(Gegenwind 159, Dezember 2001)

Schule ohne Rassismus

70 Prozent gegen Rassismus

Die Idee kommt aus Belgien: Erschrocken über die guten Wahlergebnisse rechter Parteien, setzten sich 1988 Schülerinnen und Schüler sowie Jugendarbeiterinnen und Jugendarbeiter in Antwerpen zusammen. Sie entwickelten das Projekt "Schule ohne Rassismus", das es seit 1995 auch in Deutschland gibt.
In Schleswig-Holstein gibt es fünf Schulen, die sich dem Projekt angeschlossen haben, und mindestens genauso viele, die dies planen oder auch schon vorbereiten. "Schulen ohne Rassismus" haben nicht weniger Probleme als andere, was sie unterscheidet, ist die Selbstverpflichtung, sich mit den Problemen auseinanderzusetzen - also wirklich für das Leben zu lernen.

Schule ohne Rassismus

Projektträger ist die Aktion Courage e.V. in Bonn, die auch ein Büro in Berlin unterhält - von hier aus wird das Projekt koordiniert. Dabei liefert die Aktion Courage den interessierten Schulen eigentlich nur einen Rahmen, den jede Schule für sich selbst ausfüllen muss.

Erster Schritt ist eine Selbstverpflichtung. Darüber muss die Schule nicht abstimmen, der Weg ist viel schwieriger: 70 Prozent der Schülerinnen und Schüler, 70 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer sowie 70 Prozent der sonstigen Angestellten - von der Schulsekretärin bis zum Hausmeister - müssen diese Selbstverpflichtung unterschreiben, und zwar einzeln und persönlich.

Regeln

Die Selbstverpflichtung hat folgenden Wortlaut:

  1. Wir sagen NEIN zu Rassismus und Diskriminierung.
  2. Wir verpflichten uns, alle Formen und Äußerungen rassistischer und diskriminierender Art zu vermeiden und zu verhindern.
  3. Unsere Schule wird Initiativen gegen Rassismus und zur Verständigung aller Menschen und Kulturen ergreifen.
  4. Unsere Schule widersetzt sich rassistischen Organisationen und deren Propaganda.
  5. Unsere Schule veranstaltet jährlich wiederkehrend besondere Projekttage zur Überwindung von Gewalt und Rassismus.

Gesamtschule Glinde

Anfang Oktober besuchte ich die Gesamtschule Glinde, die voriges Jahr als erste Schule in Schleswig-Holstein den Titel "Schule ohne Rassismus" verliehen bekam. Ich treffe mich dort mit Iris Sadowski, Tobias Zapf und Martin Stumpf, die dem aus Schülerinnen und Schülern bestehenden Ausschuss für das Projekt angehören. Und hier zeigt sich schon das erste Problem: Meine Frage, wie alles anfing, können sie nicht aus eigener Erinnerung beantworten, weil 1998 Schülerinnen höherer Klassenstufen aktiv waren.

Hier hilft der Verbindungslehrer Christian Witt. Schülerinnen und Schüler, die den Ausschuss für das Projekt bilden, sind unverzichtbar, erläutert er. Denn von Seiten der SchülerInnen müssen die Aktivitäten ausgehen, das ganze Projekt würde nicht funktionieren, wenn es ein Projekt von LehrerInnen wäre. Aber ein oder zwei Lehrer im Ausschuss garantieren die Kontinuität, das Gedächtnis. Nebenbei gibt es ein paar Dinge, und sei es nur die Eröffnung eines Spendenkontos und das Abschicken von Überweisungen, für die ein Lehrer gebraucht wird.

Begonnen hat das Projekt 1998, und zwar entzündete sich eine Diskussion an zunehmender Gewalt auf dem Schulhof. Hieran waren SchülerInnen der Gesamtschule wie auch der direkt benachbarten Förderschule beteiligt. Aus diesen Diskussionen entstand das Projekt, SchülerInnen zu Streitschlichtern auszubilden, wie auch der Beschluss, sich zu einer "Schule ohne Rassismus" zu entwickeln.

Die SchülerInnen des Ausschusses gehören der 7. bis 13. Klasse an, wobei sich in unserem Gespräch Iris als eine der "Macherinnen" entpuppt, während Tobias und Martin als noch jüngere Schüler in alle Aufgaben gerade hineinwachsen - immer die Tatsache vor Augen, dass die vier älteren SchülerInnen des nur 8-köpfigen Ausschusses im Sommer 2002 die Schule verlassen und alle Verantwortung dann auf den vier jüngeren SchülerInnen lastet. Doch sie sind zuversichtlich, dass dann auch neue nachkommen.

1999 kristallisierte sich eine feste Projektgruppe heraus, nachdem zuvor die SV das Projekt betrieb. Erste Aufgabe des Projektausschusses war die Sammlung von Unterschriften. Die Regeln, zu denen sich alle selbst verpflichten sollten, wurden in allen Klassen, in der Lehrerschaft und bei den sonstigen Beschäftigten vorgestellt - immerhin ungefähr 550 SchülerInnen, 50 LehrerInnen und eine Handvoll Angestellte. Weit mehr als 70 Prozent unterschrieben diese Regeln letztlich.

Parallel versuchten die SchülerInnen, Schirmherren für das Projekt zu finden, lange Zeit vergeblich. Schließlich übernahm der lokale Repräsentant der Aktion Courage, Uli Nehls aus Mölln, diese Funktion. Ähnlich enttäuschend verliefen dann Versuche, Firmen als Sponsoren für die Feier zu finden, mit der die Titelverleihung auch öffentlich gemacht werden sollte. Teilweise schlug den SchülerInnen auch unverholene Ablehnung entgegen, die schließlich diese Versuche kurzentschlossen abbrachen, nach Hamburg fuhren und in der Mönckebergstraße Musik machten.

Das benötigte Geld wurde damit gesammelt, ein Zuschuss der Bildungsministerin von 1000 DM kam dazu, und so fand im Frühsommer 2000 die erste Projektwoche statt. Darüber entstand später eine Schulzeitung, in der unter Überschriften wie "Hilfe! Schülerinnen leben wie in Tansania" oder "Vorsicht Jungs! Immer mehr starke Mädchen" über die verschiedenen Projektgruppen berichtet wurde.

Die Projektwoche 2001 ist bisher nicht zustande gekommen. Zwar läuft seit längerem die Vorbereitung, allerdings haben die SchülerInnen, die sie hauptsächlich vorbereiten, im Herbst zu unterschiedlichen Zeiten Praktika zu absolvieren. So kam man überein, sie auf Anfang 2002 zu verschieben.

Reinhard Pohl

www.od.shuttle.de/od/igs-glinde/baustelle.html Die Seite, auf die ursprünglich verwiesen werden sollte, gibt es nicht mehr. Jetzt Link zur Homepage der igs-glinde. (Anmerkung d. webmasters vom 19.02.04)
www.aktioncourage.org

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