(Gegenwind 226, Juli 2007)

Wilhelm Schelskys Machenschaften

Klassenbrüderschaft in Greifswald

Schild: Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger - Landesgeschäftsstelle

Mitte Februar machte die Siemens-Schmiergeld-Affäre mit einem Greifswalder Akteur Schlagzeilen. 34 Mio. Euro soll Wilhelm Schelsky von Siemens für Beratertätigkeiten bekommen haben, Nachweise für Gegenleistungen fehlen. Nun ist er bereits mehr als drei Monate in Untersuchungshaft, es bestehe Verdunklungsgefahr. Die IG Metall schloss sich Anfang April dem Strafantrag an. Sie hat den Verdacht, dass mit den Geldern die "Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger" (AUB) als eine Art Gegen-Gewerkschaft finanziert wurde. Der Geschäftsmann war lange Zeit Chef der unternehmerfreundlichen AUB, hat Anteile an verschiedenen Firmen und ist Eigentümer einer Villa in Lubmin.

Schelsky besitzt etwa 41 % der Greifswalder Firma "manufacturing, logistics and services GmbH und Co. KG" (ml&s), weitere Anteile gehören Siemens. Das Unternehmen entstand als Auslagerung von Siemens. Siemens drohte 2002 die Fertigung zu schließen, weil die Fertigungskapazitäten in Deutschland nur zu 30 bis 40 % ausgelastet waren. Die Schließung hätte 250 Menschen in Greifswald den Arbeitsplatz gekostet. Klaus Bahl (AUB), damals Betriebsratsvorsitzender von Siemens, befürwortete im Jahr 2002 die Auslagerung von Arbeitskräften zu ml&s. Die IG Metall kritisierte damals: "Die darauf folgenden fünf Wochen, in denen die Verhandlungen liefen, ließ der AUB-Betriebsratsvorsitzende Klaus Bahl keine Informationen an die Beschäftigten oder andere Betriebsräte durchsickern." Thomas Möller erinnert sich: "So hat der Betriebsratsvorsitzende von Siemens, AUB-Mitglied Klaus Bahl, damals IG-Metall-Betriebsratsmitgliedern Konsequenzen angedroht, wenn sie öffentlich auf Probleme bei Siemens aufmerksam machen." Dabei werden in der Regel Auslagerungen von Einkommenseinbußen oder Mehrarbeit begleitet, die kaum im Interesse der Arbeitnehmer sind. Das Stillschweigen wird nicht selten über angeblich sicherere Arbeitsplätze erkauft. Bei ml&s sind zunächst alle Konditionen beibehalten worden. Ab 2004 wurde die Arbeitszeit um 2 Stunden die Woche verlängert. Nach 5 Jahren kamen rund 80 Festangestellte zu ml&s noch hinzu. Offensichtlich plötzlich doch ein lohnendes Geschäft für Siemens.

Schelsky gehört auch die Greifswalder Schema Unternehmens-Infrastruktur-Planung Nord GmbH. Die Schema wurde bis 2006 zusammen mit Lothar Mahling geführt. Lothar Mahling ist wiederum laut Wirtschaftswoche unter Martin Bangemann Sprecher der FDP gewesen und war zeitweilig auch Sprecher der AUB.

Firmengebäude von ml&s und SCHEMA

Die Firma Schema ist Besitzer der Gaststätte im Volksstadion "Golden Goal" und stellte Arbeitskräfte für Siemens zur Verfügung. Die Zeitarbeitsfirma hat die Westanbieter in den letzten Jahren immer mehr verdrängt und war sehr eng in die inneren Abläufe eingebunden. Die Bezahlung ist, den Andeutungen von Mitarbeitern nach zu urteilen, nicht so doll, aber für hiesige Verhältnisse immerhin so lohnenswert, dass selbst aus Berlin Kollegen die Woche über in Greifswald arbeiten, aber auch von Rügen, Anklam etc.: "Das ist halt der einzige Weg, überhaupt an Jobs bei Siemens zu kommen." Nokia Siemens nimmt nun Abstand von Schelsky und trennte sich von Schema. Die Beschäftigten wurden nach heftigen Protesten von der Zeitarbeitsfirma ManPower zu den gleichen Konditionen übernommen.

Die von Schelsky gegründete AUB setzt auf "Betriebsräte, die persönlich im Unternehmen verwachsen sind". So formuliert die Arbeitsgemeinschaft im Internet eines ihrer Ziele. Wilhelm Schelsky scheint als Unternehmer und Chef der Arbeitnehmervertretung diesem Ideal bestens zu entsprechen. Im Gespräch legte Gudrun Haseloh, Betriebsratsvorsitzende von ml&s und AUB-Mitglied, freundlich aber bestimmt ihre Sicht auf die Dinge dar. Sie sieht das natürlich ganz anders: "Betriebsrat wird nur, wer mindestens 6 Monate in einem Betrieb beschäftigt ist." Dass das Ziel nur den gesetzlichen Rahmen unterstreichen soll, kann getrost angezweifelt werden. Vor dem Hintergrund der Doppelrolle Schelskys bekommt die angebliche Ideologiefreiheit der AUB einen faden Beigeschmack.

Die AUB ist in Greifswald relativ stark. Bei den Betriebsratswahlen von ml&s erreichte sie mit ihrer Liste eine zwei Drittel Mehrheit und konnten die Betriebsratsvorsitzende stellen. Gudrun Haseloh schätzt die Mitgliederzahl in Greifswald insgesamt auf etwa 100-120. In der AUB seien vor allem Betriebsratsmitglieder organisiert. Die Beratung und der Rechtsschutz aller Mitglieder zu arbeits- und sozialrechtlichen Problemen stehe im Vordergrund. Aber auch Fragen der Verhandlungstaktik oder der Strategie beispielsweise in Wahlkämpfen spielen eine Rolle. Gudrun Haseloh betont die Unterschiede zum DGB. Im Gegensatz zu der Gewerkschaft gebe es keine branchenbezogenen Forderungen. Man sei keine Tarifpartei, die Tarifverträge aushandelt, und das sei auch nicht erstrebenswert. "Natürlich fordere ich als Betriebsrätin Lohnerhöhungen und Arbeitszeitverkürzungen - vorausgesetzt, die Situation meines Betriebes erfordert es", wirft sie ein. Die Arbeitnehmervertretung solle aber nur betriebsindividuell erfolgen. Als Organisation, die sich auf die Betriebsratsarbeit konzentriere, gebe es für Tarifpolitik auch keinen gesetzlichen Spielraum: im Tarifvertrag geregelte Löhne oder Arbeitszeiten dürfen nicht Gegenstand von Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Betriebsräten sein, schreibt das Betriebsverfassungsgesetzes vor. Den Paragraph würde die AUB gerne geöffnet sehen: regionale Anpassungen - sprich die Öffnung der Flächentarifverträge - befürwortet der Verein. Dem Druck eines Konzerns wie z. B. Siemens, der mit Standortverlagerung und Auslagerung die Beschäftigten gegeneinander ausspielen kann, wird man so vermutlich kaum standhalten können. Gudrun Haseloh meint dennoch ohne den gewerkschaftlichen Hintergrund auszukommen und möchte "eine Vertretung die Arbeitnehmer-Interessen berücksichtigt, ohne das Wohl des Betriebes aus dem Auge zu verlieren". Eine Rückkopplung zu den Beschäftigten laufe dann über die Betriebsratswahlen. Und das offensichtlich mit Erfolg. Nicht nur bei ml&s sondern auch bei Nokia Siemens stellte die AUB in Greifswald bisher die Mehrheit der Betriebsräte.

Firma Nokia Siemens Networks

Ob der Erfolg indes anhält, bleibt abzuwarten. Die AUB ist 2002 in ein gut gelegenes Büro am Marktplatz eingezogen. Mit Margrit Schuldt fungierte als Ansprechpartnerin der AUB die ehemalige Sekretärin des Greifswalder Siemens- Standortleiters. Ein schickes Auto mit Nürnberger Kennzeichen - die Zentrale der AUB befindet sich in Nürnberg - sorgte für Aufsehen. Thomas Möller vom DGB Greifswald fragte sich da schon, "wie das mit 8 Euro Mitgliedsbeitrag funktioniert". Gudrun Haseloh gibt freimütig zu, dass die AUB ein Lieblingskind von Wilhelm Schelsky gewesen sei: "Er war vielfältig tätig, als Unternehmer und Unternehmensberater. Es steht ihm natürlich frei, Vereinigungen zu fördern, die die Arbeit der Betriebsräte unterstützen." Wilhelm Schelsky hat sein Amt bei der AUB inzwischen niedergelegt. Die Landesgeschäftsstelle der AUB in Greifswald wurde aufgelöst. Auf den Internetseiten ist nur noch die Bundesgeschäftsstelle Nürnberg zu sehen. Die Arbeit der AUB soll laut Gudrun Haseloh in Zukunft stärker ehrenamtlich erfolgen.

In Greifswald hatte Wilhelm Schelsky ein ganzes Netz von Aktivitäten entfaltet, nicht nur bei AUB, ml&s und Schema. Auch bei Solon, ebenso wie ml&s und Schema in der Siemensallee ansässig, und an GreifswaldTV hat der Lubminer Geschäftsmann Anteile. Seine Tochter, Sabine Schelsky, ist seit kurzem Chefin des Fernsehkanals. Der Greifswalder Sport Verein (GSV) diskutierte in Internetforen über den Sponsor Schelsky und über zukünftige Sponsoren. Das Sponsoring wurde ziemlich positiv gesehen, ohne es zu hinterfragen. Man ist einfach froh, dass sich überhaupt Geld in die pommersche Provinz verirrt. Ökologie oder Moral dürften da kaum eine Rolle spielen. Nicht anders ist die Freude über das Steinkohlekraftwerk von Dong Energy, einem jetzigen Sponsor, zu verstehen. Nun hat der GSV auch mit Egbert Liskow einen neuen Sponsor gefunden. Liskow meinte noch am 17.2.07 in der Ostseezeitung: "Ich habe Wilhelm Schelsky als sehr hilfsbereiten und akkuraten Menschen kennen gelernt, der immer darauf bedacht war, keinen persönlichen Vorteil zu erlangen." Ob der Mann, der in der Greifswalder Bürgerschaft die Ordnungsrufe verteilt, eine bessere Wahl ist, wird die Zukunft zeigen.

Silvio Biblich

(bereits veröffentlicht im "Likedeeler", Greifswald)

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