(Gegenwind 187, April 2004)

Entwicklung des Kieler Flughafens

Längere Startbahn für immer weniger Passagiere?

Lieber Flughafen Kiel!
LIEBER FLUGHAFEN KIEL! WENN WIR RICHTIG VIELE SUBVENTIONEN BEKOMMEN ...

Eigentlich will Kiel gerne eine große Landeshauptstadt sein. Ist es aber nicht. Eigentlich will Kiel einen großen Flughafen haben. Hat es aber nicht. Darüber gibt es Streit: Politikerinnen und Politiker von SPD und CDU wollen den bisherigen Flugplatz in Kiel-Holtenau, mitten in einem Wohngebiet gelegen, ausbauen. Begründung: Er wird gebraucht, weil immer mehr Menschen fliegen wollen und die Fluggesellschaften deshalb größere Maschinen einsetzen wollen.

Im Sommer 2003 hörte sich das weit weniger euphorisch an: Die dänische "Cimber Air", die bereits den Linienflug nach München kurz nach der Eröffnung mangels Nachfrage wieder eingestellt hatte, ebenso auf die Flüge nach Berlin verzichtete, kündigte auch die Einstellung der Linie nach Köln an. Die Lufthansa-Tochter bediente damit nur noch die Strecke Kiel-Frankfurt, und zwar wegen der geringen Nachfrage mit relativ kleinen Turboprop-Maschinen.

Als Retter stellten Landesregierung und Flughafen-Gesellschaft kurz darauf die EAE vor. Der "European Air Express" hatte angekündigt, die Linie nach Köln ab dem 11. August zu übernehmen. Dazu sollte die ATR 42, eine Turboprop-Maschine mit 46 Sitzplätzen eingesetzt werden. Die EAE fliegt von Montag bis Freitag immer morgens um 6.35 Uhr in Köln los, landet um 7.55 Uhr in Kiel. Um 8.10 Uhr geht es dann wieder zurück, um 9.30 Uhr ist man in Köln. Abends geht es um 17.15 Uhr in Köln nach Kiel, wo der Flug 18.35 Uhr landet. Um 18.50 Uhr geht es zurück nach Köln, wo man 20.10 Uhr ankommt.

Die EAE wurde 1999 gegründet. Sie hatte 2003 ungefähr 110 MitarbeiterInnen, davon 60 "fliegendes" Personal. Sie verfügte über 5 Flugzeuge, alles Propellermaschinen vom Typ ATR 42 mit 46 Sitzplätzen. Sie nutzt Regionalflughäfen und wirbt um Geschäftsreisende, die den Vorteil nutzen, dass sie erst 20 Minuten vor Abflug der Maschine einchecken müssen, während das in Großflughäfen wesentlich länger dauert.

Unternehmerisches Risiko?

Erst hinterher wurde bekannt, dass die EAE tatsächlich nicht allzu viel riskiert. Zunächst stellte sie am 1. August 2003 ihre Linie Paderborn-München ein. "Nicht ausreichende Rentabilität" nannte eine Firmensprecherin als Grund (Neue Westfälische, vgl. nw-news.de vom 1.8.2003). Diese Linie hatte die EAE bekommen, als die Lufthansa 2001 Anteile der Regionalfluggesellschaft Eurowings übernahm und die Auflage des Kartellamtes erfüllen musste, die München-Linie abzugeben.

Offen konnte für die EAE bleiben, ob denn die Linie Kiel-Köln, für die jetzt ein Flugzeug frei geworden war, soviel profitabler werden würde. Denn das Wirtschaftsministerium in Kiel sprang ein und sagte eine "Risikobeteiligung" von 733.000 Euro für die ersten beiden Jahre des Linienbetriebs zu. Das wird nicht alles in bar an die EAE bezahlt, sondern sie wird zum Beispiel von den Start- und Landegebühren in Kiel befreit, und die Werbung für ihre Tickets muss sie auch nicht selbst bezahlen.

Trotzdem wollte sich der Erfolg nicht so recht einstellen, im Gegenteil. Die Zahl der Passagiere ging zurück:

Statistik der Kieler Flughafengesellschaft;
bis 7/03 Cimber Air, ab 8/03 EAE
  2002 2003
Januar 2065 2209
Februar 2116 2350
März 2215 1993
April 2322 1849
Mai 2122 1757
Juni 2752 1875
Juli 2306 1810
August 2105 1262
September 2393 1252
Oktober 2015 1340
November 2472 1236
Dezember 1780 976
Summe 26.663 19.909

Hatte Cimber Air zeitweise gehofft, mehr als 2500 Tickets im Monat zu verkaufen und aufgegeben, als die Zahl auf rund 1800 fiel, verlor die EAE - auch durch die geänderten und für Geschäftsreisende ungünstigeren - Flugzeiten noch mal ein Drittel der Kundinnen und Kunden. Doch die Flugzeiten kann die EAE nicht ändern, da das Flugzeug in der übrigen Zeit für andere Linien benötigt wird. Kleine Gesellschaften mit einer Handvoll Maschinen müssen diese möglichst schnell nach einer Landung wieder in die Luft kriegen.

Verwirrung um die Startbahnlänge

Wirtschaftsminister Rohwer ließ zum Start der neuen Linie wieder mal verlauten, die Startbahn müsse auf jeden Fall verlängert werden. Das sei nicht nur notwendig für die kommende Generation von Düsenflugzeugen, auf die alle Gesellschaften in absehbarer Zeit umsteigen würden, schon für die jetzigen Turboprop-Maschinen wie die ATR 42 sei die Startbahn zu kurz, wenn sie voll ausgelastet mit 46 Passagieren und Gepäck starten wollte - dann müssten wohl mal Passagiere in Kiel zurückgelassen werden (vgl. Protokoll Wirtschaftsausschuss des Landtages, 69. Sitzung am 3. Dezember 2003).

Übersehen wurde dabei offenbar, dass die Cimber Air genau mit dieser ATR 42 schon öfter voll besetzt gestartet war, z.B. am 30.4.2003 abends nach Frankfurt mit 46 Passagieren. Jeweils 45 Passagiere waren an mehreren anderen Tagen an Bord, so in der Morgenmaschine nach Frankfurt (28.4.2003) oder in der Mittagsmaschine aus Frankfurt (12. Juni 2003) oder in der Abendmaschine aus Frankfurt (4. April 2003) oder in der Morgenmaschine aus München (5. Mai 2003) und so weiter.

Die EAE musste die Behauptung auch nicht unter Beweis stellen. Am 2. Dezember 2003 wollten morgens 14 Passagiere nach Köln, abends waren es noch mal 8. Am 12. Dezember waren es morgens 12 und abends 15 Fluggäste. Am 19. Dezember warteten morgens 3 und abends 13 Passagiere auf den Start. Und am 23. Dezember waren es morgens einer und abends vier... Da musste sich also niemand um die Startbahnlänge sorgen, und auch nicht ums Geld - solange das Land am Risiko "beteiligt" ist.

Flughafen Kiel: Prognosen adé?

Wir haben wiederholt im Gegenwind von den Prognosen berichtet, mit denen die Flughafengesellschaft die Notwendigkeit des Ausbaus begründet (vgl. Gegenwind 158, Seite 31). Die "Potentialanalyse" ergab eine hohe Nachfrage von Passagieren, die zum Beispiel nach Köln fliegen wollen. Im Szenario 2-2, das einen Ausbau der Startbahn auf 2400 Meter vorsieht und damit ab 2007 die ATR 42 durch die CRJ200-Jets ersetzen will, lesen sich die erwarteten Passagierzahlen Kiel-Köln so:

(alle Angaben nach: Kieler Flughafengesellschaft
  Jahr Passagierzahlen
  2002 24.024
  2003 24.024
  2004 22.583
  2005 23.063
  2006 23.063
Ausbau des
Flughafens fertig
  2007 25.740
  2008 26.884
  2009 28.600
  2010 29.172
  2011 29.172
Im Linienverkehr
sollten insgesamt fliegen:
  2002 164.993
  2003 184.495
  2004 201.253
  2005 207.893
Das tatsächliche Ergebnis
sieht so aus:
  2002 129.465
  2003 81.910
Dann basteln wir Euch ganz schnell...
DANN BASTELN WIR EUCH GANZ SCHNELL...

Der Flughafen gehört der Stadt Kiel und dem Land Schleswig-Holstein, die die Verluste jeweils zur Hälfte tragen müssen. Die Aufteilung kann uns egal sein, denn beide Anteilseigner zahlen die Verluste aus Steuergeldern. Das waren

Davon flossen im Jahre 2003 76.896,55 Euro direkt an die EAE, weitere 51.021,05 Euro bekam sie als Rabatt auf eigentlich fällige Start- und Landegebühren. Im gleichen Zeitraum beförderte sie auf dieser Linie 6066 Passagiere, kassierte also pro Passagier etwas mehr als 21 Euro. Dazu konnte sie das Flugbenzin steuerbefreit tanken, ein Privileg, das Autos und die Bahn nicht genießen (vgl. Antwort auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sylvia Eisenberg (CDU), Landtags-Drucksache 15/3245).

Und was macht Kiel?

Der Ausbau des Flughafens soll ungefähr 40 Millionen Euro kosten. Die Hälfte davon hat das Land bereits bewilligt, allerdings als Festbetrag. Die Stadt soll dann "Bauunternehmer" sein und das Risiko steigender Kosten und unvorhergesehener Probleme tragen.

Die Stadt hat beschlossen, das zu tun, allerdings auch nur bis zu einem bestimmten Höchstbetrag. Bis 2013 will man höchstens 19,6 Millionen Euro für den Flughafen ausgeben. Und das ist ganz einfach: Zwischen 2003 und 2013 erwartet man eine Steigerung der Erlöse um 92,6 Prozent, das sind dann 32.687.000 Euro. Der Grund dafür ist erst mal die steigende Zahl an Passagieren. Dadurch bekommt der Flughafen 68 Prozent mehr Landegebühren, 136 Prozent mehr Gebühren von Passagieren und 97 Prozent mehr Einnahmen von den Fluggesellschaften, die hier ihre Maschinen warten und tanken.

Außerdem beschloss man 2002, zur Steigerung der Einnahmen Mieten und Pachten auf dem Flughafen zu erhöhen, keine Rabatte bei Landesgebühren mehr zu geben und Parkgebühren von den Passagieren zu nehmen, die ihr Auto vor dem Flughafen abstellen (Quelle: Ratsbeschluss vom 22. August 2002.) Noch Fragen?

EAE geht es auch nicht gut

Beförderte die EAE im Jahre 2002 noch 120.000 Passagiere, waren es 2003 nur noch etwa 100.000. Und hatte sie 2003 noch 110 Angestellte (Auskunft der Pressesprecherin Michaela Kube gegenüber dem Gegenwind im August 2003), waren es im Februar 2004 nur noch 90 Angestellte, davon 50 beim "fliegenden Personal" (vgl. www.e-a-e.de).

Klar ist allerdings: Die EAE kann nicht Subventionen kassieren und dann verschwinden. Die Subventionen sind an die Existenz des Flugverkehrs verbunden. Allerdings liegt der Verdacht nahe, dass die EAE nicht wegen der Passagiere fliegt, sondern wegen der Zahlung der Steuergelder und mangels anderer Möglichkeiten, die Flugzeuge zu nutzen.

Inzwischen hat die EAE übrigens noch eine Saab 340-Propellermaschine geleast, die nur 33 Sitze hat. Offenbar bereitet man sich nicht auf steigende Passagierzahlen vor.

Elena Degtarev
EINE FLUGLINIE NACH KÖLN! BITTE SCHÖN!

Fazit

Die Ausbaupläne für den Kieler Flughafen wurden immer mit den steigenden Passagierzahlen im Linienflug begründet. Ausdrücklich wurde zugesagt, dass der Ausbau nicht mit Charterflügen rentabel gemacht werden soll - wobei die übrigens, siehe Lübeck, auch nur durch kräftige Subventionierung erzeugt werden können.

Zur Zeit wird die Notwendigkeit des Ausbaus mit den sinkenden Passagierzahlen begründet: Weil die Startbahn zu kurz sei, könnten nur kleine Flugzeuge starten und landen, deshalb könnten weniger Passagiere fliegen.

Die Wahrheit ist schlichter. In Kiel und Umgebung gibt es einfach nicht genug "Geschäftsleute", die einen Flugplatz und die Linienflüge benötigen. Ein vergrößerter Flughafen würde noch erheblich mehr Steuergelder als Subvention und Defizitausgleich schlucken, und die Anwohnerinnen und Anwohner (dazu gehören auch drei Schulen) wären nicht begeistert.

Reinhard Pohl

Wir danken Elena Degtarev, die uns ein Original-EAE-Modell der ATR 42 zusammenbaute.

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