(Gegenwind 210, März 2006)

Soziales Zentrum Norderstedt abgerissen

Es geht trotzdem weiter

Am 30.12.2005 hat die Stadt Norderstedt das Soziale Zentrum (SZ) abgerissen. Nach über 10-jährigem Bestehen an der Ulzburger Straße wurde es nun von der CDU und Bürgermeister Grote dem Erdboden gleich gemacht. Damit ist das einzige linkspolitische und selbstverwaltete Zentrum vorläufig aus der Stadt verschwunden.

Die Idee zum Sozialen Zentrum entstand im Jahre 1993, als sich eine Gruppe junger Leute (das Häuserplenum) dafür einsetzte, in Norderstedt ein selbstverwaltetes, unkommerzielles Kultur- und Kommunikationszentrum zu errichten. Das Projekt sollte ein Gegenpol zur herrschenden Gesellschaft sein, ein Freiraum, in dem diskriminierendes Verhalten wie Sexismus und Rassismus nicht geduldet würde und eine Ideenschmiede für neue gesellschaftliche Strukturen.

Hier zerstört die Stadt Norderstedt 10 Jahre nichtkommerzielle Kulturarbeit!

Nach zwei Jahren langer und schwieriger Auseinandersetzungen mit den Verantwortlichen der Stadt Norderstedt - damals war die SPD an der Macht - zog das SZ 1995 endlich in die Räume ein und bekam nach dreiwöchiger Besetzung einen Nutzungsvertrag über fünf Jahre, der sich nach Ablauf um weitere fünf verlängerte.

In den letzten anderthalb Jahren wurde jedoch immer deutlicher, dass die Stadt mit Oberbürgermeister Grote an der Spitze nicht mehr gewillt war, eine weitere Verlängerung - die als Option im laufenden Vertrag festgehalten war - zu gewähren. Zuerst weigerte sich Grote, Gespräche zu führen, später schickte er seinen Stellvertreter, den 1. Stadtrat und Sozialdezernenten Harald Freter (SPD) vor, dessen Entscheidungsbefugnisse sich jedoch auf ein für uns in keiner Weise geeignetes Alternativobjekt beschränkten (das, wie sich später herausstellte, noch nicht einmal ein ernstgemeintes Angebot war, sondern lediglich darauf ausgerichtet waren, den Verein so schnell wie möglich aus seinen Räumen herauszukriegen).

Es wurde immer absehbarer, dass diese Gespräche zu nichts führten und augenscheinlich in erster Linie dem Zweck dienten, Grotes "Diskussionsbereitschaft" und Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit zu demonstrieren. Leere Versprechungen, Irreführung und immer dieselben sich wiederholenden Treffen, die nie ernsthaft die Diskussion um die Standortfrage und eine mögliche Vertragsverlängerung für das Soziale Zentrum behandelten, führten schließlich dazu, dass das SZ die Verhandlungen abbrach und begann, unabhängig von der Stadt nach neuen Gebäuden Ausschau zu halten.

Als der Vertrag am 31.6.2005 auslief, wurden die Gebäude wieder besetzt. Die Stadt Norderstedt erhob Räumungsklage gegen den gemeinnützigen Trägerverein Soziales Zentrum e.V. Der sah sich daraufhin genötigt, mit der Stadt eine Lösung auszuhandeln, da die Einschätzungen dahin gingen, dass andernfalls die Vorstandsvorsitzenden des Vereins persönlich haftbar gemacht werden könnten. So entstand dann ein gerichtlicher Vergleich, der den Auszug des Vereins aus den Gebäuden bis spätestens zum 30.12.2005 erzwang.

Am frühen Morgen des 30.12. erlebten die SZ-NutzerInnen dann eine weitere Schikane: Bereits um 8 Uhr statt wie gerichtlich vereinbart um 12 Uhr brach die Stadt mit Hilfe der Polizei in die Gebäude ein, besetzte diese und ließ zunächst niemanden mehr hinein. Dies mit der irrwitzigen Begründung, die Gebäude hätte verlassen ausgesehen und alle Türen standen sperrangelweit offen.

Nach mehrmaligem Verweisen auf den gerichtlichen Beschluss, dass der Verein bis 12 Uhr das Hausrecht besaß, zeigten sich die Stadtvertreter einsichtig, die Polizei hingegen blieb auf dem Gelände.

Um Punkt zwölf Uhr erschien Herr Rickers vom Amt für Gebäudewirtschaft, um sich die Schlüssel für die Gebäude übergeben zu lassen, was im Übrigen nicht wirklich mehr Sinn machte, da die Stadt morgens schon diverse Fenster und Türen aufgebrochen hatte.

Nach der Übergabe wurde das Gelände hermetisch abgeriegelt und es folgte, was so viele befürchtet hatten, aber bis zum Schluss nicht hatten glauben wollten: Die von der Stadt beauftragte Firma begann - von 105 PolizistInnen, unter denen sich auch die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit Eutin befand, geschützt - mit dem Abriss. Es kam in der ganzen Stadt zu Protesten von mehreren hundert DemonstrantInnen, die zwar viel Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit schafften, den Abriss aber nicht verhindern konnten.

Inzwischen klafft im Stadtbild, dort, wo das SZ einmal stand, eine große Lücke.

Für die ehemaligen NutzerInnen bedeutet der Verlust der Gebäude, in Norderstedt keinen öffentlichen Anlaufpunkt mehr zu haben, keine Möglichkeit, sich zu treffen und gemeinsame Veranstaltungen zu organisieren.

Die Gebäude waren in jahrelanger mühevoller Arbeit und Eigenfinanzierung - die Stadt Norderstedt hat nie eine finanzielle Unterstützung geleistet und gleichzeitig das SZ als eine von ihr unterstützte soziale Einrichtung auf ihrer Webseite gehandelt - saniert und renoviert worden.

Im SZ fanden unzählige Veranstaltungen statt, Konzerte, Demos, Seminare, Kampagnen und Vernetzungen mit anderen Gruppen entstanden, es gab öffentliche Internetterminals für alle NutzerInnen, verschiedene politische Gruppen nutzen die Räume für ihre Treffen, und noch vieles mehr.

Die Gründe dafür, dass das alles nun dem Abrissbagger zum Opfer gefallen ist, lassen sich nur mit politischen Motiven erklären. Tatsächlich gebraucht jedenfalls wird das Grundstück vor 2007 nicht, und auch das steht noch in der Schwebe, da die Planung für die Kreuzungsbebauung schon seit 25 Jahren diskutiert und über die Finanzierung gestritten wird.

Konsequent ist die Politik der CDU der letzten Jahren jedoch wenigstens in einem. Sie ist unsozial und betreibt eine Politik der Prestigeobjekte. Die Liste hierfür ist lang: massive Kürzungen im sozialen Bereich, Schließung kultureller Jugendprojekte wie dem Jugendkulturcafé Aurikelstieg Anfang 2004 und nun auch des altersunabhängigen Sozialen Zentrums für Kultur und Politik, die Erhöhung von KiTa-Gebühren, angekündigte Schließungen von Büchereien, Privatisierung der Stadtwerke, horrende Ausgaben für wirtschaftliche Prestigeobjekte, und vieles mehr.

Wir als die NutzerInnen des ehemaligen Sozialen Zentrums lassen sich jedoch nicht entmutigen. Wir wollen ein neues SZ schaffen, unabhängig von der Stadt Norderstedt. Dafür sollen Räume gemietet werden, die groß genug und verkehrsgünstig gelegen sind, um einen SZ-Betrieb wieder aufzunehmen. Wir sind auf der Suche nach Räumlichkeiten, die unseren Anforderungen gerecht werden. Im Moment kann der Betrieb nur sehr eingeschränkt laufen, deshalb sind wir auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Um Gelder zu sammeln, gibt es auf der Homepage (www.soziales-zentrum.de) einen Spendenaufruf zur Kampagne "Aus den Steinen Schotter machen".

Auf der SZ-Webseite finden sich aktuelle Termine und Infos, außerdem kann man dort auch alle Hintergrundinfos zur Geschichte und den Verhandlungen mit der Stadt nachlesen.

Einige feste Termine des SZ bestehen weiterhin: Das Hausplenum trifft sich zur Zeit im Archiv für Soziale Bewegungen in Norderstedt, die Donnerstags-Klause findet vorübergehend im Linken Laden in Hamburg (Kleiner Schäferkamp 46, U-Schlump) und die Montagskneipe auf dem Bauwagenplatz im Rantzauer Forstweg in Norderstedt-Mitte statt.

Außerdem findet am 25.3. in der Roten Flora eine alles-fliesst-Party statt, auf der das SZ die Chillout-Zone mit einem SZ-Soli-Tresen gestaltet.

Nutzer-Plenum des Sozialen Zentrums

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