(Gegenwind 191, August 2004)

Kopftuchzwang für weibliche iranische Flüchtlinge?

Iranische Passvorschriften in Einzelfällen unzumutbar?

In der letzten Ausgabe des Gegenwind berichteten wir über Mahnaz Nikjouy, die mit ihren Töchtern aus dem Iran geflohen ist. Nach der Ablehnung ihres Asylantrages forderte die Ausländerbehörde Pinneberg von ihr, zu einem Besprechungstermin wegen der Ausreise aus Deutschland Passbilder von sich und den 11-jährigen Töchtern "mit Kopfbedeckung" mitzubringen. Wir befragen dazu den schleswig-holsteinischen Innenminister Klaus Buß (SPD).

Gegenwind:

Machen schleswig-holsteinische Ausländerbehörden iranischen Frauen und Mädchen zur Pflicht, bei der Anfertigung von Passbildern ihre Haare zu bedecken? Sind insofern iranische Bekleidungsvorschriften für schleswig-holsteinische Ausländerbehörden maßgeblich?

Klaus Buß:

Nicht die schleswig-holsteinischen Ausländerbehörden, sondern die Auslandsvertretung der Islamischen Republik Iran verlangt, dass für die Ausstellung eines Nationalpasses oder eines Passersatzpapiers Fotos vorgelegt werden, auf denen die betroffene weibliche Person mit einem ihr Haar verdeckenden Tuch abgebildet ist. Da es sich um iranische Staatsangehörige handelt, sind für sie somit auch die Passvorschriften der Islamischen Republik Iran maßgeblich.

Die iranische Staatsangehörige soll allenfalls für den kurzen Moment der Anfertigung der Fotos ihr Haar mit einem Kopftuch bedecken. Es wird von ihr nicht verlangt, dass sie sich mit einer solchen Kopfbedeckung in der Öffentlichkeit zeigen soll. Dies stellt auch - im Gegensatz zu der im Iran geltenden Vorschrift, die auch für andere weibliche Ausländerinnen gilt - keine Bekleidungsvorschrift dar, sondern dient lediglich zur Erfüllung der Passpflicht. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (Beschluss vom 23.3.2000, Az. 24 CS 00.12; NVwZ 2000, S. 952-954) hat entschieden, dass damit nicht gegen die Menschenwürde und das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen und den Gleichheitsgrundsatz verstoßen wird. Das VG Düsseldorf hat sogar festgestellt, dass es zum Erlangen eines Nationalpasses auch einer zum Christentum konvertierten Muslimin zumutbar ist, sich kurzfristig mit einem Kopftuch zu bedecken (Beschluss vom 11.11.2002, Az. L 2529/02). Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts oder gar des Oberverwaltungsgerichts existiert nach Kenntnis des Innenministeriums zu dieser Problematik nicht. Eine gerichtliche Klärung in Schleswig-Holstein wäre wünschenswert.

Gegenwind:

Gehört das Tragen eines Kopftuches nach Meinung des Innenministeriums als Fachaufsicht insofern zur "Mitwirkungspflicht"?

Buß:

Nein. Das Tragen eines Kopftuches gehört nicht zur "Mitwirkungspflicht". Wegen der festgestellten Ausreisepflicht hat die betroffene Person alles zu unternehmen, um dieser Pflicht genüge zu tun. Dazu zählt auch, einen Pass oder Passersatz nach den Vorschriften des Herkunftsstaates zu beantragen. Sofern eine ausreisepflichtige Iranerin der Ausländerbehörde keinen gültigen Nationalpass oder kein gültiges Passersatzpapier vorlegt, bzw. bei der Behörde das Ausfüllen eines Antrages für die Ausstellung eines Passersatzpapiers und/oder die Vorlage entsprechender Fotos mit einer Kopfbedeckung verweigert, hat sie das dadurch entstehende Abschiebungshindernis zu vertreten. Die Betroffene hat allerdings die Möglichkeit, gegenüber der Ausländerbehörde ihre Weigerung zu begründen. Die Ausländerbehörde kann dann anhand dieser Angaben prüfen, ob in dem Einzelfall die Erfüllung der iranischen Passvorschriften für die iranische Staatsangehörige unzumutbar ist. Sofern die Passvorschriften als Diskriminierung empfunden werden und die iranische Staatsangehörige sich deshalb politisch verfolgt fühlt, ist dies gegenüber dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge im Rahmen eines Asylverfahrens geltend zu machen.

(Das Interview wurde schriftlich geführt von Reinhard Pohl.)

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