(Gegenwind 189, Juni 2004)

Es grünt so grün auf Eiderstedt

Uferschnepfen
Uferschnepfen

Die Vogelschutzrichtlinie aus dem Jahr 1979 verpflichtet die Mitglieder der EU, die geeignetsten Gebiete für den Schutz von bestimmten Vogelarten zu melden. Nach dieser Meldung an die EU müssen die entsprechenden Staaten dafür Sorge tragen, dass die Flächen gemäß nationalem Recht unter Schutz gestellt werden.

Im Jahr 2001 hakte die EU nach und schrieb der Bundesregierung, dass die bisherigen Meldungen für Deutschland nicht ausreichend sein würden. Im Jahr 2003 wurde die deutsche Regierung aufgefordert, bestimmte weitere Gebiete, darunter auch Eiderstedt, hinsichtlich einer Anmeldung als Vogelschutzgebiet zu überprüfen und gegebenenfalls zu melden. Zuvor hatten Vogelkundler im Auftrag der Regierung andere Gebiete als Eiderstedt für geeignet zur Ausweisung als Vogelschutzgebiet bewertet. Eine Meldung der Halbinsel Eiderstedt wurde deshalb nicht durchgeführt. Nun - plötzlich - geschah Merkwürdiges: Die schleswig-holsteinische Landesregierung schrieb und begründete der EU gegenüber, warum sie in der Vergangenheit Eiderstedt nicht als Gebiet meldete und entschloss sich aber nunmehr, Eiderstedt „nachzumelden”, um „rechtlichen Konsequenzen vorzubeugen”. Diesen waghalsigen Schlenker der Landesregierung versteht bis heute kein Mensch.

Bisher hat Schleswig-Holstein gemäß den Richtlinien der EU insgesamt 73 Vogelschutzgebiete ausgewiesen. Und man zählt großzügig Flächen im Nationalpark Wattenmeer nicht mit, obwohl diese die Statistik des Landes durchaus verbessern würde. Dies ist in anderen Ländern im Übrigen gängige Praxis.

Prinzipiell, so sagt die Landesregierung, können Landwirte, Forstwirte und Fischer wie bisher wirtschaften. Allerdings darf sich der ökologische Zustand der Gebiete nicht „verschlechtern” („Verschlechterungsverbot”). Bei sogenannten „schwerwiegenden Eingriffen”, so z.B. Straßenbau, Umwandlung von Grünland zu Ackerland, müsste eine „Verträglichkeitsprüfung” stattfinden.

Die regionalen Gegenspieler der Landesregierung, u.a. der Zusammenschluss von Eiderstedtern zur Initiative „Pro Eiderstedt” sieht die Dinge natürlich anders: „Wird ein Gebiet unter Schutz gestellt, darf dort nichts mehr getan werden, was den Lebensraum der Vögel beeinträchtigen könnte. (...) Dabei hätten die Eiderstedter Landwirte über Jahrhunderte hinweg bewiesen, dass Landwirtschaft und Vogelschutz keine Gegensätze seien.” (Pressemitteilung von Pro Eiderstedt vom 22.04.04).

Weiterhin stellt sich die Initiative auf den Standpunkt, dass die Meldepflicht schon längst erfüllt sei. „Die EU fordert ja nicht die Anmeldung Eiderstedts, sondern verlangt eine Überprüfung der Anmeldewürdigkeit” (ebenda). Im übrigen zeigt das von der Initiative „Pro Eiderstedt” mit Unterstützung aller Eiderstedter Gemeinden in Auftrag gegebene (Gegen-) Gutachten des „Kölner Büros für Faunistik”, dass eine Meldung nicht erforderlich sei.

Der Kreistag in Nordfriesland teilt im wesentlichen den Widerstand auf Eiderstedt und beschloss in seiner April-Sitzung, dass „... eine Ausweisung Eiderstedts und der Eider-Treene-Sorge-Region als besonderes Schutzgebiet nach der EU-Vogelschutzrichtlinie nicht erforderlich ist”. Hinzu kommt, dass alle Gemeinden auf und um Eiderstedt im Wesentlichen klar ihre ablehnende Haltung von Ausweisungen geäußert haben. Die Fraktion des SSW vertritt darüber hinaus die Position, dass gegen die Ausweisung von Teilgebieten auf Eiderstedt vogelkundlich nichts sprechen würde, sofern eine Beeinträchtigung insbesondere der Landwirtschaft oder sonstiger wirtschaftlicher Tätigkeiten nicht stattfände.

Allerdings muss auch das schleswig-holsteinische Umweltministerium im Einzelfall bereit sein einzugestehen, dass eine Ausweisung nicht notwendig ist oder sich bei der Ausweisung von Schutzgebieten ausschließlich auf die besonders geeigneten Flächen zu beschränken und die entsprechenden naturschutzfachlichen Ermessensspielräume zu nutzen.

Noch besser wäre ein Fachkonzept, in dem dargelegt wird, welche Ziele und Maßnahmen in den Schutzgebieten durchgeführt bzw. erreicht werden sollen und hieran die Betroffenen vor Ausweisung der Schutzgebiete zu beteiligen. Bisher fehlt ein solches Konzept, das ja auch gerade von der EU-Kommission gefordert wird. Darüber hinaus muss sichergestellt werden, dass die zukünftigen Zahlungen für den Grundschutz und die Naturschutzleistungen in den betroffenen Gebieten vor Ausweisung verbindlich abgesichert sind.

Die Speerspitze des Widerstands ist in den Reihen des Kreisbauernverbandes Husum-Eiderstedt zu finden. Der CDU-nahe Verband setzt alle Mittel ein, um Rot-grün im Vorwahlkampf zu kritisieren. Damit hat endgültig eine Ideologisierung der Auseinandersetzung stattgefunden, die die kommunikativen Notwendigkeiten als Voraussetzung für eine für beide Seiten akzeptablen Lösung empfindlich stört.

Aber auch Umweltminister Müller, der mit seinem Eiderstedt-Coup wohl die Wählerstimmen zurück erhalten möchte, die ihm mit dem Bau der A20 (Wakenitz-Tal), dem Ausbau des Flughafens Lübeck-Blankensee, der Unterstützung der Landesregierung für die Fehmarn-Belt-Querung und der Diskussion um den Flughafen Kiel-Holtenau verlustig gegangen sind, möge den Vorwahlkampf beiseite lassen, um den notwendigen Frieden wieder herzustellen.

Grundlage hierfür ist eine seriöse und kooperative Vorgehensweise beider Seiten, die jeweils die gesonderten Problemstellungen berücksichtigt, ohne dabei das Ziel des Naturschutzes aus den Augen zu verlieren.

Beide Parteien sollten sich an der Vorgehensweise in Dänemark orientieren, wo vor jeglicher Beschlussfassung intensiv mit den Betroffenen Gespräche geführt wurden und es dann zu einer Einigung gekommen ist. Die Minimierung von Konfliktpotenzialen im Vorfeld der eigentlichen Ausweisung ist die einzige Möglichkeit, das Thema Naturschutz wieder in vernünftige Bahnen zu bekommen. Weniger ist dabei manchmal durchaus mehr.

Ulrich Stellfeld-Petersen

(SSW Nordfriesland)

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