(Gegenwind 171, Dezember 2002)

Interview: Politische Verfolgung im Iran - kein Asyl in Deutschland

"... dass im Iran solche Umstände der Realität entsprechen"

Gegenwind:

Warum hast du den Iran verlassen? Wie bist du nach Deutschland gekommen, warum gerade hierher?

Soheila Manafpour

Soheila Manafpour:

Ich war fast 16 Jahre alt, als ich im Oktober 1995 den Iran verließ. Meine fünf Schwestern sind mit ihren Kindern und Ehemännern schon einige Jahre zuvor aus politischen Gründen aus den Iran geflohen, sie lebten als anerkannte Flüchtlinge hier. Ich wurde, obwohl ich ein junges Mädchen war und mit politischen Angelegenheiten nicht viel zu tun hatte, wiederholt von der Regierung befragt und verhört. In den Schulen gibt es spezielle Wächter, die die Schülerinnen und Schüler politisch überwachen. Sie wollten wissen, wo meine Schwestern denn sind und ob ich noch mit ihnen in Kontakt bin und wie ich mit ihnen im Kontakt stehe. Ich hatte zum Beispiel im Umkleideraum der Schule mit einem Stift Parolen gegen die Regierung an die Wand geschrieben. Man warf mir und meiner Familie vor, wir wären Verräter der Revolution und wären gegen das Regime und die Religion. All dies machte mein junges Leben so schwer und unerträglich, dass ich mit meinen Eltern beschloss, dieses Land zu verlassen, auch weil ich für mich herausfand, dass ich mit dieser Regierung nicht leben konnte und wollte. Meine Eltern waren sehr alt und ich war das jüngste Kind und das einzige, welches noch zu Hause lebte. Auch sie sahen mit an, wie ich unter den Demütigungen und Befragungen litt und beschlossen, mich aus dem Land zu bringen. Sie sorgten für das Geld und einen Fluchthelfer, der mich als Begleitkind mit dem Flugzeug nach Deutschland brachte. Hamburg war das Ziel, da meine Schwestern schon hier wohnten; somit wäre ich nicht allein auf mich gestellt mit meinen 16 Jahren.

Gegenwind:

Welche Gründe hast du für deinen Asylantrag angegeben? Wie war die Antwort?

Soheila Manafpour:

Als ich herkam, war ich erst fünfzehn und lebte mit einer Duldung bei einer Schwester. Erst zwei Monate später beantragte ich Asyl. Als Gründe für meine Flucht aus dem Iran habe ich in dem Asylantrag all meine Gründe genannt, die ich eben erläutert habe. Die politischen Aktivitäten meiner Schwester und deren Ehemänner hatten mich sicherlich geprägt. Die Regierung wollte durch die Verhöre von mir herausfinden, wo sie wohnen und ob ich Kontakt habe. Mein Antrag wurde 40 Tage später abgewiesen. Sie haben mir nicht geglaubt, ich wäre damals zu jung gewesen und hätte als junges Mädchen niemals solche Probleme haben können. Man glaubt einfach nicht, dass im Iran solche Umstände der Realität entsprechen. Ich musste dann bis 1998 auf einen Termin vor dem Verwaltungsgericht warten, die Verhandlung war besser als die Anhörung. Ich dachte, ich hätte eine Chance, aber auch das Gericht lehnte den Asylantrag ab. Im Mai 2000 wurde mir dann plötzlich die Sozialhilfe gestrichen. Ich ging zum Sozialamt und beschwerte mich, die sagten, ich müsste zur Ausländerbehörde. Dort sagte man mir, ich bekäme keine Sozialhilfe mehr, weil ich in den Iran zurückkehren sollte. Ich ging zu meinem Anwalt, und wir stellten einen neuen Asylantrag, weil ich inzwischen auch hier in Deutschland aktiv war. Der Folgeantrag wurde wieder abgelehnt, seitdem habe ich nur eine Bestätigung des Bundesamtes für diesen Antrag und eine Meldebescheinigung, bekomme aber keine Duldung mehr. Die Bestätigung hat kein Foto, aber das ist mein einziger Ausweis, den ich seit dem Jahre 2000 habe. Seitdem warte ich wieder auf einen Termin vor dem Verwaltungsgericht.

Gegenwind:

Wirst du unterstützt? Wer hilft dir? Gibt es Unterstützung von iranischen Flüchtlingen untereinander?

Soheila Manafpour:

Ich werde hier von meinen Schwestern in jeder Hinsicht unterstützt. Unter den iranischen Flüchtlingen gibt es auch Unterstützung untereinander. Ich selbst helfe anderen Flüchtlingen bei Übersetzung, weil ich etwas besser deutsch verstehe als viele andere im Bekanntenkreis. Ein- oder zweimal im Monat gehe ich mit jemandem mit zum Arzt oder zu einer Behörde und helfe bei der Verständigung.

Gegenwind:

Du sagtest, dass du hier politisch aktiv bist. Was machst du, mit wem arbeitest du zusammen?

Soheila Manafpour:

Ich bin hier Mitglied im Iranisch-Liberalen Verein Politik und Kultur, wo ich stellvertretendes Vorstandsmitglied bin. Wir organisieren oft Demonstrationen und regelmäßige Sitzungen, in denen wir über alle Ungerechtigkeiten und politische Fehltritte des Iran reden. Die Demonstrationen führen meistens zum iranischen Konsulat. Wir machen aber auch Infostände und Kundgebungen in Hamburg in der Mönckebergstraße, das nächste Mal am 7. Dezember am frühen Nachmittag. Von unserem Verein gibt es Gruppen in Hamburg, das ist die größte, und dann in Essen, Leipzig und Bremen. Wir setzen uns für eine Demokratie im Iran ein.
Ich arbeite außerdem in einem Komitee zur Unterstützung der demokratischen Bewegung im Iran mit. Das ist hauptsächlich in Bad Oldesloe aktiv, es gibt aber auch andere Gruppen, zum Beispiel in Bremen. Das Komitee arbeitet mit dem ehemaligen Präsidenten Bani-Sadr zusammen, der im Exil in Paris lebt. Wir machen Veranstaltungen, zum Beispiel haben wir im Herbst 2001 und jetzt gerade große Veranstaltungen im Bürgerhaus in Bad Oldesloe gemacht, wo es um die Unterdrückung im Iran, aber auch um die weltpolitische Lage nach den Terroranschlägen von New York und das Zusammenleben der verschiedenen Religionen in Deutschland ging. In diesem Jahr habe ich das Einführungsreferat für die Podiumsdiskussion gehalten.

Gegenwind:

Wenn man hier Berichte über den Iran in der Zeitung liest, ist oft von "Liberalisierung" die Rede. Wie beurteilst du die aktuelle Situation?

Soheila Manafpour:

Zur Zeit sehe ich persönlich keine deutliche Besserung der letzten 20 Jahre nach der Revolution: Wenn man die Fakten betrachtet, kann man sehen, dass die iranischen Gefängnisse mit über sieben Millionen politischen Gefangenen überfüllt sind, es gab im letzten Jahr 2001 mindestens 139 vollstreckte Todesurteile, das hat amnesty international bestätigt, und sämtliche Zeitungsredaktionen wurden geschlossen und Reporter wurden verhaftet, da diese ihre Meinung über die Regierung öffentlich geäußert hatten. Frauen werden im Iran noch gesteinigt. Die Freiheit der Meinung und der Presse ist längst nicht gewährleistet; ich sehe noch keine positive Entwicklung in Richtung einer Liberalisierung.

Gegenwind:

Welche Alternative gibt es? Ist die Opposition im Iran stark genug und einig, um eine Alternative zu bilden?

Soheila Manafpour:

Eine politische Opposition existiert im Iran nicht in dem Sinne, wie wir es hier in Deutschland kennen. Die Regierung verbietet jegliche Art von Opposition. Wenn sich geheim eine bildet und dann öffentlich zeigt, wird sie wieder von Regime zerstört. Die oppositionellen Gruppen sind also nicht sehr groß und dazu noch untereinander nicht einig, das ist der Grund, weshalb die gegenwärtige Regierung seit 22 Jahre ungestört regieren kann.

Gegenwind:

Die oppositionellen iranischen Gruppen hier in Deutschland und hier in Schleswig-Holstein scheinen mir alle sehr klein und untereinander sehr verfeindet zu sein. Was ist der Grund dafür? Siehst du Möglichkeiten, zu gemeinsamen Aktionen zu kommen?

Soheila Manafpour:

Leider ist es richtig, das die oppositionellen Gruppen untereinander verfeindet sind. Man kann sie grob in zwei Interessengruppen aufteilen: Die AnhängerInnen des Schahs, die sich für eine Rückkehr des Schah-Sohnes einsetzen, und uns. Dazu gibt es noch viele Anhängerinnen und Anhänger der Volksmudjaheddin, aber bei denen müssen zum Beispiel Frauen Kopftücher tragen, und die Organisation ist nicht demokratisch, zu denen haben wir kaum Kontakt. Alle haben einfach verschiedene Vorstellungen und Ziele und jede Gruppe will auf ihre Art an die Macht kommen. Solange alle nicht eingesehen haben, das wir alle Iraner sind und zusammen halten müssen, da es schließlich um unser Land geht, welches gerettet werden muss, wird es immer so bleiben.

Interview: Reinhard Pohl

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