(Gegenwind 247, April 2009)

Wirtschaftsminister Marnette: "Ich würde sogar zur Demonstration nach Brunsbüttel kommen - reden wir über die Kohlekraftwerke und Ihre Sorgen!"

Wirtschaftsminister Marnette: "Ich würde sogar zur Demonstration nach Brunsbüttel kommen - reden wir über die Kohlekraftwerke und Ihre Sorgen!"

BI Brunsbüttel bei Minister Marnette

Anfang einer Diskussion

GDF SUEZ Energie Deutschland AG will in Brunsbüttel ein Kohlekraftwerk bauen. Noch eins??? fragen sich die ohnehin schon arg belasteten Bewohner der Region entsetzt. Nein, nicht noch eines zu den vier schon geplanten Blöcken mit je 800 oder 900 MW, denn es handelt sich - schlimm genug - um das bereits bekannte geplante Kraftwerk der Electrabel Deutschland AG. Diese hat nur soeben den Namen gewechselt und verschleiert damit ein wenig die Zusammenhänge mit der belgischen Electrabel.

Just dieses Kraftwerk der Electrabel soll, wie unser schleswig-holsteinischer Wirtschaftsminister Marnette kürzlich in Brunsbüttel verkündete, schon in diesem Sommer gebaut werden.

Nun mag es aus Sicht eines Wirtschaftsministers und früheren Industrievertreters einer extrem energiehungrigen Branche der Kupfer und Aluminium-Produktion sinnvoll sein, billigen, wenn auch schmutzigen Kohlestrom um jeden Preis und Investitionen ohne Rücksicht auf Umwelt und die betroffene Bevölkerung, am besten mit sehr einfachen Genehmigungsverfahren, sofort umzusetzen. Doch damit hat Marnette sich den massiven Zorn der Bürgerinitiative (BI) Gesundheit und Klimaschutz Unterelbe/Brunsbüttel zugezogen und von ihr angesichts seines Verhaltens die Aufforderung erhalten, zurückzutreten.

Das hat er zwar nicht getan, aber einen Tag vor der Groß-Demonstration in Brunsbüttel kam es in Kiel zu einem mehrstündigen Gespräch zwischen Vertretern der Bürgerinitiative und Wirtschaftsminister Marnette.

Einigkeit war bei diesem Gespräch nicht zu erwarten, dafür gehen die Meinungen zu sehr auseinander. Doch am Ende war das Gespräch der Anfang einer Diskussion, die fortgesetzt werden soll, so Marnette. Hans-Martin Storm als einer der Sprecher der BI: "Die Äußerungen des Wirtschaftsministers stellten Gespräche - eher Wunschträume - aus dem Electrabel-Vorstand als Tatsachen hin. Das hat viele Menschen hier verärgert. Wir sehen darin eine Verletzung demokratischer Spielregeln und Manipulation der Bevölkerung und der Entscheidungsträger." In Wirklichkeit ist bisher nichts entschieden oder gar genehmigt, die Antragsverfahren der Betreiber stehen gerade erst am Anfang.

"Ich wäre schon froh, wenn wenigstens ein Kraftwerksblock kommt", bremst Marnette den eigenen Elan etwas ab. "Vier kommen auf keinen Fall! Und Electrabel ist der erste, der konkret sagt: Wir wollen wirklich bauen." Auch die viel zitierten "zahlreichen Arbeitsplätze" relativiert der Wirtschaftsminister. In den Kraftwerken selbst werden nach seiner Einschätzung, ganz wie die BI es sieht, nur relativ wenige neue Arbeitsplätze entstehen. Doch er sieht den Vorteil, dass der in Brunsbüttel billig produzierte Kohlestrom in der Industrie an anderen Orten Arbeitsplätze sichert und erhält - nicht gerade in Brunsbüttel, aber irgendwo in Deutschland oder in Europa. Denn schließlich ist und bleibt Schleswig-Holstein und auch ganz Deutschland Strom-Exportland.

Spätestens 2020 wird - nach dem "Grünbuch Energie" der Landesregierung - mehr Strom allein aus Wind erzeugt, als hierzulande verbraucht wird. Die Kohlekraftwerke (und alle anderen Energieerzeuger wie Solar, Biogas, Gaskraftwerke) produzieren dann rein rechnerisch vollständig für den Export, insgesamt das zweieinhalbfache des Bedarfs. "Allerdings brauchen wir die Kohlekraftwerke, damit das Strom- und Versorgungsnetz stabil läuft. Das ist reine Physik", fügt Dr. Sauer, Abteilungsleiter für Technologie und Energie hinzu.

Zum Wirtschaftsministerium gehört auch der Bereich "Wissenschaft". Vielleicht sollte das Ministerium Forschung für innovative Energieerzeugung, - speicherung und -verteilung fördern. Auf diesem Gebiet ist leider nicht viel los. Begriffe wie CCS, die vielleicht denkbare CO2-Abtrennung und -Speicherung sind ebenfalls weitgehend unerforscht und in einem technisch brauchbaren Rahmen auf Jahre hinaus nicht in Sicht. Dieses Thema wurde vom Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr auch lieber gar nicht erst angeschnitten.

"Benennen Sie uns die Punkte, die Sie am meisten stören, die Ihnen am wichtigsten sind. Wir werden sie mit Ihnen diskutieren und wenn Ihre Argumente überzeugen, sind wir auch bereit, unsere Haltung zu revidieren", verlautete von den Vertretern des Wirtschaftsministeriums. Ein wichtiges Argument können die Sorgen der Landwirtschaft um Schadstoffbelastung und Herabminderung der Erzeugnisse bis zum Existenzverlust der Betriebe sein. Der Wirtschaftsminister zeigt Bereitschaft zum Dialog - den wird er bekommen, neben dem Widerstand gegen Kohlekraftwerke!

Carsten Döhler

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