(Gegenwind 210, März 2006)

Waldschadensbericht

Gülle macht den Wald krank

Die Inventur der Waldschäden ergab für 2005 sichtbare Schäden bei beachtlichen 69 Prozent aller Bäume. Seit Beginn der Schadenserhebung vor 20 Jahren ist das der zweithöchste Krankheitsstand des schleswig-holsteinischen Waldes.

geschädigter Baum

Mit den Worten des Landwirtschaftsministers von Boetticher klingt das allerdings so: "Patient Wald weiter auf dem Weg der Besserung". In seinem Waldschadensbericht reduziert von -Boetticher seine politische Krankheits-Dia-gnose auf drei Ursachen: Auf die Emissio-nen aus dem Verkehr, auf Stoffeinträge aus der Nutzung fossiler Energien und auf eine nicht naturnahe Waldbewirtschaftung. Doch der Landwirtschaftsminister sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht. Er kehrt eine der Hauptursachen des Problems weit unter den Teppich: Die nicht umweltgerechte Landbewirtschaftung.

Jahr für Jahr gelangen bundesweit zirka drei Millionen Tonnen Stickstoff aus der Landwirtschaft in die Atmosphäre. Das ist eine gleich große Menge wie aus dem Bereich "Straßenverkehr". Die Stickstoff-Verbindungen aus der Landwirtschaft belasten nicht nur die Luft, sondern auch die Wälder, den Boden und insbesondere das Grundwasser. Der Großteil des Stickstoffs entsteht in großen Tierhaltungsanlagen. Die Exkremente der Tiere sind zwar ein natürliches Abfallprodukt. Doch die zunehmend konzentrierte, industrialisierte Tierhaltung in "Massentierhaltungsställen" führt zu lokal sehr hohen, mit leicht löslichem Stickstoff angereicherten Güllemengen. Die Nährstoffe des i. d. R. stark eiweißangereicherten "Kunstfutters" konventioneller Tierfütterung können von den Tieren nur zum Teil aufgenommen werden. So werden dessen Abbauprodukte, die Stickstoffverbindungen, wieder ausgeschieden. Über diesen sogenannten Wirtschaftsdünger gelangt der Stickstoff auf die Felder, entweicht hier als Ammoniak in die Atmosphäre, reichert sich mit Feuchtigkeit an und regnet früher oder später als saurer Regen u. a. über dem Wald nieder.

Ein anderer Teil des Stickstoffs führt über den Eintrag in den Boden direkt in das Grundwasser. Über die Aufnahme aus dem Grundwasser gelangt der Stickstoff auch auf diesem Weg zu den Bäumen. Beide Stickstoff-Eintragspfade in den Wald schädigen dessen Immunsystem. Die Widerstandskraft des Waldes lässt nach, er wird anfälliger für Krankheiten. Waldschäden sind die Folge. Im schlimmsten Fall sterben die Bäume ab oder sie fallen Pilzen oder Insekten zum Opfer. Vor allem in Jahren mit extremem Wetter, also in sehr nassen Jahren oder nach extrem heißen Sommern, beschleunigt sich dieser Prozess rasant.

Der mit 155.000 Hektar bzw. zirka 10 Prozent der Landesfläche nur sehr geringe Waldanteil in Schleswig-Holstein sollte uns einen besonderen Schutz des Waldes wert sein. Eine intakte Landschaft ist mit das allergrößte Kapital im Flächenland Schleswig-Holstein. Doch was ist zu tun? Wenn die von der Landwirtschaft verursachten Waldschäden verringert werden sollen, kommt die Politik nicht drum herum, das umweltfeindliche Subventionssystem für die Landwirtschaft zu ändern. Mehr Anreize zur Umstellung von Agrarbetrieben auf umwelt- und tiergerechte Standards müssen den Landwirten angeboten werden. Umwelt- und waldfeindliche Produktionsmethoden dürfen nicht gefördert werden.

Was die Landesregierung bereits in diesem Jahr in die Wege leiten kann, ist das Angebot an Agrarumweltprogrammen (über die neue Verordnung für den ländlichen Raum, ELER) entsprechend auszugestalten, hier insbesondere die Förderung des Öko-Landbaus fortsetzen, im Idealfall zu verbessern. Dadurch könnte es dem schleswig-holsteinischen Wald auch bald wieder besser gehen. Auch der Tourismus würde es ihm danken, denn wer will noch dort Ferien machen, wo es im Sommer überall nach Gülle stinkt. Und wenn entsprechende Maßnahmen zu greifen beginnen, müsste der Landwirtschaftsminister nicht fortgesetzt eine der Hauptursachen der Krankheit des Patienten "Wald", die industrialisierte Tierhaltung und die gängige Güllelandwirtschaft, unterschlagen.

Dr. Ina Walenda und Dr. Lutz Fähser
BUND Schleswig-Holstein

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