(Gegenwind 247, April 2009)

Demo in Brunsbüttel am 14. Februar
Demo in Brunsbüttel am 14. Februar

Die BI Gesundheit und Klimaschutz Unterelbe

Nasse Füße

"Wir sind ja keine gewissenlosen Gesellen"

Auf der jährlichen Bürgerversammlung in Brunsbüttel im Dezember 2008, diesmal in der Förderschule, kam es zu einem Streitgespräch. Es ging sehr zur Sache wegen der vier Kohlkraftwerksblöcke, die die Politik gerne alle hätte. Argumentiert wird mit Arbeitsplätzen, Gewerbesteuer also Wohlstand für alle in Zukunft. Das Gegenargument ist die Gesundheit der benachbarten Bevölkerung, die 17 Mio. Tonnen CO2, Schwefeldioxid, Stickstoff, Quecksilber, Arsen, Blei, Cadmium, Nickel und vor allen Dingen gesundheitsgefährdende Stäube, PM10 und kleiner, die direkt in die Lunge eindringen. Zum Thema der letzte Satz des Bürgermeisters: "Wir (die Politik und entscheidende Genehmigungsbehörde) sind keine gewissenlosen Gesellen !"

Im Jahre 2008 sind in Deutschland einige Schlachten für/gegen Kohlekraftwerke geschlagen worden. Manche Planungen sind abgebrochen worden, manche haben sich mit Hilfe kapitalstärkerer Partner durchgesetzt. Die belgische Firma Electrabel-Suez ist inzwischen Juniorpartner geworden, heißt jetzt GDF-Suez und hatte schon die Grundsteinlegung für ein Kohlekraftwerk in Wilhelmshaven geschafft. Die SüdWestStrom wurde vom Partner Iberdrola getrennt und sucht nach neuem Kapital. Mitglieder der BiGKU sind schon bis in die Schweiz gereist, um dort darzustellen, wie der Strom an der Elbe produziert werden soll, nämlich, dass die bei der Kohleverbrennung entstehende Wärme direkt in die Elbe geleitet werden soll und somit die Hälfte des Brennstoffs Kohle.

"Gewissenlose Gesellen" hieß es nur noch. Das haben Akteure zum Motto gemacht und sind auf politische Entscheidungsträger zugegangen. Im kleinen Kreis, ohne Öffentlichkeit sind die Gespräche harmonisch verlaufen. Manche Unkenntnis wurde zugegeben, sogar von Herrn Marnette, Wirtschaftsminister in Schleswig-Holstein. Die Landes-SPD war da informierter.

Zur Zeit geht es um die ehemalige belgische Firma Electrabel, jetzt GDF-Suez, die spontan alle Anträge, die zur Bebauung in Brunsbüttel, zum Betrieb beim Staatlichen Umweltamt Itzehoe und zum Wasserrecht in Heide als erstes Kohlekraftwerk in Brunsbüttel einreichte und somit keine Rücksicht auf andere Kohlekraftwerksplanungen zu nehmen braucht. Der Bebauungsplan Nr. 55 nennt sich "nördlich des Elbehafens", er liegt ca. 350 Meter vom ersten Wohnhaus entfernt. Aber der Stadtteil Brunsbüttel-Süd "blutet aus". Eine Grundschule für 40 Kinder ist nach neuen Erkenntnissen vom Leistungsangebot nicht zu betreiben. Die Schüler müssen zur nächstgelegenen Grundschule transportiert werden. Das trifft sich gut, denn das Kohlekraftwerk wäre auch zu laut für eine Schule. Menschen im Mischgebiet müssen den unterschwelligen aber messbaren Lärm ertragen.

Worum geht es uns ?

Uns Mitgliedern der Bürgerinitiative Gesundheit und Klimaschutz Unterelbe (BiGKU) geht es nicht nur um die Gesundheit des Lebensraums, sondern wir befürchten, dass der Meeresspiegel steigt und die Bewohner unserer Elbmarsch als erstes nasse Füße bekommen. Bekannt ist, dass Gletscher in den Alpen seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges abschmelzen. Die Schiffs-Passagen am Nordpol sind im Sommer eisfrei. Und das Festlandeis am Südpol und das von Grönland bricht weg. Damit ist physikalisch Tatsache, das auf den Weltmeeren mehr Wasservolumen vorhanden ist und somit die Gezeitenunterschiede Ebbe und Flut größer werden. Hinzu kommen extreme Wetterbedingungen. Von Hurrikanen schreibt die Versicherung "Münchner Rück", vielleicht nur, um Produkt-Preiserhöhungen zu begründen. Die Versicherung sieht ansteigende Meeresspiegelereignisse in der Ostsee kommen. In Mikronesien im Pazifik werden jetzt schon Inseln aufgegeben, weil sie langsam versinken.

Nicht von der Hand zu weisen ist, dass kommunale politische Entscheidungsträger auch in Zukunft für eine funktionierende Volkswirtschaft zu sorgen haben. Es muss Einkommenserwerb durch Arbeit zur Verfügung stehen. Jeder Bürger, jede Bürgerin soll durch eigener Hände- oder auch gerne Kopf-Arbeit individuell und eigenständig leben. Aber wenn Arbeit in und durch Kohlekraftwerke krank macht, dann ist das nicht in Ordnung. Diese Entscheidung kann man nicht gewissenhaft treffen. Dazu hat sich kürzlich ein Brunsbütteler praktischer Arzt geäußert. Er vermutet, dass die Schiffsabgase in der Nähe der Schleusen für die überdurchschnittlich hohe Anzahl der Krebserkrankungen in einem kleinen Bereich verantwortlich sind.

Schon zu der Zeit, als die im Bundesgebiet erste Umweltverträglichkeitsuntersuchung zur Ansiedlung der Sonderabfallverbrennungsanlage (SAVA) erstellt wurde, hat man im Schleusenbereich überhöhte Dioxinwerte gefunden . Lt. Norddeutscher Rundschau (NR) vom 05.10.1992 "Im Amtsgarten des Wasser- und Schifffahrtsamtes (WSA) wurden 20 Nanogramm festgestellt". Es sei schwer, die genaue Herkunft zu bestimmen. Eines war für Dr. Christensen allerdings jetzt schon sicher: "Die Luft hat nicht zu den Dioxin-Belastungen geführt!" Und der CAU-Toxikologe am 17.02.1993 in der NR : "So ist die Feststellung, dass wenigstens der Lufteintrag der Dioxine schon einmal ausgeschlossen ist, laut Dr. Kruse, nur eine »Vor-Aussage«". Heute weist man Dioxin in der Luft nach.

Forderung der BiGKU ist es, nur mit regenerativen Mitteln ohne den Lebensraum nachhaltig zu schädigen, Arbeit zu schaffen.

Arbeit der Bürgerinitiative Gesundheit und Klimaschutz Unterelbe

Sehr viel Energie in Form von Gehirnschmalz und Kreativität geht von Brunsbüttel aus. Besser gesagt, von einem kleinen Ort in der Wilstermarsch, fünf Kilometer entfernt von der Stadtgrenze Brunsbüttel-Süd, wo sich die BiGKU vierzehntägig trifft. Wir sind kein Verein mit eigener Satzung und Geld-Beitrag, sondern ein eigenständiger Teil des BBU, Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V., um im Industriegebiet Brunsbüttel die vier Kohlekraftwerkesblöcke zu verhindern.

Mit Unterstützung der Klima-Allianz, aller großen Umweltverbände und auch Firmen, die in der Nachbarschaft in Erneuerbaren Energien und Nachhaltigkeit tätig sind, leisten wir uns Rechtsbeistand, machen Informationsveranstaltungen und Broschüren. Leider sind wir mit der Dienstleistung des Verteilens bei der letzten Broschüre betrogen worden. Die Aktion wird mit zuverlässigen Menschen erneut durchgeführt.

Dennoch, niemand kann sagen, nichts gewusst zu haben, denn die Veranstaltungen wurden in der Presse gut angekündigt und dargestellt, zum Beispiel mit Prof. Homeyer vom IPCC - Nobelpreisträger, Dr. Baake von der Umwelthilfe, der Kohlosaurier von CAMPACT. Die Klima-Allianz hilft uns, weil es nicht nur um Brunsbüttel geht, sondern um das Weltklima.

Am Sonnabend, dem 14. Februar 09 sind ca. 700 Menschen zu uns nach Brunsbüttel gekommen, um ein Zeichen gegen die geplanten Kohlekraftwerksblöcke zu setzen. Knapp 50 Landwirte fuhren mit ihren Traktoren auf der Demo mit, weil sie in der Windrichtung der geplanten Kohlekraftwerksschornsteine auch weiterhin gesunde Lebensmittel produzieren wollen.

Für die Rednerliste konnten wir Bärbel Höhn gewinnen, einen Vertreter vom BBU, den Juso-Chef Fait Strakerjahn, Hans Jörg Lüth vom BUND Schleswig-Holstein, der Klima-Allianz sowie Mitglieder der BiGKU und Musikgruppen.

Am Montag, den 26. Januar 2009 haben wir 1500 gesammelte Unterschriften unter Sammeleinwendungen dem Stadtbauamt Brunsbüttel übergeben. Ca. 100 Einzeleinwendungen, zum Teil sehr umfangreich, sind ebenfalls eingegangen. Diese werden nach einer Abwägung vielleicht in den Bebauungsplan aufgenommen. In einem Presseartikel versprach der Bürgermeister, sorgfältig mit den Einwendungen umzugehen. Daraufhin wurde in der Ratsversammlung der Entscheidungstermin Bebauungsplan schon verschoben. Wir hoffen sehr, dass die Ratsmitglieder nicht vordergründig an Kapital und Stromverkauf denken mit einigen wenigen Arbeitsplätzen, sondern gewissenhaft an den Erhalt gesunder Lebensgrundlagen. Die Einwendungen an die Genehmigungsbehörden Staatliches Umweltamt/Itzehoe mit 1750 Sammeleinwendungsunterschriften und zum Wasserrecht beim Kreis Dithmarschen in Heide mit 1870 Unterschriften, wurden am 16. Februar übergeben.

Anke Dreckmann

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