(Gegenwind 249, Juni 2009)

Neues Kapital für die HSH Nordbank

Gehört die HSH-Nordbank dem Land oder das Land der Bank?

In der März-Sitzung des Landtages wurde die größte finanzielle Entscheidung getroffen, die das Parlament je getroffen hat. Die Bank bekommt von Hamburg und Schleswig-Holstein insgesamt eine weitere Kapitalaufstockung von 3 Mrd. Euro und eine zusätzlich Garantie über 10 Mrd. Euro.

Angesichts der Vorgänge um diese Entscheidung kann man sich nur fragen: Wer regiert hier eigentlich? Hat diese Regierung noch etwas zu sagen - oder diktiert mittlerweile der Bankvorstand, was SPD und CDU im Parlament zu beschließen haben?

Angesichts dieser Entwicklung haben sich alle drei Oppositionsparteien entschieden, einen Untersuchungsausschuss einzurichten, der die Entscheidungsverläufe um die Bank aufarbeiten soll.

Im Folgenden sollen die Hintergründe dieser historischen Parlamentsentscheidung dargestellt werden. Folgende Punkte waren dabei entscheidend:

  1. Gab es eine Alternative dazu, dass die Kapitalaufstockung und die Garantien allein von Hamburg und Schleswig-Holstein getragen werden?
  2. Entspricht das vorliegende Gesetz mit dem vorliegenden Geschäftsmodell und dem vorliegenden Staatsvertrag den Interessen des Landes?
  3. Gab es einen Entscheidungszwang, weil sonst die Bank in Konkurs gegangen wäre?
  4. Trauen wir den handelnden Personen zu, den nötigen Reformprozess der Bank im Interesse des Landes zu steuern?

1. Gab es eine Alternative?

Ja - es spricht alles dafür, dass es eine Alternative gab.

Der Ex-Wirtschaftsminister Marnette hatte ausdrücklich bestätigt, dass er in Kenntnis sei, dass die SoFFin (der Sonderfonds der Bundesregierung) für die Rekapitalisierung der Bank früher ins Boot hätte geholt werden können. Dies geht auch aus einem Brief des Bundesfinanzministers Steinbrück an den Finanzausschuss Schleswig-Holstein hervor: "Die Landesregierung hatte vor diesem Hintergrund prinzipiell zwei Möglichkeiten: Erstens ... eine Rekapitalisierung über den SoFFin ... Die Landesregierung hat sich seinerzeit gegen diesen Weg entschieden. Statt dessen hat sich die Landesregierung für die zweite Möglichkeit einer Unterstützung über Garantien ... entschieden."

Wenn Finanzminister Wiegard angesichts dieser Aussage behauptete, sie sei "sybillinisch" und "missverständlich" - dann kann man nur sagen: Die Aussage von Minister Steinbrück ist glasklar. Das Land hatte andere Möglichkeiten. Es ist der Minister Wiegard, der seit Monaten versucht, das Parlament mit sybillinischen Äußerungen an der Nase herum zu führen.

2. Entspricht das Geschäftsmodell den Interessen des Landes?

Ist das vorliegende Geschäftsmodell das beste Modell für das Land und gibt es dafür eine Alternative?

Minister Wiegard und der Bankvorstand haben immer wieder gesagt, dass die Bank das für sie beste Modell ausgewählt hat. Also sei es auch gut für das Land.

Genau das ist aber ein Trugschluss.

Denn wenn das Land für Kredite der HSH Garantien abgibt, dann ist es geradezu in höchstem Interesse der HSH, dass diese Garantien auch gezogen werden. Um so eher ist nämlich die Bank entlastet und umso besser steht sie hinterher da.

Das Land und die Steuerzahler sind aber die Angeschmierten. Denn das Geld der Steuerzahler ist dann weg.

Genau das haben auch die Gutachter der beiden Regierungsfraktionen von Saal-Oppenheim aufgeschrieben: "Grundsätzlich werden sich in verschiedenen Konstellationen Interessenkonflikte zwischen der HSH Nordbank AG und dem Garanten ergeben."

Und weiter: "Sollte (ein Kredit) über die Garantie abgesichert sein, könnte es aus Sicht der Bank unter Umständen ökonomisch sinnvoller sein, die Garantie in Anspruch zu nehmen, während der Garant (also das Land) den späteren erhöhten Erlös wählen würde."

Das heißt: Solange nicht klar ist, was eigentlich genau abgesichert werden soll, solange läuft das Land Gefahr, Milliarden in die Bank zu pumpen und hinterher wie der Dumme dazustehen. So einem Vertrag hätte das Parlament niemals zustimmen dürfen!

3. Gab es für das Parlament einen Entscheidungszwang?

Grundsätzlich ja: Es war ganz klar, dass eine systemrelevante Bank wie die HSH-Nordbank auf keinen Fall in Konkurs gehen darf. Dann würden alle Landesbanken ihre Glaubwürdigkeit und damit ihr Rating verlieren und wären auf einen Schlag bankrott. Der Folgeschaden für die deutsche Wirtschaft wäre unabsehbar.

Aber gerade deswegen wäre es möglich gewesen, die Entscheidung um drei Wochen zu vertagen, um durch unabhängige Externe eine neue Vorlage erarbeiten zu lassen, wie die grüne Fraktion es vorgeschlagen hat.

Herr Sanio von der Bankenaufsicht hat zwar auf eine Frage im Finanzausschuss gesagt, dass eine zeitnahe Entscheidung erforderlich ist. Er hat dafür aber keinen Termin gesetzt und Verständnis dafür geäußert, dass eine gründliche Beratung im Parlament erfolgt.

Deswegen hätten wir sehr gut den Vertrag gründlich überarbeiten und dann im April entscheiden können.

Für die Überarbeitung des Vertrages haben wir Folgendes gefordert:

  1. Das Geschäftsmodell soll darauf ausgerichtet sein, dass zum schnellstmöglichen Zeitpunkt eine Bereitstellung von Kapital durch den SOFFin (Bundesfonds) möglich wird.
  2. Das Geschäftsmodell soll auf einen schnellst möglichen Ausstieg des Landes optimiert werden.
  3. Im Staatsvertrag soll sichergestellt werden, dass das Risikomanagement der Bank so verbessert wird, dass Geschäfte mit erheblichem Verlustpotential künftig vermieden werden.

Außerdem wollen wir einen weiteren Fehler beheben, der bei der Gründung der HSH damals gemacht wurde:

  1. Es soll endlich ein verbindlicher Verhaltenskodex - ein Corporate Government Codex - für die HSH festgelegt werden - auf einem Standard, wie er in anderen international tätigen Firmen längst üblich ist. Dazu gehören ethische Kriterien für Geschäfte der Bank in Hinblick auf ökologische und soziale Standards ebenso wie klare Aussagen zu den Themen Korruption und Steuerumgehung. Was Bertelsmann und Daimler-Benz können, das sollte für ein Unternehmen, das sich überwiegend in Staatshand befindet, auch möglich sein.
  2. Wir fordern ebenfalls die Begrenzung der Vergütung von Aufsichtsrat, Vorstand und leitenden Mitarbeitern festzuschreiben. Dazu gehört auch, dass Aufsichtsräte und Vorstand rückwirkend an Verlusten teilweise beteiligt werden und sich nicht dagegen versichern dürfen.

Nicht akzeptabel ist es auch, wenn der neue Wirtschaftsminister Biel erklärt, er wolle mit all dem allen nichts zu tun haben. Wir erwarten, dass der Wirtschaftsminister Stellungnahmen vorlegt, wie plausibel die Prognosen zu den kritischen Geschäfts-feldern Schiffsfinanzierung, Immobilien und Transport sind und wie sich das neue Geschäftsmodells auf die regionale Wirtschaft auswirkt.

4. Trauen wir den handelnden Personen?

Kann man den handelnden Personen noch zutrauen, den nötigen Reformprozess der Bank im Interesse des Landes zu steuern?

In den letzten Monaten ist gegenüber dem Parlament immer wieder getrickst und mit Falschaussagen gearbeitet worden. Falsche Gewinnerwartungen wurden verbreitet - die sich im Nachherein als Milliardenverluste herausstellten.

Falsche Aussagen wurden verbreitet, dass die Dividendenausschüttungen EU-konform seien.

Ja es wurden sogar rückwirkend Verträge geändert, um Geschäftspartnern 64 Mio. EURO Sonderdividenden zukommen zu lassen - und das obwohl bekannt war, dass das in Bayern bereits untersagt worden war.

Es wurden Sonderprüfungen versprochen, die nach Aktenlage zwar geplant, aber explizit nicht durchgeführt wurden.

Dem Parlament wurde monatelang vorgemacht, es hätte nie eine Alternative zur Bereitstellung einer Landesbürgschaft bestanden.

Nach all dem ist das Vertrauen in die handelnden Personen erschöpft. Ein Finanzminister, der seit mindestens Ende 2007 das Parlament systematisch belogen hat, muss zurücktreten.

Und der Ministerpräsident?

Einer der Ex-Wirtschaftsminister - und zwar nicht der gerade zurückgetretene Marnette, sondern sein Vorgänger Austermann (ebenfalls CDU) - sagte vor zwei Wochen: "Wenn Entscheidungen immer direkt von einem Einzelnen getroffen werden und die anderen keine Rolle spielen, fragt sich so mancher Minister: Was soll ich hier über-haupt noch?"

So redet ein CDU-Ex-Minister über den Ministerpräsidenten Carstensen! Und er hat recht!

Einsame Entscheidungen im Staatskanzlei-Bunker ohne jede Rückkopplung und Ignorieren von Sachverstand sind keine Grundlage für verantwortungsvolle Entscheidungen.

Während unser Land sich in der größten Krise seiner Geschichte befindet, und der Landtag über Milliarden Hilfen an die marode Bank entscheiden muss, zerfleischt sich die Partei des Ministerpräsidenten in einem öffentlichen Personalkrieg - und der Ministerpräsident hält sich vornehm zurück und tanzt nach der Pfeife des Bankvorstandes.

Dieser Ministerpräsident ist untragbar für Schleswig-Holstein geworden!

Karl-Martin Hentschel

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