(Gegenwind 166, Juli 2002)

Dr.-Bamberger-Haus und Jüdisches Museum in Rendsburg

Es geht nicht "nur um tote Juden"

Museum

Während der zwölf Jahre des Nationalsozialismus wurde in Deutschland und in Schleswig-Holstein das jüdische Leben vernichtet. Obwohl nach dem Kriege einige Überlebende zurückkehrten, dauerte es Jahrzehnte, bis sich wieder jüdische Gemeinden bildeten. Zwar gab es seit 1950 den Zentralrat der Juden in Deutschland, in Schleswig-Holstein entstanden jüdische Gemeinden erst mit verstärkter Einwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion zu Beginn der neunziger Jahre.

In Schleswig-Holstein ließen sich Juden ab dem 16. Jahrhundert nieder, allerdings wurden nur wenigen die Niederlassung gestattet. Meist handelte es sich um sogenannte "Schutzjuden", die ihren "Schutzbrief" jährlich verlängern mussten. Eine der wenigen Ausnahmen bildete Rendsburg: Der dänische König Christian V. erlaubte Juden, sich in Neuwerk auf Dauer niederzulassen (wie z.B. in Glückstadt, Friedrichstadt, Altona). Allerdings mussten sie in Rendsburg auch ein Haus bauen, es gab aber hier eine jüdische Gemeinde mit einer Synagoge und einem außerhalb gelegenen Friedhof in Westerrönfeld.

1844/45 wurde hier die zweite Synagoge gebaut, entsprechend den damaligen Vorschriften als "Hinterhaus", von der Straße aus nicht sichtbar. Sie wurde 1938 Opfer eines Sprengstoffanschlags der SS, dieser galt dem Thoraschrein, dem Aufbewahrungsort der Gesetzesrolle, also dem religiösen Zentrum der Synagoge. Das Gebäude blieb weitgehend intakt - die Täter wussten, dass ein benachbarter Händler es kaufen wollte. Außerdem stand die Synagoge inmitten von Wohnhäusern in der Innenstadt, angezündet wurden in der "Pogromnacht" nur einzeln stehende Gebäude. 1939 wurde aus der Synagoge eine "arische" Fischräucherei, sie blieb dies bis Anfang der achtziger Jahre.

Im Zuge der Innenstadtsanierung wurde die (ehemalige) Synagoge quasi "wiederentdeckt" und dann bis 1985 renoviert. Baulich war sie bis dahin fast unverändert geblieben, die Fischräucherei hatte eine Zwischendecke eingezogen; die Mikwe, das Ritualbad im Keller war als Abfallgrube verwendet worden. Die ehemalige Einrichtung, Thorarollen und Leuchter, fehlte natürlich völlig, diese Gegenstände sind bis heute nicht wieder aufgetaucht. Es liegt allerdings nahe, dass sich zumindest einiges davon noch auf irgendwelchen Dachböden befindet - die jetzigen BesitzerInnen haben sicherlich eine gewisse Scheu davor, ihre Großeltern als "Beutejäger" zu entlarven. Da die jüdische Gemeinde Hamburg, die für die Gemeindemitglieder in Schleswig-Holstein zuständig ist, 1985 für diese Synagoge keine Verwendung hatte, entstand mit Zuschüssen von Stadt und Land unter Trägerschaft des Rendsburger Kulturkreises bis 1988 hier zunächst ein kulturelles Zentrum, später unter Einbeziehung des daneben gelegenen ehemaligen Gebäudes der jüdischen Schule das Jüdische Museum Rendsburg.

Dr.-Bamberger-Haus

Mit der Entscheidung, in Rendsburg die Synagoge zu restaurieren, musste das Kind auch einen Namen haben. Die Entscheidung fiel auf Dr. Bamberger. Er war vor dem Krieg ein bekannter Chirurg aus Rendsburg mit einer sehr sozialen Einstellung, so behandelte er Mittellose öfter umsonst. Von den Nazis wurde er als Jude verfolgt, und vor der sicheren Deportation verübte er Selbstmord. Dass er selbst kein Jude war, half ihm nichts - von den Nazis wurde er als sogenannter "Rasse-Jude" eingestuft.

Das Dr.-Bamberger-Haus, die ehemalige Synagoge, beherbergt in ihren Mauern wechselnde Ausstellungen. Im daneben liegenden jüdischen Museum, der ehemaligen jüdischen Schule (Baujahr 1830), werden seit 1988 Werke jüdischer Künstler gezeigt. In den Erweiterungsbauten am Innenhof, die nach dem letzten Gemeindevorsteher "Julius-Magnus-Haus" genannt wurden, werden Ausstellungen zur Verfolgung im Nationalsozialismus und zur religiösen Kultur gezeigt.

Wichtig ist der Leiterin, Frau Dr. Dettmer, dass es hier nicht "nur um tote Juden" geht, wie vor Jahren einmal ein Schüler bei einem Besuch vermutete. Deshalb zeigt sie auch Gegenstände aus dem modernen jüdischen Leben, und BesucherInnen sind dann überrascht, dass nach einigen Vitrinen mit "letzten Briefen" aus Konzentrationslagern plötzlich eine bunte Kopfbedeckung für jüdische Jungen von heute gezeigt wird: Sie zeigt die "Power Rangers" (wer sie nicht kennt, kann sich vom nächstbesten neunjährigen Kind aufklären lassen). Denn das jüdische Museum will sich gerade nicht mit dem jüdische Leben als etwas Vergangenem befassen, sondern auch den heutigen BesucherInnen Einblicke in eine lebendige und moderne Religion geben. Eine ihrer Lieblingsausstellungen, so Frau Dettmer, sei von zwei Jahren die über Essen und jüdische Küche gewesen, die nicht nur mit vielen Vorurteilen aufräumte, sondern auch viel Spaß gemacht hat.

Nächste Pläne

Es hat sich bundesweit eingebürgert, im November ein Schwerpunktthema anzupacken. In Rendsburg wird das dieses Jahr Max Liebermann (Maler und Grafiker, 1847 - 1935) sein. Im März 2003 kommt dann die Ausstellung Das war eine wunderschöne Zeit über Kindheit und Jugend im Nationalsozialismus nach Rendsburg. Sie wurde bereits in der Geschichtswerkstatt Lübeck gezeigt und befindet sich noch bis zum 29. September im Industriemuseum (Catharinenstr. 1) in Elmshorn. Im Jüdischen Museum Rendsburg wird sie vom 23. März bis zum 25. Mai zu sehen sein.
Zur Zeit ändert sich gerade die Trägerschaft des Museums: Zur Jahresmitte geht sie vom Rendsburger Kulturverein auf die Stiftung schleswig-holsteinische Landesmuseen über. Das bedeutet aktuell keine Veränderungen (außer viel Papierkrieg für die Betroffenen), wird dem Museum und dem Dr.-Bamberger-Haus aber langfristig Stabilität geben.

Mal gucken? Mal gucken kommen!

Jährlich kommen 100 bis 120 Gruppen zu Besuch, meist sind es Schulklassen. Für diese können jederzeit Termine auch außerhalb der Öffnungszeiten vereinbart werden. Ansonsten hat das Museum täglich außer Montag geöffnet, und zwar Dienstag bis Samstag von 11-13 und 16-18 Uhr, Sonntag von 15-18 Uhr. Der Eintritt kostet 2,50 Euro, für Gruppen kann das bis auf 50 Cent pro Person ermäßigt werden. Eine Führung kostet 20 Euro.

Heute leben wieder mehr als 2000 Menschen jüdischen Glaubens in Schleswig-Holstein. Inzwischen gibt es auch einen Staatsvertrag, der die Gründung eingeständiger jüdischer Gemeinden ermöglicht. Höchste Zeit also, sich mit der Gegenwart und Vergangenheit jüdischen Lebens in Schleswig-Holstein zu befassen. Das Jüdische Museum ist zwar relativ unbekannt, aber einfach zu erreichen. Rendsburg liegt zentral in Schleswig-Holstein, und das Museum liegt zentral in Rendsburg, in der Prinzessinstr. 7 (zwischen Kreishaus und Paradeplatz, wenige Minuten zu Fuß vom Bahnhof). Terminabsprachen für Gruppenbesuche, das müssen nicht nur Schulklassen sein, sind unter Telefon 04331/25262 möglich.

Reinhard Pohl

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