(Gegenwind 229, Oktober 2007)

Es ist passiert!

Ahnungslose Bauern säten Gen-Raps in Schleswig-Holstein aus

In der letzten August-Woche wurde bekannt, dass auf ca. 300 Hektar in Schleswig-Holstein unbeabsichtigt gentechnisch kontaminierter Raps ausgesät worden ist. Im Raps-Saatgut des Unternehmens Deutsche Saatveredelung AG aus Nordrhein-Westfalen wurden bei einer routinemäßigen Stichprobenkontrolle vom zuständigen Umweltministerium in Düsseldorf gentechnisch veränderte Rapskörner gefunden.

Das Unternehmen startete daraufhin eine Rückrufaktion, doch für viele Landwirte in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen war es zu spät. Sie hatten das gentechnisch verunreinigte Saatgut schon ausgsät, auf insgesamt ca. 1.500 Hektar. Das Saatgut war in fünf Bundesländer ausgeliefert worden, bevor der Befund bekannt wurde. Die nachgewiesenen gentechnischen Verunreinigungen gehen auf Glufosinat-resistentes Saatgut von BAYER zurück.

Wie konnte es dazu kommen?

Woher kommt der Gen-Raps, der in der EU keine Zulassung hat, also gar nicht angebaut werden darf? Christoph Lüdecke, Vorstand der Deutschen Saatveredelung AG: "Wir wissen es nicht. Wir züchten nicht mit gentechnisch veränderten Produkten." Es sei möglich, dass es sich bei den Verunreinigungen um Folgen von Freisetzungsversuchen handelt, die in den 90er Jahren von der Bundesregierung genehmigt wurden.

Da Rapssaatgut im Boden bis zu 15 Jahre überdauert und Raps-Pollen kilometerweit fliegen können, ist eine Kontamination weiterer Anbieter wahrscheinlich.

Die Natur ist kein Labor!

Es besteht also bei Fachleuten die Vermutung, dass Freisetzungsversuche mit relativ kleinen Flächen ein Jahrzehnt später zu ungewollten Verunreinigungen führen! Die Möglichkeit einer sogenannten "Koexistenz" von Gentech-Konstrukten und gentechnikfreiem Saatgut wird somit endgültig ad absurdum geführt!

"Koexistenz" ist in diesem Zusammenhang ein geschickter, gut klingender politischer Begriff der Agrar-Industrie. Die gewollte schleichende Kontaminierung der Natur mit Genkonstrukten wird damit verschleiert.

Die Natur ist kein Labor! Gentechnische Veränderungen über Artgrenzen hinweg sind in ihren Auswirkungen nicht abschätzbar, nicht überschaubar und schon gar nicht rückholbar - im Gegenteil, sie breiten sich unkontrollierbar aus.

Verlängerung des Moratoriums!

Dieser neue Skandal macht (mal wieder) sehr deutlich: Die Diskussionen um Abstandsregeln und Haftungsfragen, wie sie rund um das Gentechnik-Gesetz stattfinden, können unser Saatgut nicht vor Kontamination schützen.

Eine Verlängerung des Moratoriums ist die einzig sinnvolle Forderung, um jahrtausendealtes Saagut nachhaltig zu schützen. Kein Anbau von Gentech-Pflanzenkonstrukten - Saatgut für unsere Nahrung ist kein Experimentierfeld.

Aktiv werden!

In allen betroffenen Bundesländern sollen die ermittelten Landwirte das Saatgut nach dem Aufkeimen abtöten und dann unterpflügen. Doch es ergeben sich viele Fragen. Deswegen hat die Bürgerinitiative für ein gentechnikfreies Schleswig-Hostein einen Offenen Brief an die zuständigen Minister geschickt, der nachfolgend abgedruckt ist.

Fragen mit der Bitte um Stellungnahme kann jede/r an das Umweltministerium schreiben! Postkarte genügt!

Hier die Adresse: Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Herrn Minister Christian von Boetticher, Mercatorstraße 3, 24106 Kiel, Telefon (Herr von Abercron): 0431 988-7203/-7204

Andrea Kraus
für die BI gentechnikfreies SH
www.gentechnikfrei-sh.de

Dokumentation:

Offener Brief an die Landwirtschaftsminister der Länder Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen und an Herrn Minister Seehofer

Sehr geehrter Herr Minister von Boetticher,

mit großer Bestürzung über die Ende August bekannt gewordene gentechnische Kontamination von Raps-Saatgut stellen wir Ihnen einige Fragen mit der Bitte um Beantwortung. Dieser erneute Skandal der Agro-Gentechnik-Industrie beweist anschaulich wie dringend und zukunftsweisend unsere Forderungen sind.

Fragen:

Forderungen an die Politik:

Erneuerung des Gentechnik-Moratoriums!

Gentechnik hat nichts im Freiland zu suchen, dies zeigen die ungewollten Verunreinigungen. Koexistenz ist eine absolute Unmöglichkeit und führt zwangsläufig zu Verunreinigungen, dies weiß die Gentechnik-Industrie und belegt es selbst mit jedem neuen Skandal (Starlink-Mais in den USA, Gen-Reis aus den USA 2006 weltweit exportiert, Basta-Raps hier und heute, alles BAYER-Produkte).

Der Verursacher muss haften!

Für sämtliche Kosten muss der Verursacher haften, dies ist der Hersteller der nachgewiesenen gentechnischen Veränderung, also BAYER-Crop-Science. Wenn der Saatgutbetrieb nachweislich keine Gentechnik verwendet, ist er genauso Opfer der gentechnischen Verunreinigung wie die Bauern und sollte von BAYER entschädigt werden.

Kosten und Risiken nicht auf die Allgemeinheit abwälzen!

Eine Haftung/Entschädigung durch die Allgemeinheit/den Staat ist abzulehnen. Es kann nicht sein, dass die Gewinne bei den Konzernen verbleiben, aber die Kosten und das Risiko bei der Allgemeinheit.

Bessere Kontrollmöglichkeiten durch bereitgestelltes Referenzmaterial!

Für alle weltweit (!) freigesetzten gentechnischen Konstrukte müssen die Hersteller verpflichtet werden, das zur Analyse nötige Referenzmaterial kostenlos und auf Dauer (mind. 20 Jahre nach letzter Freisetzung) zur Verfügung zu stellen. Im Fall der Kontamination von Reis durch ein BAYER-Genkonstrukt im Jahre 2006 hatte BAYER die Analysen dadurch behindert, dass sie das Referenzmateriel erst auf starken Druck hin zur Verfügung stellten. Das darf nicht sein!

Vorsorgepflicht an erster Stelle!

Der Schutz der Bevölkerung und unserer Umwelt muss an erster Stelle stehen. Dazu müssen die Ministerien/Lebensmitteluntersuchungsämter sehr viel besser ausgerüstet werden, um den neuen Anforderungen durch die Gentechnik gerecht werden zu können. Sämtliche Kosten sollen die Hersteller der gentechnisch veränderten Organismen tragen, denn durch deren zunehmende neue Genkonstrukte wird es immer aufwändiger, alle möglichen Verunreinigungen zu finden.

Untersuchung aller Freisetzungsflächen der letzten 10 Jahre!

Wir fordern eine konsequente Beobachtung und Untersuchung aller Gentechnik-Freisetzungsflächen der letzten 10 Jahre. Je nach Kulturart müssen verschiedene Parameter berücksichtigt werden (z.B.: Raps-Durchwuchs, Bt-Mais / Bt-Konzentration im Boden, Übertragung von Antibiotikaresistenzmarkern auf Bodenbakterien etc.).

Öffentliche Datei der Freisetzungsflächen!

Die Bundesregierung mit dem ehemals zuständigen Robert-Koch-Institut und dem heute zuständigen Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz haben die Freisetzungen genehmigt. Verschiedene Unternehmen, Landwirtschaftskammern und Bauern haben sie durchgeführt. Es muss eine öffentlich einsehbare Datei mit sämtlichen Freisetzungsorten seit Beginn der Gentechnik erstellt werden, um Kontaminationen und Wechselwirkungen zumindest in Deutschland nachvollziehen zu können.

Dieser Fall zeigt noch einmal eindrücklich, dass das geplante Gentechnikgesetz nicht die richtigen Antworten auf die realen Probleme gibt. Koexistenz ist offensichtlich nicht möglich! Ein erneutes Gentechnikmoratorium ist das mindeste, was wir zum Schutz der künftigen Generationen benötigen.

Mit freundlichen Grüßen

Andrea Kraus
für die Bürgerinitiative gentechnikfreies Schleswig-Holstein

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