(Gegenwind 412, Januar 2023)

Fluchtmuseum Dänemark

Krieg und Flucht:

Die unerwünschten Flüchtlinge

Deutsche Flüchtlinge in Dänemark 1945 bis 1949

1944 erreichte die Rote Armee über Polen die deutsche Grenze. Der Krieg dauerte schon fünf Jahre, im September 1939 hatten Deutschland und danach die Sowjetunion Polen angegriffen und damit den Zweiten Weltkrieg gestartet. 1941 brach Deutschland den mit Stalin vereinbarten Nichtan-griffspakt und besetzte Belarus, Ukraine und einen Teil Russlands. Und jetzt kam der Krieg zurück nach Deutschland, und 16 Millionen Deutsche flohen.

Am 16. November besuchten wir mit einer Gruppe von 27 Teilnehmer:innen von Rendsburg aus Oksbøl. Die Fahrt wurde vom Landesverband des Diakonischen Werkes organisiert (und bezahlt), der Bus hielt nach der Abfahrt in Rendsburg noch in Schleswig und Flensburg. Einige Teilnehmende kannte die Zeit noch aus ihrer Kindheit, vor allem natürlich aus den Erzählungen der Eltern. Andere kamen aus Familien von Einwanderern oder waren selbst in den letzten Jahren nach Deutschland geflohen und wussten fast nichts über die deutschen Flüchtlinge von 1945.

Oksbøl liegt auf halben Weg zwischen der deutschen Grenze und der dänischen Nordküste an der Nordsee, also ungefähr auf der Höhe von Kopenhagen. Von Rendsburg aus sind es mit dem Auto zweieinhalb Stunden, mit dem Bus sind wir (einschließlich der vorgeschriebenen Pause des Fahrers in Ribe) vier Stunden gefahren. Ribe ist die älteste Stadt Dänemarks, der Dom dort (den wir auch besichtigen konnten) wurde 1250 eingeweiht.

Flucht und Vertreibung

Der gesamte Zweite Weltkrieg war auch eine Geschichte von Flucht und Vertreibung. Nach der Besetzung Polens wurde das Land geteilt: Der Osten ging an die Sowjetunion. Der Westen ging an Deutschland. Die Nördlichen und westlichen Gebiete wurden als „Warthegau“ Deutschland angeschlossen, das Zentrum und der Süden wurden als „Generalgouvernement“ das besetzte Rest-Polen. Ungefähr 900.000 Polen wurden aus dem Warthegau in der Generalgouvernement vertrieben. Im Warthegau wurden zwangsumgesiedelte Deutsche aus den baltischen Staaten und aus Norditalien angesiedelt.

Die Wehrmacht konnte Leningrad (St. Petersburg), Moskau und Stalingrad (Wolgograd) erreichen, aber nie ganz einnehmen. 1942 begann die Gegenoffensive der Roten Armee, im Herbst 1944 erreichte sie die deutsche Grenze im Osten. Die Regierung verbot die Flucht, weil sie glaubte, die Wehrmacht würde verbissener kämpfen, wenn deutsche Zivilisten im Kampfgebiet blieben. Aber Hunderttausende machten sich auf den Weg nach Westen. Da viele zu Fuß fliehen mussten, wurden oft Flüchtlingskolonnen von den Panzern der Roten Armee überholt und blieben dann hinter der sowjetischen Front.

Von Januar bis April 1945 dauerte der Kampf um Ostpreußen. Die Rote Armee konnte im Januar die Ostsee westlich von Ostpreußen erreichen und damit das Gebiet einschließen. Mit eingeschlossen wurde nicht nur die gesamte Bevölkerung, sondern auch viele deutsche Flüchtlinge aus der Sowjetunion und Polen. In Ostpreußen gab es noch 580.000 deutsche Soldaten mit 700 Panzern, 700 Flugzeugen und 8.200 Geschützen. Die Rote Armee griff mit 1,7 Millionen Soldaten, 3.000 Panzern, 3.000 Flugzeugen und 25.000 Geschützen an.

Die Marine übernahm es, die Deutschen dort in Sicherheit zu bringen. Im Februar erteilte Hitler dazu den Befehl und befahl auch, sie auch nach Dänemark zu evakuieren. Die Marine konnte 1,5 Millionen Zivilisten und 500.000 Soldaten über die Ostsee evakuieren. Da Soldaten und Zivilisten gemischt transportiert wurden, wurden alle Schiffe auch von sowjetischen U-Booten angegriffen. Die „Wilhelm Gustloff“, die „Steuben“, die „Goya“ und andere Schiffe wurden mit Tausenden Menschen an Bord versenkt. Insgesamt sind von 2,4 Millionen Einwohnern von Ostpreußen rund 300.000 in den letzten Wochen des Krieges gestorben.

Flucht über die Ostsee

Anfang Januar 1945 waren im Bereich Ostpreußen ungefähr 5 Millionen Deutsche von der Roten Armee eingeschlossen und versuchten, auf dem Seeweg zu fliehen. Dazu bewegten sie sich in Richtung der Häfen Hela und Memel.

Die Marine wollte deutsche Soldaten evakuieren, vor allem Verwundete aus Ostpreußen und aus den baltischen Staaten. Außerdem bekam sie den Auftrag, auch Zivilistinnen und Zivilisten mitzunehmen. Wie viele Menschen evakuiert wurden, ist unklar. Früher war in Gedenkstätten von 2,5 Millionen Menschen die Rede. Im Marine-Ehrenmal Laboe heißt es heute, „Hunderttausende“ wären evakuiert worden.

Eines der ersten Schiffe, das Marinesoldaten und Zivilist:innen nach Schleswig-Holstein bringen sollte, war die „Wilhelm Gustloff“. Sie wurde von sowjetischen Torpedos getroffen und sank am 30. Januar. Insgesamt wurden zwölf Schiffe versenkt, die Marine schätzt den Verlust auf 12.600 Ertrunkene.

Ende Februar wurde die Belagerung durch die Rote Armee von der Wehrmacht durchbrochen, und Tausende von Deutschen konnten von außen in den Kessel flüchten. Die Marine konnte 5.000 pro Tag evakuieren, aber zunächst nur nach Danzig. Das wurde am 23. März von der Roten Armee erobert.

Es gab im Januar und Februar zu wenig Schiffe. Ab März gab es dann einen Mangel an Treibstoff, so dass viele aus Schleswig-Holstein kommenden Schiffe nicht wieder ablegen konnten. Der vorhandene Treibstoff wurde vor allem für die wenigen noch vorhandenen deutschen U-Boote reserviert.

Anfang April befanden sich noch 400.000 Zivilisten im Kessel. Die Marine legte fest, dass auf jedem Schiff zu 80 Prozent Soldaten und zu 20 Prozent Zivilisten transportiert werden sollte. Nachdem Königsberg am 9. April kapitulierte, wurde der Schlüssel geändert: 60 Prozent Soldaten und 40 Prozent Zivilisten pro Schiff. Am 25. April hatte die Rote Armee alle Häfen erobert, die Transporte endeten.

Nach dem Krieg behauptete Karl Dönitz, er habe sich vor allem um die Rettung von Zivilisten bemüht. Damit wollte er vor dem Nürnberger Tribunal einen guten Eindruck machen. Er wurde am 1. Oktober 1946 zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt und am 1. Oktober 1956 entlassen. Er starb 1980.

Flüchtlinge in Schleswig-Holstein

Schon 1943 kamen mehr als 200.000 Flüchtlinge nach Schleswig-Holstein. Es waren vor allem Ausgebombte aus Hamburg, die auf dem Lande untergebracht wurde. Die meisten landeten in den Gebieten der heutigen Kreise Pinneberg und Steinburg.

Ab 1944 kamen Flüchtlinge aus dem Osten, vor allem der heutigen Ukraine und Polen, nach Schleswig-Holstein. Ab Anfang 1945 transportierten 700 Schiffe Flüchtlinge über die Ostsee. Die Schiffe landeten meistens in Mecklenburg oder Schleswig-Holstein, vermutlich brachten sie zwei Millionen Menschen. In Schleswig-Holstein kamen zwischen Anfang März und Ende Juni, also in vier Monaten, 700.000 Flüchtlinge an.

1939 hatte Schleswig-Holstein 1,6 Millionen Einwohner:innen, im Oktober 1946 waren es 2,6 Millionen Deutsche. Dazu kamen Lager mit „displaced persons“, also vor allem ehemaligen ausländischen Zwangsarbeitern, die bei der Volkszählung nicht mitgezählt wurden. 1956, als viele Flüchtlinge innerhalb Deutschlands verzogen waren, zählte Schleswig-Holstein 755.000 hier lebende Flüchtlinge (Vertriebene), das waren 32,2 Prozent der Bevölkerung.

In Schleswig-Holstein waren vor allem die großen Städte Kiel und Lübeck zerstört, in beiden Städten rund 70 Prozent der Wohnungen. In den vier großen Städten kamen nur 20 Prozent der Flüchtlinge unter, in den kleineren Städten und auf dem Lande 80 Prozent. Rendsburg wuchs um 65 Prozent.

Fluchtmuseum

Am 1. April 1950 gab es in Schleswig-Holstein 728 Flüchtlingslager, in denen 127.756 deutsche Flüchtlinge lebten, für die es noch keine Wohnungen gab. Es wurden aber Wohnungen und ganze Orte gebaut, so entstand Trappenkamp neu als reine Flüchtlingsstadt. Im ERP-Programm entstanden ab 1950 an 84 Standorten in 50 Städten und Gemeinden Schleswig-Holsteins 10.000 Wohnungen für Flüchtlinge. Die Straßen hießen oft Ostpreußenring, Pommernweg, Breslauer Straße.

Zwischen 1950 und 1960 siedelte die Landesregierung rund 400.000 Flüchtlinge nach Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg um.

1950 wurde der „Gesamtdeutsche Block / Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten“ gegründet. Bei der Landtagswahl 1950 bekam der BHE 23,4 Prozent. Als Gegenpartei entstand die „Schleswig-Holsteinische Gemeinschaft“ (SHE), damit „Schleswig-Holstein nicht von Flüchtlingen regiert wird“, wie es im Wahlkampf hieß. Beide Parteien lösten sich später auf und gingen gemeinsam in die CDU.

Flucht nach Dänemark

Ab Ende 1944 wurden Schiffe mit Flüchtlingen oder Trecks mit Flüchtlingen von einzelnen Häfen oder Orten in Schleswig-Holstein abgewiesen und weiter geschickt. So kamen ab November 1944 deutsche Flüchtlinge nach Dänemark. Eine große Zahl kam im Februar bis April 1945. Von rund 4 Millionen Menschen in Dänemark waren damals rund 5 Prozent deutsche Flüchtlinge, dazu kamen von der deutschen Besatzung nach Dänemark gebrachte ausländische Zwangsarbeiter.

Zunächst wurden die Flüchtlinge in Schulen oder öffentlichen Verwaltungsgebäuden untergebracht. Die dänische Ärztekammer weigerte sich, Behandlungen von Flüchtlingen durch dänische Ärzte zu übernehmen, die Verantworten lag bei der deutschen Besatzungsmacht und den deutschen Militärärzten. Mit dem Zusammenbruch der Wehrmacht (Kapitulation am 8. Mai) übernahmen die dänischen Behörden die Verantwortung.

Im Februar war schon das Lager Oksbøl an der Nordsee eingerichtet worden, bis dahin Stützpunkt der Wehrmacht (siehe Fotos Seite 5). Im November folgte das Lager Klövermarken bei Kopenhagen. So entstanden ungefähr ein Dutzend großer Lager, oft mit 20.000 oder 30.000 Plätzen. Am 5. Mai 1945 verkündete das Alliierte Oberkommando, dass 238.000 deutsche Flüchtlinge in Dänemark bleiben müssten, um das Chaos in Deutschland nicht zu vergrößern. Dänemark zäunte die Flüchtlingslager ein, verbot den Kontakt mit der dänischen Bevölkerung und kündigte den deutschen Flüchtlingen an, dass sie nur vorübergehend aufgenommen würden.

Dänemark gründete eine „Flüchtlingsverwaltung“ beim Ministerium für Arbeit und Soziales und sammelte die teils privat untergekommenen Flüchtlinge im ganzen Land ein. Bis zum 24. Juli 1945 wurden rund 10.000 Dänen eingestellt, die die Lager bewachten und den Kontakt mit der dänischen Bevölkerung unterbinden sollten.

Neben den großen Lagern gab es im Oktober 1945 viele kleinere, es gab 465 registrierte Lager. Daraus wurden bis 1946 100 größere Lager. Am 15. August 1946 wurden noch 196.518 Flüchtlinge gezählt. Am 15. Oktober 1947 gab es noch 10 Lager.

Im Lager mussten die Flüchtlinge einen „Bürgermeister“ wählen, jede Baracke musste einen „Barackenvorsitzenden“ wählen. Das schrieb die dänische Regierung vor, um die Deutschen an die Demokratie zu gewöhnen. In jedem Lager richtete Dänemark ein Büro mit einem Suchdienst ein, der Verwandte der Flüchtlinge im In- und Ausland suchte. In den Lagern wurden Kindergärten, Schulen, Kirchen, Werkstätten, Altersheime eingerichtet. Später gab es in den Lagern auch eine deutsche Lagerpolizei und ein deutsches Gericht.

Das Essen war nicht gut, aber es war besser und reichhaltiger als in Deutschland. Zur Rückkehr nach Deutschland, in diesem Falle Schleswig-Holstein, brauchten die Flüchtlinge eine Erlaubnis der Alliierten. Die bestand aus einer Aufnahmezusage der alliierten Kommandantur am Ort, wo man zuziehen wollte, außerdem einem Visum des Oberkommandos.

Es starben 17.209 Flüchtlinge, beerdigt auf 475 Friedhöfen. Alleine im April und Mai 1945 starben rund 13.000 Flüchtlinge, darunter 7.000 Kinder. Nachdem die dänischen Ärzte im Mail 1945 die Versorgung übernahmen, wurde es besser. Ab Sommer 1945 wurden deutsche Flüchtlinge auch in dänischen Krankenhäusern aufgenommen.

Die letzten Flüchtlinge verließen Dänemark am 15. Februar 1949. Ungefähr 15 Prozent konnten in ihre Heimat oder ihre Häuser zurückkehren, rund 85 Prozent mussten in Westdeutschland neu angesiedelt werden.

Die ebenfalls aus dem Osten evakuierten Soldaten, auch von ihnen kam fast eine Viertel Million nach Dänemark, war schon im Mai und Juni 1945 nach Dithmarschen geschickt worden, der Kreis diente als Sammelpunkt für Kriegsgefangene der britischen Armee.

Diskussion in Dänemark

Seit 1999 gibt es in Dänemark eine Diskussion, ob dänische Ärzte an den vielen Toten unter den Flüchtlingen 1945 schuld wären. Eine Untersuchung dazu gab es bereits 1987, aber im Rahmen einer Dissertation von Henrik Havrehed.

Die Diskussion ist schwierig, denn sie wird auch verknüpft über die Rolle der Dänen während der Besatzungszeit. Bis in die 80er Jahre stand der Widerstand im Vordergrund. In Dänemark wurden fast alle Jüdinnen und Juden versteckt oder nach Schweden gefahren, so dass Dänemark das Land mit den wenigsten Toten der Shoah ist.

Aber heute wird auch diskutiert, dass eben nicht alle Dän:innen zum Widerstand gehörten, und dass sich die Feindseligkeit gegenüber Deutschen eben nicht nur gegen Soldaten, sondern auch gegen Zivilisten und Flüchtlingskinder gerichtet hat.

Museum Oksbøl

In Oksbøl lag das größte Lager, das 1946 ungefähr 35.000 Flüchtlinge beherbergte. Mit der Zeit wurden überall in Dänemark Lager aufgelöst, wenn eine größere Zahl der dort untergebrachten deutschen Flüchtlinge die Einreisegenehmigung für Deutschland bekommen hatte. Die übrigen Flüchtlinge aus dem Lager wurden dann nach Oksbøl geschickt, das das größte Lager war und am längsten existierte.

Deshalb ist es auch der geeignete Ort, ein Flüchtlingsmuseum zu bauen, das im Sommer 2022 von Königin Margarete eingeweiht wurde. Es umfasst zwei Abteilungen:

Am Eingang bekommt man nach Bezahlung des Eintrittspreises ein Smartphone zum Umgängen, außerdem einen Kopfhörer. An allen Ausstellungsstücken sind Kontaktpunkte angebracht, die eine Audio-Datei auf dem Smartphone starten. Man bekommt also zu jedem Schaukasten, zu jedem Plakat, zu jedem Ausstellungsstück eine Erklärung auf Deutsch (wahlweise natürlich auch Dänisch oder Englisch).

Das Lager Oksbøl entstand auf einem Gelände, auf dem vorher eine Artilleriedivision mit ungefähr 12.000 Soldaten und, da damals im Dritten Reich das Benzin knapp war, rund 4.000 Pferden stationiert war. Zusätzliche Baracken waren damals gebaut worden, weil das relativ ruhige besetzte Dänemark auch zur Ausbildung genutzt wurde. Außerdem durfte in den ersten Jahren der Besetzung auch die dänische Armee hier üben, bis sie aufgelöst wurde.

Da es um Artillerie-Übungen ging, war der Stützpunkt sehr viel größer als es nur für die Unterbringung der 12.000 Soldaten und 4.000 Pferde nötig gewesen wäre, er umfasste auch Wiesen und Wälder, in denen dann die Schießübungen stattfanden. Deshalb war es ab 1945 möglich, hier bis zu 35.000 Flüchtlinge unterzubringen.

Im Zentrum des Raumes dieses Teils des Museums sieht man das Modell eines umgebauten Pferdestalls (siehe Fotos Seite 7). Hier wurden Räume für Flüchtlinge eingebaut, wo mit Hilfe von Doppel- und Dreifachbetten acht bis sechzehn Flüchtlinge in einem kleinen Raum untergebracht werden konnten. Sie wurden von der Lagerleitung eingeteilt, teils kamen also völlig fremde Personen in einem Raum unter. Frauen hängten meistens Decken vor ihr Bett, um einen halben Meter Privatsphäre zum Ausziehen und Anziehen hatten.

Im ganzen Lager gab es Gemeinschaftsküchen und Waschräume, außerdem ein Badehaus, in dem alle einmal im Monat warm duschen durften.

Ausgestellt sind auch Zeugnisse der dort untergebrachten Flüchtlinge, und es gibt eine Reihe von Audio-Dateien, in denen Flüchtlinge (nachgesprochen von Sprecherinnen und Sprechern) ihre Geschichte erzählen oder das damalige Leben im Lager schildern.

Im Laden des Museums kann man dann auch Bücher dazu kaufen, siehe die Vorstellungen in diesem Gegenwind.

Im Lager gab es mehrere Schulen, ein Kino und Theater, in dem auch Gerichtsverhandlungen stattfanden. Die Lagerleitung bestand aus der dänischen Verwaltungsspitze und den gewählten deutschen Vertretern (Frauen zu wählen war damals nicht üblich), das letzte Wort hatte aber immer der dänische Kommandant.

Internationale Flüchtlingssituation

Der zweite Teil des Museums ist größer. Hier geht es um die Welt-Flüchtlingssituation, dargestellt auf Weltkarten, am Beispiel einzelner Länder und schließlich am Beispiel einzelner Menschen, die in Dänemark Schutz oder vorübergehenden Schutz gefunden haben.

Dabei geht es um die Situation in Deutschland seit 1933, in Palästina seit 1948, in Ungarn 1956, in Syrien seit 2011 oder auch um den Libanon, Afghanistan, Eritrea oder andere Länder.

Ein großer Raum zeigt „Wohnzimmer“ (Fotos auf dieser Doppelseite). Vorne in jedem Wohnzimmer gibt es rechts und links einen Kontaktpunkt. Hält man das eigene Smartphone in Richtung des ersten Kontaktes, erfährt man etwas über das Land und die Fluchtgründe, dabei geht es um Bosnien oder Syrien, um Afghanistan oder Ungarn. Der zweite Punkt stellt einen geflüchteten Menschen, Erwachsenen oder Kind vor. Die Ich-Erzählerin stellt das Wohnzimmer vor, schildert das Leben auf dem Sofa, mit dem Teddy oder das ausgestellte Musikinstrument. Es sind Erinnerungen an das Leben zu Hause, Erinnerungen an die Flucht, das Ankommen in Dänemark. Oft enden die Erzählungen mit einer Einschätzung, ob es eine neue Heimat gibt, ob man Dänemark als eine solche sieht. Die eine sagt, sie habe hier geheiratet, ihre Kinder bekommen, es ist ihre Heimat. Eine Rückkehr kann sie sich nicht vorstellen, zumal es für ihre hier geborenen Kinder ein fremdes Land wäre. Die andere sagt, ihre Wurzeln wären dort, sie fühlt sich in Dänemark unvollkommen.

Es geht auch um die aktuelle Politik. So erzählt eine geflüchtete Frau, dass sie dem Krieg in Syrien entkommen ist, mit Müh und Not Dänemark erreicht hat. Sie hat hier die Sprache gelernt, eine Wohnung gefunden, einen Beruf gelernt und Arbeit gefunden. Und jetzt wird das Kriegsgebiet, aus dem sie entkam, von der dänischen Regierung als „sicher“ eingestuft, sie soll durch Schikane wie Arbeitsverbot aus Dänemark vergrault werden.

In einem weiteren großen Raum geht es dann um einzelne Menschen und ihre Geschichte. Leinwände zeigen die Menschen, die ihr Schicksal und ihr Leben in Dänemark erzählen (Foto Seite 9). Der Endlos-Film mit etwa 20 Personen in dreißig Minuten startet immer wieder neu, die drei großen Leinwände zeigen ihn versetzt. Der Ton der „eigenen“ Leinwand ist im eigenen Kopfhörer zu hören.

In einem weiteren großen Raum werden einzelne Themen wie Asylverfahren, Aufnahme und Unterbringung, Familienzusammenführung oder Integration geschildert. Auf einem riesigen Tisch sind unter Glas Zeitungsartikel zu sehen, auf Dänisch, Deutsch oder Englisch. Mit dem Antippen eines Artikel bekommt man einen Diskussionsbeitrag zur Debatte in Dänemark, Positionen Pro und Contra, zu hören. Man kann aussuchen, welche Themen oder welche Debatten mal hören will.

Um alles zu sehen und zu hören, muss man vermutlich fünf Stunden einplanen. Aber für einige wäre es auch zu viel an einem Tag. Insofern: Auch zwei Besuche lohnen sich.

Außengelände

Wer will, kann auch auf einem Rundweg das alte Lagergelände kennen lernen. Der Originalweg auf der Innenseite des Zaunes dauerte 1946 zweieinhalb Stunden, der kürzere Rundweg des Museums (links unten: Lager und gepunkteter Rundweg) ist in 30 Minuten zu schaffen. Hier lernt man den „Feuerturm“ kennen: Da das Lager aus Holzbaracken bestand, musste der Wachturm ständig besetzt sein, um ein Feuer rechtzeitig zu erkennen. Zum Glück kam es in den vier Jahren, in denen das Lager bestand, nie zu einer solchen Katastrophe.

Hie kann man auch den Friedhof besichtigen. Er wurde mehrmals umgestaltet, die ursprünglichen Blechplaketten wurden später von deutsch-dänischen Jugendgruppen durch Holzkreuze ersetzt. Auch gab es Umbettungsaktionen, vor allem Einzelgräber aus kleinen Lagern wurden von der Deutschen Kriegsgräberfürsorge hierhin verpflanzt, um Besuche deutscher Angehörigen zu erleichtern.

Reinhard Pohl
siehe auch die Buchvorstellungen in diesem Heft, Seite 72 und 73.
Internet: https://flugtmuseum.dk/de/

Zur Startseite Hinweise zu Haftung, Urheberrecht und Datenschutz Kontakt/Impressum