(Gegenwind 420, September 2023)

Wasserbomben bedrohen bis heute die Schifffahrt
Auch nach Untergang der Kriegsschiffe bedrohen Wasserbomben bis heute die Schifffahrt.
Quelle: Archiv Dr. Nehring

Tickende Zeitbomben unter Wasser

Gefährliches Munitionswrack in der Kadetrinne entdeckt

Unter der Nummer 4548 fristete ein Schiffswrack lange Zeit ein kaum beachtetes Dasein in einer Datenbank des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in Hamburg. Das änderte sich schlagartig, als Taucher bei einer Routineüberprüfung intakte Wasserbomben an Deck feststellten(1). Trotz dieser akuten Bedrohung für Mensch und Umwelt dauerte es sieben lange Jahre, bis diese gefährlichen Hinterlassenschaften aus dem Zweiten Weltkrieg unschädlich gemacht wurden. Eine spannende Geschichte mit historischen Besonderheiten, zögerlichen behördlichen Entscheidungen und wichtigen Lehren für die Zukunft.

Rund 2.500 permanente Unterwasserhindernisse in der deutschen Nord- und Ostsee umfasst die Datenbank des BSH(2). Registriert sind eine Vielzahl von Schiffswracks, darunter kultur- und militärhistorisch interessante Fälle, aber auch verlorengegangene Container, Findlinge und große Munitionskörper. Alle Gefahrenstellen, die insbesondere Schifffahrt und Fischerei bedrohen könnten, werden auf den Seekarten mit entsprechenden Symbolen und Hinweisen veröffentlicht.

Durch Salzwasser und Strömungen unterliegen Hindernisse jedoch einem steten natürlichen Wandel, so dass diese in regelmäßigen Abständen zu kontrollieren sind, um die Sicherheit und Leichtigkeit der Seeschifffahrt zu gewährleisten. So werden jedes Jahr durch das BSH etwa 200 Objekte näher untersucht, unter ihnen rund 40 neue Gefahrenstellen. Von besonderem Interesse sind dabei der Zustand, die Lage und Position sowie die geringste Tiefe des Objektes. Viele Wracks haben zudem große Mengen Betriebsstoffe wie Diesel und Öl an Bord, die für die Umwelt gefährlich sind. Vor allem Wracks von Kriegsschiffen sind oftmals zusätzlich mit Munition unterschiedlichster Typen, von Patronen über Torpedos bis Giftgasbomben, belastet. Wenn bei einer Kontrolle festgestellt wird, dass Munition vorhanden ist oder Betriebsstoffe oder andere Chemikalien austreten, wird dies entsprechend intern notiert. Eine Bergung der Gefahrenstoffe wird in der Regel jedoch nicht veranlasst.

Nadelöhr Kadetrinne

Die etwa 20 Seemeilen lange Kadetrinne in der Mecklenburger Bucht zwischen der dänischen Insel Falster und der deutschen Halbinsel Darß gilt als eine der schwierigsten und gefährlichsten Gewässer der gesamten Ostsee. Sie hat einen sehr hügeligen Meeresboden mit Wassertiefen zwischen 11 bis 30 Metern. Wegen eines großen Riffs verringert sich der schiffbare Bereich an der schmalsten Stelle je nach Tiefgang der Schiffe zwischen 500 bis 1000 Meter. Täglich durchfahren fast 200 Frachter, Tanker, Fähren und Fischtrawler die seichte Meerenge, die damit eine der am meisten befahrenen Schifffahrtsstraßen weltweit ist(1). Viele der Schiffe befördern umweltgefährdende Güter und führen große Treibstoffmengen mit sich, die im Falle einer Havarie ein großes Gefahrenpotential für die maritime Umwelt darstellen. Immer wieder kommt es in der Kadetrinne zu Vorfällen mit tiefgehenden Schiffen. So sind Schiffe aufgelaufen und festgekommen, weil sie den in Seekarten ausgewiesenen tiefsten Schifffahrtsweg nicht genau eingehalten hatten. Auf Grund des engen Fahrwassers kommt es auch immer wieder zu Kollisionen. Daher wurde in den letzten Jahrzehnten wiederholt das Sicherungskonzept für die Kadetrinne geändert, um die Unfallgefahr zu minimieren(3). Zusätzlich überprüft das BSH dort regelmäßig Wassertiefen und Unterwasserhindernisse, um neue Gefahrenstellen schnellstmöglich zu entdecken und bei Bedarf zu beseitigen. So wurde bei einer Kontrollfahrt im Jahr 2006 routinemäßig das seit langem in der Kadetrinne bei Position 54° 27,583' N 12° 11,852' E bekannte deutsche Wrack aus dem Zweiten Weltkrieg untersucht(1). Dabei wurden durch Taucher auf dem Oberdeck an der Heckreling drei Wasserbomben in ihren Abwurfvorrichtungen entdeckt, ein viertes Gestell war leer. Auf den amtlichen Seekarten wurde daher die Angabe zum Wrack entsprechend mit einem Kreis von 0,27 Seemeilen im Radius und dem Hinweis „Unrein (Munition)“ in der Kurzform „Unr. (Mun.)“ aktualisiert(4).

Motorlogger als Vorpostenschiff

Das besagte Wrack wird in der BSH-Datenbank mit der Nummer 4548 geführt(5). Es handelt sich um einen 30 Meter langen und sieben Meter breiten Motorlogger aus Stahl, der wahrscheinlich Anfang der 1930er Jahre für die Hochseefischerei auf Hering getakelt worden war. Während des Zweiten Weltkriegs wurden hunderte Fischereifahrzeuge eingezogen und für den Dienst in der Kriegsmarine umgebaut und ausgerüstet. So war der mit Wasserbomben bestückte Heringsfänger vermutlich als Vorpostenboot im Einsatz. Hauptaufgabe dürfte die Sicherung der tiefliegenden Netzsperre in der Kadetrinne gewesen sein, die Ende 1939 auf Grund steigender Gefahr durch englische U-Boote, die aus dem Kattegat in die Ostsee eindringen wollten, ausgelegt worden war.

Das Wrack bleibt dennoch rätselhaft, da es bis heute nicht eindeutig identifiziert werden konnte. Einige Experten vermuten, dass der Logger 1922 in Hamburg gebaut wurde und den Namen „Fortuna“ erhielt. Seit 1931 soll es für die Emdener Heringsfanggesellschaft im Einsatz gewesen sein, bis es im Juli 1941 von der Kriegsmarine angemietet wurde. Ob diese Details stimmen, muss offen bleiben, wie auch das genaue Schicksal. Man vermutet einerseits, dass der Logger am 16. März 1944 im Marineeinsatz als Vorpostensicherungsboot VS-156 nach Kollision mit dem Marineschlepper Boreas in der Kadetrinne gesunken sei. Eine andere Vermutung lautet, dass der Logger gegen Kriegsende wieder zum zivilen Fischfang abkommandiert war und am 13. April 1944 nach einem Luftangriff sank. So würde das Wrack auch keine Spuren einer Kollision mit Einbuchtungen oder Dellen in der Außenwand zeigen. Vielmehr sei die Außenhaut von innen nach außen aufgerissen, was immer ein Indiz für eine Explosion im Schiffsinneren sei. Zudem sei in den letzten Kriegsjahren fast jeder deutsche Heringslogger mit vier Wasserbomben bestückt worden, um damit gegnerische U-Boote zu bekämpfen.

Wasserbomben an Bord

Das in 30 Meter Wassertiefe aufrecht stehende Wrack ist relativ gut erhalten, jedoch größtenteils innen eingesandet. Bei den drei vorgefundenen deutschen Wasserbomben handelt es sich um den während des Zweiten Weltkriegs massenhaft verwendeten Typ D(5), ein tonnenförmiger Körper von 57 cm Länge und 45 cm Durchmesser mit einem Gesamtgewicht von 185 kg. Die Ladung besteht aus 130 kg TNT Hexogen, ein besonders wirkungsvolles Sprengstoffgemisch. Als häufigste Zünderart wurde beim Typ D eine Sprengbüchse mit Druckzünder verwendet, bei der die Detonationstiefe mit einem drehbaren Wasserdruckschalter eingestellt werden konnte.

Weitere Munition wurde an Bord des Wracks bislang nicht festgestellt. Der Verbleib der vierten Wasserbombe ist jedoch unbekannt. An Deck befindet sich auch eine gut erhaltene Flugabwehrkanone, die gen Himmel gerichtet ist und nach Ansicht von Experten kurz vor dem Untergang noch im Einsatz gewesen sein könnte(6). Es muss daher mit unverschossener scharfer Flakmunition gerechnet werden.

Keine Gefahr im Verzug

Im Rahmen der zunehmenden Diskussionen über das Ausmaß und die Gefahren militärischer Altlasten in Nord- und Ostsee erreichte der obige Fall im Sommer 2008 die Öffentlichkeit(7). In Pressemeldungen wurde gefordert, die nördliche Fahrbahn des Tiefwasserwegs sofort zu sperren, wie bei derartigen Funden von Großkampfmitteln üblich, bis die Gefahr beseitigt sei. Das Wrack liege zudem ausgerechnet an der schmalsten Stelle der vielbefahrenen Schifffahrtsstraße, wo es in der Vergangenheit zu einer Häufung von Havarien gekommen sei. Jährlich nutzen allein rund 10.000 Öltanker die Kadetrinne. Sollte es zu einem Unglück mit einem vollbeladenen Tanker kommen, indem durch Notankerung oder Selbstdetonation die Wasserbomben explodierten, wären die Ostsee und die Küsten von Mecklenburg-Vorpommern und Dänemark auf Jahre stark betroffen.

Bundes- und Landesbehörden erklärten, dass es keine Anhaltspunkte für eine akute Gefahrenlage gebe. Untersuchungen hätten ergeben, dass bei allen drei Wasserbomben keine Sprengbüchsen eingesetzt seien. Eine unkontrollierte Explosion der Bomben und eine Gefährdung für die Meeresumwelt seien daher ausgeschlossen(8). Zudem betrage die geringste Tiefe des Wracks 21,3 Meter bei einem dort zugelassenen Tiefgang von 17 Metern für Schiffe. Kollisionen von Schiffen mit den Bomben seien bei normaler Fahrt folglich nicht zu befürchten. Mehrmals sei aber bereits die Bergung der Kampfmittel erwogen worden. Doch bei einer Sprengung drohe Öl aus dem Wrack des Kriegsschiffs auszulaufen, was vorher abgepumpt werden müsste. Auch könnte dadurch mögliche weitere vorhandene Munition unkontrolliert detonieren. Ein anderer Ansatz wäre, die Wasserbomben vom Schiff zu holen und sie in einigem Abstand am Meeresgrund zu sprengen. Die Landes- und Bundesbehörden seien im Gespräch und das Land Mecklenburg-Vorpommern hätte ein großes Eigeninteresse daran, dass gehandelt werde(9).

Einigung zur Bergung

Die Rechtslage und somit auch die Kostenfrage für eine Munitionsbergung in der Kadetrinne sind kompliziert. Die Kadetrinne ist keine Bundeswasserstraße, sondern in ihrer Gesamtheit ein internationaler Schifffahrtsweg und gehört schifffahrtsrechtlich zum Bereich der Hohen See. Ihre Sicherung obliegt Dänemark gemäß einem bilateralen Abkommen. Das Wrack liegt jedoch in einem Bereich, der zur deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der Ostsee gehört und somit in die Zuständigkeit des Bundes fällt. Die Räumung von Munition auf dem Meeresgrund vor der deutschen Küste führen zumeist die Kampfmittelräumdienste der Bundesländer oder in Einzelfällen auch die Bundesmarine durch. Vielfach wird in Amtshilfe gearbeitet(10).

Im Jahre 2011 einigten sich alle Beteiligten. Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes erklärte ihr Einvernehmen zur Bergung der drei Wasserbomben aus Gründen der Gefahrenabwehr und erteilte dem Munitionsbergungsdienst Mecklenburg-Vorpommerns einen entsprechenden Auftrag. Gleichzeitig wurde zur notwendigen Unterstützung auf See ein Auftrag an eine private Fachfirma vergeben, die jedoch aus Kapazitätsgründen - die vorhandenen Bergekapazitäten waren auf Grund der erheblichen Offshore-Bautätigkeiten ausgelastet - nicht sofort zur Verfügung stand. So konnte das Wasser- und Schifffahrtsamt Stralsund erst am 3. Juli 2013 in den Nachrichten für Seefahrer bekanntgeben, dass in der Kadetrinne wetterabhängig in der Zeit vom 5. bis 7. Juli 2013 zünderlose Wasserbomben durch den Einsatz von Tauchern geborgen werden sollen(11). Dafür bereit stehen würden das Bergungsschiff „Windexpress“, assistiert vom Sonderfahrzeug „Baltic Taucher 1“ und abgesichert durch die Verkehrssicherungsschiffe „Scharhörn“, „Arkona“ und „Bad Düben“ sowie durch den Notfallschlepper „Baltic“.

Am geplanten Termin war das Wetter gut und die Bergungsaktion konnte beginnen. Nach einer Tauchinspektion zum Zustand des Wracks galt es die erste Wasserbombe zu bergen. Der Taucher konnte keinen Zünder feststellen, so dass die ausgewählte Wasserbombe von ihm demontiert und für die Bergung per Seilwinde hergerichtet wurde.

Nun doch - Gefahr im Verzug

Als die erste Wasserbombe an Deck der „Windexpress“ gehievt wurde, war der Schrecken bei den Experten groß. Sie war doch bezündert(6). Eine Bergung der beiden anderen Wasserbomben wurde sofort gestoppt. Das Risiko einer unkontrollierten Detonation sei zu hoch. Einzige Lösung: schnellstmöglich unter Wasser verlagern und außerhalb der Kadetrinne sprengen. Dafür wurden die beiden Wasserbomben durch einen Taucher ebenfalls demontiert und umgehend in einer großen Gitterbox fest verstaut. Mit Hilfe von Hebesäcken wurde die explosive Fracht vom Wrack angehoben und im Wasser hängend mit Hilfe eines Schlauchbootes rund vier Seemeilen entfernt an eine sichere Sprengstelle gebracht. Kurz vor der Sprengung wurden zum Schutz von Meeressäugern wie Schweinswalen und Robben akustische Signale abgegeben, um sie zu vergrämen. Denn durch Unterwasserdetonationen ausgelöste Schockwellen könnten bei ihnen zu lebensgefährlichen Verletzungen wie Lungenrissen oder Gehörschäden führen. Ein so genannter Blasenschleier, wie er häufiger für eine noch stärkere Minderung der gefährlichen Schockwellen verwendet wird, kam jedoch nicht zum Einsatz. Überraschenderweise detonierte die Sprengladung beim ersten Sprengversuch nicht. Die Ursache konnte nicht geklärt werden. Erst mit einer neuen Sprengladung und neuen Zündschnur erfolgte die Sprengung mit einer 30 Meter hohen Wasserfontäne. Der nach einer Sicherheitszeit folgende Kontrolltauchgang bestätigte die Vernichtung der beiden scharfen Wasserbomben.

Zwischenzeitlich wurde die geborgene Wasserbombe vom Munitionsbergungsdienst Mecklenburg-Vorpommerns als transportfähig eingestuft. Sie wurde umgehend an Land gebracht und wenige Wochen später im Munitionszerlegebetrieb des Landes durch Sprengung vernichtet.

Die gesamte damalige Aktion wurde durch ein Fernsehteam des NDR begleitet und kann heute noch als 30minütige Reportage auf Youtube nacherlebt werden(6).

Wrackfriedhof Kadetrinne

Bei der Vernichtung der drei Wasserbomben konnte auf Grund der starken Einsandung des Wracks keine Untersuchung der Innenräume hinsichtlich möglicher Munitionslast erfolgen. Eine weitergehende Untersuchung des Vorpostenbootes soll nach Aussage der Bund-Länder Expertengruppe „Munition im Meer“ erfolgen, sobald auf Grund künftiger Archivrecherchen ein begründeter Verdacht auf weitere Großkampfmittel in den Stauräumen oder einer Munitionslast bestehe(5). In 2013 seien zudem weitere Recherchearbeiten für das Seegebiet „Kadetrinne“ durchgeführt worden. Dabei haben sich erste Hinweise darauf ergeben, dass dort möglicherweise weitere Schiffswracks ähnlichen Typs liegen könnten. Insgesamt sind rund 30 Wracks in der Kadetrinne bekannt, von denen viele im Zusammenhang mit den Weltkriegen stehen. Bis heute wurden durch die Expertengruppe in ihren Jahresberichten keine Details ihrer Recherchen veröffentlicht. Es bleibt damit momentan nur zu hoffen, dass die drei scharfen Wasserbomben in der Kadetrinne eine Ausnahme waren. Und durch deren Vernichtung, sieben Jahre nach ihrer Entdeckung, ist die Kadetrinne nun wieder etwas sicherer geworden.

Munitionswracks - tickende Zeitbomben

Munitionsbelastete Schiffswracks in der Ostsee sind wahrscheinlich häufiger als bislang angenommen. Spektakuläre Einzelfälle stellen nur die Spitze des Eisberges dar. Der Kenntnisstand sollte dringend verbessert werden, wie es jetzt zumindest für die Nordsee umgesetzt wurde.

Anfang 2023 endete das durch die EU mit 4,2 Millionen Euro geförderte vierjährige Projekt „North Sea Wrecks“. Ziel war die systematische Erfassung und Bewertung von Munitionsaltlasten im Zusammenhang mit Schiffwracks in der Nordsee(12). Allein in der deutschen Bucht befinden sich bis heute mindestens 120 munitionsbeladene Schiffe und U-Boote, die während der beiden Weltkriege zerstört oder absichtlich versenkt wurden. Die Untersuchungen zeigten, dass durch durchrostende Munitionshülsen beispielsweise der krebserregende Sprengstoff TNT freigesetzt wird. Schon in geringen Konzentrationen schädigt TNT Organismen wie Fische, Muscheln, Krebse und Würmer. So verwundert es auch nicht, dass Fische, die in der Nähe der Munitionswracks gefangen wurden, eine hohe Anzahl an Lebertumoren aufwiesen. Zudem geht von den rostenden Waffen eine mögliche Explosionsgefahr aus; nach Aussage eine Projektbeteiligten seien solche Fälle bereits vorgekommen. Daher mag auch das Resümee des Projektes nicht beruhigen, dass von den Munitionsresten in den Wracks keine akute Gefahr für den Menschen ausgehe(12). Denn letztendlich ist es nur eine Frage der Zeit, wann die riesigen Mengen giftiger Chemikalien aus der Munition über die Nahrungskette auf unseren Tischen landen. Und durch die zunehmende Instabilität der Wracks sowie durch chemische Prozesse in der Munition steigt die Gefahr von Selbstdetonationen kontinuierlich, so dass Katastrophen größeren Ausmaßes direkt vor unseren Küsten immer wahrscheinlich werden.

Das Thema „Munition im Meer“ hat Sprengkraft, die auch die Politik erreicht hat. Nachdem die aktuelle Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag ein Sofortprogramm zu Munitionsaltlasten im Meer angekündigt hatte, wurden jetzt durch den Haushaltsausschuss des Bundestages 100 Millionen Euro freigegeben. Damit soll schnellstmöglich eine schwimmende Plattform entwickelt werden, mit der unter Zuhilfenahme automatisierter Prozesse versenkte Munition geborgen und noch an Ort und Stelle unschädlich gemacht und verbrannt werden soll. Spätestens Anfang 2025 soll die Plattform in einem noch nicht näher bekannten Pilotgebiet in der Ostsee mit Munitionsräumungen beginnen(13). Ein wichtiger erster Schritt, jedoch die Millionen Tonnen entsorgter Munition in Nord- und Ostsee und die vielen Munitionswracks erfordern viel weitreichendere Initiativen und noch viel mehr Geld. Die Zeit zum Handeln drängt, bevor Mensch und Umwelt durch verrottende Munition massiv gefährdet werden.

Stefan Nehring

Anmerkungen:

  1. „Munitionsaltlasten in der Kadetrinne“, Deutscher Bundestag, Drucksache 16 / 9989 vom 15. Juli 2008.
  2. Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie: „Im Dienst für Schifffahrt und Meer“; Hamburg, 2016.
  3. „Sicherheit des Schiffsverkehrs in der westlichen Ostsee“, Schleswig-Holsteinischer Landtag, Drucksache 15/1067 vom 26. Juni 2001.
  4. „Kadetrinne, Änderung der Karteneintragung: Vorpostenboot“, Bekanntmachung für Seefahrer 129 / 06 vom 21. November 2006.
  5. Böttcher, Claus, et al.: „Munitionsbelastung der deutschen Meeresgewässer - Bestandsaufnahme und Empfehlungen (Stand 2013)“; Hamburg, 2014. Dieser und alle weiteren bislang publizierten Jahresberichte des „Expertenkreises ‚Munition im Meer’“ sind im Web verfügbar.
  6. „Gefahr auf dem Meeresgrund - Bombenbergung in der Kadetrinne“, Reportage phoenix am 24. Februar 2014. Im Web verfügbar.
  7. „Wasserbomben bedrohen Ostsee-Schifffahrt“, Meldung der „Süddeutschen Zeitung“ vom 4. Juni 2008.
  8. „Position der Bundesregierung zur Beseitigung von Munitionsaltlasten in Bezug auf die in der Kadetrinne liegenden Bomben“, Deutscher Bundestag, Drucksache 16 / 10945 vom 14. November 2008.
  9. „Bomben bedrohen Schifffahrt“, Meldung der „Schweriner Volkszeitung“ vom 6. Juni 2008.
  10. „Verkehrssicherheit in der Kadetrinne“, Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache 5 / 1564 vom 15. Juli 2008.
  11. „Kadetrinne, Bergung von Wasserbomben“, Bekanntmachung für Seefahrer (T) 88 / 13 vom 3. Juli 2013.
  12. „Die schleichende Gefahr - Forscher untersuchen Alt-Munition auf dem Meeresgrund“, Meldung der „Welt“ vom 21. April 2023.
  13. „Pilotprojekte: Munitionsbergung aus dem Meer soll beginnen“, Meldung „Zeit Online“ vom 17. Februar 2023.
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