(Gegenwind 186, März 2004)

Zur Ausstellung förmlich

"Eine Art scheinheiliges Tuch für Gerechtigkeit"

Im Februar war in der Kieler Pumpe die Ausstellung förmlich der Künstlerin Zissa T. zu sehen. Zissa zeigte Bilder und Installationen aus Papier, Ton, Sand und Plexiglas. Im Zentrum der Ausstellung stehen Antragsformulare u.a. auf Aufenthaltserlaubnis und Asyl, die Zissa in Gemälde integriert, auf Figuren gepresst, zu Sitzgruppen gefaltet, in Tongewänder gehüllt sowie in mehrgeschossige Sanduhren und Lückentextsiebe verwandelt hat. Wir haben das Gespräch kurz nach dem Abbau der Ausstellung geführt.

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Gegenwind:

Zissa, könntest du bitte aus deiner Sicht formulieren, mit welchen Formen sich förmlich auseinandersetzt?

Zissa:

Ich wollte mich mit Formularen auseinandersetzen und hab damit angefangen herumzuspielen. Formulare sind begrifflich ziemlich dicht mit Formen und Gestalten verwandt. Und das ist etwas, womit ich mich als bildende Künstlerin ohnehin beschäftige.

Gegenwind:

Und wozu das Ganze, wozu bearbeitetest du Formulare mit Falttechniken mit Schere mit Formpressen, Sand und Licht und Schatten?

Zissa:

Mich juckt es in den Fingern etwas zu machen wo ich noch selber bestimmen kann. Wenn ich mich immer an das nächsthöhere reale Thema wende, wenn ich also z.B. frage: "Warum gibt es noch Abschiebeknäste" oder "Warum kann man nicht einfach die Arbeit machen, die einem gefällt" oder dergleichen, dann bin ich auf einer realen Basis, die mich aber eigentlich immer in die Position der Machtlosen bringt. Diese Art, Formulare als Material zu nehmen und damit zu arbeiten, macht mir die Möglichkeit auf, das Ganze zu unterbieten, nicht zu hart zu werden; das wofür Formulare stehen, in Frage zu stellen - aber auf einer Ebene, wo es nicht heißt, ich bin mächtiger oder die sind mächtiger, sondern auf einer Ebene, wo ich mich auch bewegen kann. Bei einem Formular gibt es ansonsten immer nur einen, der fragt, und der andere hat zu antworten.

Gegenwind:

Ist denn das Formular wirklich die Waffe, mit der die Interessen der Mächtigen durchgesetzt werden?

Zissa:

Nein, nicht mit der sie durchgesetzt werden. Das Formular ist eine Art scheinheiliges Tuch für Gerechtigkeit. Damit werden sie nicht durchgesetzt, sondern kontrolliert. Formulare kommen aus der Zeit, in der das Bürgertum sich profiliert hat. Gott und Kaiser wurden ja abgeschafft, und die Bürgerlichen haben angefangen mit Formularen Informationen zu sammeln und andere Werte zu etablieren als den "Willen Gottes".

Gegenwind:

Bei deinem Spiel mit dem Formular geht es also um eine generelle Kritik an Kategorisierung von oben?

Zissa:

Ja, aber nicht zwangsläufig darum, sie abzuschaffen. Kategorisierung und Formulare können durchaus etwas Schützendes haben, weil sie einen gewissen Raum erstellen und Rechte zusichern. Über die Auseinandersetzung mit diesen Räumen bin ich dann auch auf den Migrationsschwerpunkt vieler der ausgestellten Arbeiten gekommen. Migranten werden von vornherein durch Kategorisierung aussortiert und rechtlich und räumlich begrenzt. Es gibt eben z.B. ein Extra-Amt für alle Migranten und es gibt für mich ein Einwohnermeldeamt. Da wird anhand von Kategorien und mit Formularen von vorn herein ganz klar getrennt.

Gegenwind:

Was versprichst du dir davon, die Form dieser Formulare zu verändern und zu gestalten, indem du z.B. die Origamitechniken anwendest. Warum verbrennst oder zerschneidest du nicht die Formulare oder schmeißt sie aus dem Fenster?

Zissa:

Ich will mich wieder bemächtigen an der Stelle, wo ich eben keine Macht hab und dabei die Dinge auf den Kopf stellen.

Gegenwind:

In der politischen Debatte dieser Tage wird ja oft von den Wirtschaftsverbänden, aber auch von den politischen Eliten eine stärkere Deregulierung und Entbürokratisierung gefordert, also wegzukommen von den starren Formen. Ist das in deinem Interesse?

Zissa:

So, wie es gefordert wird, nicht. Denn die, die das fordern, sind ja immer noch ganz ausdrücklich dieses System, und dieses System ist ein kapitalistisches System und wird immer Kategorien brauchen um auszusondern. Das wird sich nicht ändern dadurch, dass man dereguliert. Es wird nur schneller gehen, es wird ihnen einfacher gemacht.

Gegenwind:

Hast du mit der Ausstellung erreicht, was du wolltest?

Zissa:

Ich bin vor meiner Ausstellung eine Zeit lang immer durch die Gegend gegangen und hab versucht, aus Sachen und Papier irgendetwas zu falten und sie zu einem ganz neuen Gegenstand oder Gedanken zu machen. Und das ist eben, was ich zeigen wollte. Toll wär's gewesen, wenn sich das noch mehr Menschen angeguckt hätten.

Gegenwind:

Wie geht es jetzt weiter mit deiner Ausstellung förmlich?

Zissa:

Ich kann mir vorstellen, die Ausstellung nochmal in einem anderen Zusammenhang zu zeigen. Ich werde aber für mich persönlich auf Dauer weiter klären, wie ich diese spielerische Art, diese Art etwas unterwandern zu wollen, also auch nicht zu hart zu werden und mein praktisches Anliegen der Veränderung von gesellschaftlichen Verhältnissen miteinander mehr verbinden kann.

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