(Gegenwind 163, April 2002)

SSW zum Flughafenausbau Kiel-Holtenau

Vorschlag des Wirtschaftsministers ist unverantwortlich

Mit der Ankündigung von Wirtschaftsminister Rohwer, dem Kabinett am 26. März 2002 einen Ausbau des Regionalflughafens Kiel-Holtenau von 1.800 Meter zuzüglich 300 Metern Sicherheitsstreifen vorzuschlagen, hat die monatelange Debatte von Befürwortern und Gegnern der Startbahnverlängerung ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. CDU und FDP haben von Anfang an die Ausbauplanungen in ihrer überwiegenden Mehrheit unterstützt. Vor Redaktionsschluss der jetzigen Ausgabe des Gegenwind war noch nicht klar, ob die Landesregierung und die sie unterstützenden Fraktionen von SPD und Bündnis90/Die Grünen wirklich ihrem Wirtschaftsminister folgen werden. Denn bis weit in die Regierungsfraktionen gibt es - zu Recht - großes Unbehagen über die vielen Ungereimtheiten und Unzulänglichkeiten dieses Projektes.

Lars Harms, SSW

SSW war von Anfang an kritisch

Obwohl der SSW sich sehr wohl für einen leistungsstarken und zukunftsfähigen Regionalflughafen in der K.E.R.N.-Region ausgesprochen hatte, standen wir dem geplanten Ausbau des Flughafens Kiel-Holtenau von Beginn an sehr kritisch gegenüber.

Wir haben von Anfang an gefordert, eine echte standortvergleichende Untersuchung anzustellen. Voraussetzung wäre gewesen, dass man die Ziele, die mit dem Flughafen verbunden werden, genau definiert und dann das Erreichen der Ziele abprüft. Der einzige "offizielle" Grund für den Ausbau in Kiel-Holtenau liegt in einer angestrebten Verbesserung für den Geschäftsreisebedarf. Dieser Bedarf ist aber noch in keiner Weise nachgewiesen. Daher hätte es durchaus Sinn gemacht, sich zu überlegen, welche verkehrsmäßigen Ziele man sich sonst noch setzt. Dann wäre man wahrscheinlich zu völlig anderen Schlüssen gekommen. Man wird das Gefühl nicht los, dass gerade dies politisch nicht gewollt ist.

Wir haben immer verlangt, dass vor einer Entscheidung alle Fakten und Überlegungen auf den Tisch gelegt werden müssen. Die bisherigen vagen Informationen über die jetzt angepeilte Lösung, die uns aus dem Wirtschaftsministerium zur Verfügung stehen, bestätigen uns in unserer kritischen Haltung.

Finanzierung weiterhin unklar

Es ist unverantwortlich, ein Projekt in solcher Größenordnung anzukündigen, wenn die Finanzierung der Gesamtkosten und die Verteilung auf Bund, Land und Stadt Kiel noch nicht einmal endgültig geklärt sind. Dazu sind wir besonders darüber besorgt, dass die Landesregierung anscheinend zur Finanzierung des 48 Mio. Euro teuren Ausbaus Mittel aus der "Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (GA-Mittel) im Rahmen des "Regionalprogramms 2000" entnehmen will. Dieses Programm ist ursprünglich einmal ins Leben gerufen worden um mit gezielten Investitionen die wirtschaftsnahe Infrastruktur der strukturschwachen Regionen des Landes - wie der Westküste oder dem Landesteil Schleswig - zu stärken und nicht für Projekte, die eigentlich nur der Landeshauptstadt dienen.

Regionalprogramm wird geplündert

Die Hälfte der Mittel des gesamten Programms in Höhe von 300 Mio. Euro ist bereits überwiegend in die wirtschaftsstarken Gebiete um Kiel und Lübeck investiert worden. Der Landesteil Schleswig und die Westküste haben vom "Regionalprogramm 2000" - das bis 2006 läuft - bisher nur knapp 30 Prozent der ausgezahlten Mittel bekommen. Sollten jetzt fast 50 Mio. Euro in den Ausbau des Flughafens gehen, wird dies negative Folgen für viele Projekte in den strukturschwachen Regionen haben. Der Ausbau des Flughafens Kiel-Holtenau mit der geplanten Entnahme aus den GA-Mitteln wird also auf Kosten des ländlichen Raums finanziert. Allein dieser Punkt ist einer Landesregierung, die sich eine aktive Regionalpolitik auf ihren Fahnen geschrieben hat, nicht würdig. Gar nicht auszudenken wäre es, wenn sich das Projekt als noch teurer als veranschlagt erweisen würde. Dann würde sich die Situation für die strukturschwachen ländlichen Räume noch weiter verschlechtern.

Wichtig ist, was hinten rauskommt

Dieses Zitat wird ja immer wieder gerne genutzt. In Bezug auf den Ausbau von Kiel-Holtenau stellt sich die Frage, inwiefern sich diese "Zukunftsinvestition" denn nun zumindest langfristig lohnt? Mit lohnen meine ich, ob aus dem Zuschussbetrieb Flughafen Kiel-Holtenau irgendwann ein Gewinnbetrieb Flughafen Kiel-Holtenau wird? Zur Zeit müssen die Stadt Kiel und das Land Schleswig-Holstein regelmäßig die jährlichen Unterschüsse des Flughafens ausgleichen. In Diskussionsrunden wurde immer wieder klargestellt, dass der Flughafen auch nach den Investitionen keine Gewinne einfahren wird und es sich um eine Infrastruktur-Investition für das Land handele. Wenn dem wirklich so wäre, dann müsste man größere Ziele haben, als nur ein paar Kieler Geschäftsleute durch die Welt zu fliegen. Dann ginge es um Logistikkonzepte, Güterverkehr und vieles andere mehr zugunsten des ganzen Landes. Da dem aber nicht so ist, bleibt die Frage nach dem zukünftigen Unterschuss, der zu erwarten und zu bezahlen ist. Die Antwort hierauf bleibt die Landesregierung bisher schuldig, obwohl wir täglich lesen wie knapp die Kassen des Landes sind.

Folgen für die Anwohner nicht klar

Wir sind weiterhin der Auffassung, dass die Folgen des Ausbaus für die Anwohner - beispielsweise für die Schulen - nicht genau genug untersucht worden sind. Zum Beispiel gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen - und Gutachten - über die zukünftige Lärmbelastung für die Anwohner nach einem Ausbau des Flughafens. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass es auch über die erwartete Entwicklung des Geschäftsreiseverkehrs und des Urlaubsreiseverkehrs und damit der Anzahl der täglichen Flüge unterschiedliche Auffassungen gibt. Es erscheint mir jedenfalls fraglich, ob die Landesregierung den Urlaubsreiseverkehr wirklich - wie jetzt vorgeschlagen - durch eine Beschränkung des maximalen Start- und Landegewichts für Flugzeuge begrenzen kann. Insofern muss man damit rechnen, dass es zu erhöhten Lärmbelästigungen mit den entsprechenden gesundheitlichen Folgen kommt. Ungeklärt scheint mir außerdem noch die Frage, wie mit möglichen Wertverlusten bei Grundstücken und Häusern umgegangen werden soll. In Bezug auf die Folgen für die Bewohner gibt es immer noch mehr Fragen als Antworten.

Standortalternativen nicht ordentlich untersucht

Weiter hat es die Landesregierung versäumt, andere Standortalternativen für einen Regionalflughafen wirklich ernsthaft zu prüfen. Das Gutachten des Wirtschaftsministeriums vom September 2001, in dem die alternativen Standorte geprüft wurden, ist nicht überzeugend und kann eine Machbarkeitsstudie, die der SSW bereits im Mai letzten Jahres in Landtag gefordert hatte, nicht ersetzen. Berücksichtigt man die schon vorhin aufgeworfene Frage nach den Zielen, die sich die Landesregierung mit einem Landesflughafen gesetzt hat oder hätte setzen können, so muss man ganz klar sagen, dass schon die anfänglichen Untersuchungen der Standorte nur das Ziel hatten einen Standort zu favorisieren - nämlich Kiel-Holtenau.

Raumordnungsverfahren wäre der korrekte Weg

Wenn der Wirtschaftsminister nun ankündigt den Ausbau des Flughafens Kiel-Holtenau mit einem Planfeststellungsverfahren durchsetzen zu wollen, will er vollendete Tatsachen schaffen. Denn ein Planfeststellungsverfahren ist rechtlich bindend.

Warum wehrt sich die Landesregierung eigentlich so gegen ein Raumordnungsverfahren? In einem ordentlichen Raumordnungsverfahren würden alle Alternativen ernsthaft auf ihre Machbarkeit geprüft und alle Beteiligten können ihre Interessen geltend machen. Anstatt sich nur auf den Ausbau von Kiel-Holtenau zu versteifen, hätte die Landesregierung durch ein Raumordungsverfahren eine frühzeitige Klärung über die grundsätzliche Eignung von Standorten herbeiführen können und durch eine systematische und integrativ angelegte Raumverträglichkeitsprüfung Fehlplanungen oder Eingriffe in schutzwürdige Bereiche vermeiden bzw. abschwächen können. Aus Sicht des SSW wäre ein Raumordnungsverfahren der korrekte Weg gewesen - auch, um den Bürgerinnen und Bürgern eine maximale Transparenz des Entscheidungsprozesses zu sichern. Wir empfehlen diesen Weg immer noch und schlagen außerdem vor, dass sich die Landesregierung über die Ziele, die sie mit einem Flughafenausbau verfolgt, erneut Gedanken machen sollte.

Parlamentarische Initiative des SSW

Angesichts aller dieser Unklarheiten und vor dem Hintergrund der Ankündigung eines Kabinettsbeschlusses am 26. März 2002 hat der SSW den Ausbau des Flughafens Kiel-Holtenau auf die Tagesordnung der März-Sitzung des Landtages (19.-21.3.) gesetzt. Für uns war es wichtig, dass der Landtag noch einmal alle relevanten Informationen, die der Entscheidung zu Grunde liegen, im Detail von der Landesregierung dargelegt bekommt. Denn wir sind weiterhin der Auffassung, dass der Wirtschaftsminister einen Beschluss zum Ausbau getroffen hat, ohne dass alle Daten und Fakten auf den Tisch gekommen sind.

Wir wollen von der Landesregierung wissen, wie der genaue Finanzierungsplan aussieht und welche Folgen diese Investitionen für die Fortführung des Regionalprogramms 2000 hat. Weiter soll die Landesregierung darüber Auskunft geben, welche Auswirkungen der Ausbau der Startbahn für die Anwohner - insbesondere auch für die Schulen in der Nähe - hat.

Mit unserem Antrag wollen wir noch einmal die Chance für eine vernünftige Diskussion eröffnen und vor allem Zeit gewinnen, um Zahlen, Daten und Fakten zu erhalten. Das Großprojekt Flughafen Kiel-Holtenau ist so wichtig, dass wir uns alle Zeit der Welt hierfür nehmen sollten. Letztendlich bleibt aber festzuhalten, dass eine weitere Diskussion nur dann Sinn macht, wenn wirklich offen und ohne Vorabfestlegungen über die Zielsetzungen für einen Flughafen und über die Standorte diskutiert werden soll.

Lars Harms (MdL), Koolnbütel/Koldenbüttel, Nordfriesland


Lars Harms ist wirtschaftspolitischer Sprecher des SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag.



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