verschlechtert. Der Iran, sein wichtigster Verbündeter, hatte bereits 1979 im Libanon aus den Resten der Amal-Miliz die Hisbollah geformt, die vor allem im Libanon die iranischen Interessen durchsetzen und außerdem gegen Israel kämpfen sollte. Die wurde jetzt zu großen Teilen nach Syrien beordert, um die schwankenden Reste der syrischen Armee zu stabilisieren und Assad zu retten. Nach großen Verlusten der Hisbollah bildete der Iran Milizen aus irakischen (schiitischen) Freiwilligen, dort unterstützt die iranische Führung seit 2004 die neue schiitische Regierung in Bagdad. Als auch das nicht reichte, wurden mehrere Tausend illegaler afghanischer Flüchtlinge im Iran unter Zwang oder mit Versprechungen rekrutiert und ebenfalls nach Syrien geschickt, immer unter der Führung iranischer Offiziere. Iranische Freiwillige dürfen sich für diese Milizen nicht melden, der Iran fürchtet die Kritik der Eltern, weil der Krieg in Syrien weit verlustreicher ist als die Führung zugeben möchte.

Im Sommer 2015 schien der Krieg verloren: Russland zog alle Militärberater ab und evakuierte sie ins Mutterland, ebenso fast alle Soldaten von der russischen Marinebasis Tartus. Auch der Iran, der vermutlich rund 1.000 eigene Soldaten und mehr als 10.000 Milizionäre verloren hatte, dafür gibt es frische Gräberfelder nahe Teheran, begann mit der Evakuierung seiner Truppen.

Doch im August 2015 entschloss sich Putin anders: Alle Militärberater wurden von Russland aus wieder in Marsch gesetzt, Russland verlegte rund 25.000 russische Soldaten mit rund 30 Flugzeugen und Hubschraubern nach Syrien und baute bei Latakia an der Mittelmeerküste einen neuen Luftwaffenstützpunkt auf. Ab September begannen die russischen Bomber, in die Kämpfe einzugreifen, bekannt wurden die großflächigen Angriffe auf Wohnviertel in Aleppo.

In Deutschland bemerkten die Menschen diese neue Entwicklung relativ schnell: Hunderttausende von Flüchtlingen, die noch im August 2015 im Libanon und der Türkei auf gepackten Koffern saßen, um nach dem Verschwinden Assads zurückzukehren, gaben das Warten auf bessere Zeiten in der alten Heimat auf und suchten für sich, besonders aber für ihre Kinder eine neue Heimat in Europa und vor allem Deutschland. Alle, die mehr Geld hatten, kamen gemeinsam, die mit weniger Geld schickten einzelne junge Männer vor mit dem Auftrag, nach der Anerkennung den Rest der Familie mit einem Visum nachzuholen. Deutschland akzeptierte vor allem die Wohnhabenderen.

Der russische Militäreinsatz brachte für Assad die Wende: Die Auflösung der syrischen Armee, inzwischen waren weniger als 10.000 Soldaten übrig, konnte gestoppt werden, seitdem hat sich die Armee bei 6.000 bis 8.000 Soldaten stabilisiert. Die Idee von Putin allerdings, er könnte mit einem begrenzten Militäreinsatz von drei bis sechs Monaten die Position Russlands als Weltmacht oder zumindest eine führende Macht im Nahen Osten zurückgewinnen, brach schnell zusammen: Eine entscheidende Position konnte er für Russland zurückgewinnen, aber um den Preis eines jahrelangen und sehr, sehr kostspieligen Krieges. Der Verbündete Iran musste überredet werden, 2016 seine 65. Luftlandedivision „Kolah Sabziha” nach Syrien zu verlegen und damit die Rolle zu übernehmen, die Russland eigentlich der syrischen Armee zugedacht hatte.

Kurdistan siegt und verliert

Kurdistan, Rojava, wurde nach der Befreiung von Kobane von den USA hochgerüstet, die kurdischen Kämpfer ausgebildet. Auf Druck der USA schlossen sich kurdische, arabische und assyrische Milizen zur „SDF” (Syrische Demokratische Streitkräfte) zusammen. Nach und nach konnten sie einen Ort nach dem anderen von den IS-Milizen befreien und beherrschen heute ungefähr ein Viertel des Staatsgebietes. Die USA achteten darauf, dass sie schnell genug vorrücken, um nördlich und östliche des Euphrat die wichtigsten Ölgebiete unter ihre Kontrolle zu bringen - ein gefährliches Spiel. Denn diese musste Assad als Preis für die russische Intervention für 30 Jahre an Russland abtreten.

Die kurdisch beherrschte SDF kann sich gegen Assad, vor allem aber gegen den Iran und Russland nur halten, wenn sie zuverlässig von den USA unterstützt wird. Bisher ist das so. Am 18. Juni konnten die kurdischen Truppen mit Hilfe der US-Luftwaffe einen Angriff von Assad-Truppen am Tabqa-Staudamm abwehren, wo sie (unter Missachtung der informellen Übereinkunft) ein großes Gebiet südlich des Flusses kontrollieren, dabei wurde ein syrisches Kampfflugzeug abgeschossen.

Am 7. Februar 2018 griffen syrische Regierungstruppen, vermutlich vor allem aus russischen Soldaten bestehend, bei Deir-ez-Zor einen kurdischen Kommandoposten an, um das Ölfeld Tabiyeh östlich des Euphrat zu erobern. Eine Einheit wurde zurückgeschlagen, eine andere vernichtet. Verschiedene Quellen sprechen von 30, 200 oder 800 getöteten russischen Soldaten. Russland leugnete zunächst den gesamten Vorfall, nach Dutzenden Veröffentlichungen von Todesmeldungen in russischen Zeitungen gab man rund 30 Tote zu, rechnete sie aber alle zu einer Söldner-Firma „Wagner” in St. Petersburg (ohne Kommentierung der Gesetzeslage, nach der Söldner-Firmen in Russland illegal sind).

Russlands Rückzugs-Versuche

Russland versucht seit geraumer Zeit, den inzwischen viel zu teuer geratenen Militäreinsatz zu beenden. Im Frühjahr 2017 wurde mit dem Iran und der Türkei vereinbart, vier „Deeskalationszonen” einzurichten. Sie liegen in Idlib, Homs, Ost-Ghouta bei Damaskus und rund um Daraa. Dorthin sollen die regierungsfeindlichen Milizen sowie die mit ihnen sympathisierende Bevölkerung deportiert werden, sie sollen dort aber nicht angegriffen werden. Die Türkei wurde als „feindliche Macht” mit in die Vereinbarung einbezogen. Sie garantiert gemeinsam mit Russland und Iran für die Sicherheit der Bevölkerung in den vier Schutzzonen.

Auffällig war, dass die syrische Regierung zu dieser Konferenz in Sochi nicht direkt eingeladen war. Vertreter Assads kamen erst am vierten Tag dazu, offensichtlich um die Ergebnisse entgegen zu nehmen.

Die genauen Vereinbarungen wurden nicht veröffentlicht. Offenbar war aber der Türkei der Einmarsch in Idlib (südlich von Afrin) ebenso erlaubt worden wie die dauerhafte Inbesitznahme der Zone zwischen Afrin und Kobane, wo türkische Truppen schon früher eingerückt waren. Anscheinend wurde auch vereinbart, dass Russland und der Iran Assad nicht dabei unterstützen, die jetzt kurdisch regierten Regionen zurück zu erobern.

Allerdings hat Russland bereits zweimal den Abzug aller Truppen und Luftwaffen-Einheiten verkündet, auch im Fernsehen gezeigt, und zwar einmal 2016 und einmal 2017. Letztlich mussten die Einheiten aber verstärkt werden. Dagegen gab das russische Verteidigungsministerium Anfang 2018 auf der eigenen Internet-Seite bekannt, in Syrien wären mehr als 200 neue Waffensysteme unter Ernstfall-Bedingungen getestet worden und stünden jetzt für den Export bereit - damit versucht der zweitgrößte Rüstungsexporteur der Welt seine Position vor Deutschland zu halten und einen Teil der Kriegskosten zu finanzieren.

Russland hat sich, wie gesagt, alle syrischen Erdöl-Vorräte für 30 Jahre überschreiben lassen, die Ausbeutung soll „Rosneft” übernehmen. Die meisten Vorkommen liegen allerdings jetzt im „US-Gebiet”.

Allerdings ist der Einsatz auch für Russland und seine Rüstungsexporte mit großen Risiken verbunden: Flugzeugabstürze häufen sich, so wurden im Februar 2018 vermutlich 39 russische Offiziere bei einem Flugzeugabsturz bei Latakia getötet, auch der russische Armee-Chor, der die Fronttruppen aufmuntern sollte, wurde komplett getötet. Zu Sylvester 2017/18 haben Rebellen mehrere russische Flugzeuge auf dem Stützpunkt bei Latakia zerstört und etliche Soldaten getötet. Der Einsatz des einzigen Flugzeugträgers wurde nach zwei Flugzeugabstürzen innerhalb einer Woche abgebrochen, und Marschflugkörper, vom Kaspischen Meer aus auf Syrien abgeschossen, schlugen im Iran ein. Alle Konfrontationen mit NATO-Truppen in Syrien, egal ob mit US-Truppen oder türkischen Truppen, gingen für Russland verloren. Man demonstriert also auch immer den eigenen technischen Rückstand.

Irans Motive

Der Iran bemüht sich darum, über den Irak und Syrien den eigenen Einfluss bis nach Libanon und die Grenze Israels auszudehnen. Im Irak stützt man sich auf die Regierung der schiitischen Mehrheit, die die USA an die Macht gebracht haben. In Syrien stützt man sich auf die Diktatur der Regierung aus der alawitischen Minderheit. In Libanon ist man mit der stärksten Miliz verbündet, der schiitischen Hisbollah, wobei die Schiiten nur rund 30 Prozent der Bevölkerung ausmachen.

Der Iran hat sich seinen Kriegsbeitrag teuer bezahlen lassen. Heute gehören das syrische Handynetz, weite landwirtschaftlich genutzte Gebiete, Phosphat-Minen und Düngemittel-Produzenten, aber auch viele ehemals staatliche Viehzucht-Betriebe den „Pasdaran”, den Revolutionswächtern des Iran. Letztlich soll die gesamte iranische Bevölkerung über Telefonrechnungen und Lebensmittelkauf auf Jahrzehnte für den Krieg bezahlen, ein Konzept, das auch langfristig mit Truppen abgesichert werden muss.

Israel greift iranische Truppen immer wieder an, mit „Erlaubnis” Russ-lands, und erklärt kategorisch, keine iranischen Truppen an der eigenen Grenze dulden zu wollen. Grundsätzlich ist Israel an einer stabilen Regierung in Syrien interessiert, mit der man verlässlich Verträge abschließen kann - das war seit 1973 mit Assad immer gut möglich.

Türkei

Die türkische Regierung unter Erdogan wollte 2011 Assad stürzen und setzte dabei auf die radikalsten islamistischen Milizen, ohne wirklich von Anfang an zu durchschauen, dass Assad hinter dem Aufstieg dieser Milizen steckte. Diese Anti-Assad-Haltung änderte sich mit dem Aufstieg der kurdischen Milizen, vor allem, weil die YPG sich zu Abdullah Öcalan bekennt.

Nach einigen Auseinandersetzungen mit Russland, unter anderem schoss die Türkei ein Kampfflugzeug der Schutztruppe für Assad ab, arrangierte man sich mit Russland und dem Iran. Die Türkei übernahm formell die Garantie für die Sicherheit der „Deeskalationszonen”. Diese tauschte man aber Anfang 2018 bei Russland ein:

Die Türkei „erlaubte” den syrischen Truppen und der türkischen Luftwaffe, Ost-Ghouta und den Süden Idlibs anzugreifen und zurück zu erobern. Dafür „erlaubte” Russland der Türkei, Afrin anzugreifen, am 20. Januar 2018 zog Russland seine dort stationierten Truppen zurück und öffnete den Luftraum für türkische Angriffe.

Da die „YPG Afrin” einseitig auf das Bündnis mit Russland gesetzt hatte, während die „YPF Kobane” mit den USA verbündet ist, stand Afrin mit dieser türkisch-russischen Vereinbarung alleine da. Die Türkei will ganz Kurdistan zerstören, Präsident Erdogan hat auch schon Angriffe auf alle anderen kurdischen Gebiete in Syrien und auch im Irak angekündigt. Zunächst hat er aber die russisch-iranische Zusage, dass die Türkei bei der Aufteilung Syrien den gesamten Nordwesten bekommt. Assad wird von seinen Bündnispartnern dabei nicht konsultiert - syrische Regierungstruppen, die der YPG in Afrin zu Hilfe kamen, wurden von der türkischen Luftwaffe vernichtet, ohne dass Russland darüber ein Wort verlor.

Und die Zukunft?

Die USA werden vermutlich bis auf weiteres die südliche Deeskalationszone rund um Daraa sowie das kurdische Gebiet im Osten Syrien schützen. Mit den FSA-Einheiten von Daraa sind sie verbündet, und Israel legt Wert darauf, dass syrische Truppen, vor allem aber iranische Truppen dort nicht einrücken können. Die Ölgebiete im Osten sind den USA wichtig, weil damit die Landverbindung zwischen den iranischen Truppen im Irak und den iranischen Truppen in Westsyrien unterbrochen wird. Außerdem verliert Russland die Öleinnahmen.

Kurdistan (Rojava) ist mit einem Viertel des Staatsgebietes weit überdehnt. Zwar gibt es formell eine demokratische Verfassung und eine Beteiligung der arabischen, assyrischen und turkmenischen Bevölkerung, nicht aber der armenischen Minderheit (die als Assad-treu gilt). Und das Militär, das Oberkommando der YPG und letztlich der PKK hat immer das letzte Wort. Militärisch ist die YPG davon abhängig, dass die USA ihr Schutzversprechen einhält - unter der Präsidentschaft von Trump ein gewagtes Spiel, für die kurdische Minderheit gibt es aber erkennbar keine Alternative.

Man erinnert sich sehr genau an die Giftgas-Angriffe von Saddam Hussein im Irak und sieht die mehr als 180 Giftgas-Angriffe von Bashar al-Assad auf die arabische Bevölkerung als deutliche Warnung.

Die Türkei will Kurdistan zerstören. Die Regierung Erdogan hat es seit mehreren Jahren der eigenen Bevölkerung angekündigt, allerdings in jüngster Zeit inklusive eines Angriffs auf die in Syrien stationierten US-Truppen. Das sind zwar nur rund 1.000 Soldaten, aber ein Angriff würde innerhalb von Minuten zu einer erheblichen Verstärkung in der Luft führen. Russland ist das egal, solange zwei NATO-Staaten kämpfen, der Iran will lieber die Einheit Syriens erhalten.

Assad ist komplett von Russland und dem Iran abhängig. Er hat alle profitablen Einnahmequellen des Landes abtreten müssen. Nach wie vor wird die Opposition unnachsichtig verfolgt: Rund 80.000 Protestierer wurden zwischen 2011 und Ende 2017 in den Gefängnissen hingerichtet. Allen Rückkehrern wurde angedroht, sich an ihnen zu rächen. Ob Assad Herrscher bleibt, hängt von Russland und dem Iran an. Der Anführer der „Republikanischen Garden”, Issam Zahreddine, bot sich Mitte Oktober 2017 der russischen Führung als Nachfolger von Assad an, starb dann allerdings am 18. Oktober in Deir ez-Zor - nach Angaben Assads war er versehentlich auf eine Mine getreten. Im engsten Führungskreis von Assad rumort es also.

Deutschland und die Welt Band 90: Syrien

Situation für Rückkehrer

Russland hat im Verlauf der Krieges ungefähr die Hälfte aller Krankenhäuser Syrien mit Luftangriffen zerstört. Das war Teil der Strategie, die demokratische Opposition zu demoralisieren. Rund 70.000 Angehörige des Gesundheitswesens sind ins Ausland geflohen und von vielen europäischen Ländern mit offenen Armen aufgenommen worden. Sofern sie Kinder haben, werden sie an ihren hier erkämpften Jobs hängen - auch Deutschland finanziert die Anpassungsqualifikation der Ärztinnen und Ärzte mit staatlichen Hilfen.

Bei Schulen und Lehrern sieht die Situation ähnlich aus. Sie finden hier zwar schwerer Arbeit, setzen sich aber im Allgemeinen gut durch.

Flüchtlinge müssten also in ein Land mit einer repressiven und lebensgefährlichen Regierung zurückkehren, das kein Geld hat, keine Krankenhäuser hat und keine Schulen hat. Zur Zeit gibt es in Damaskus und Aleppo einen Bauboom, von dem auch die AfD berichtete: Dort werden aber ganze Stadtviertel, von Flüchtlingen verlassen, abgerissen. Spekulanten verschiedener Nationalität bauen dort ohne Rücksicht auf Eigentumsverhältnisse neue Wohnviertel, in denen assad-treue Inlandsflüchtlinge neue Wohnungen bekommen.

AfD-Delegationen und vorher schon NPD-Delegationen können zu Assad reisen. Flüchtlingen ist eher von einer Rückkehr abzuraten, vermutlich für sehr lange Zeit.

Reinhard Pohl

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