(Gegenwind 254, November 2009)

Antimilitaristin hat sich am Gleis vor einen Militärtransport festgekettet

Husum am 1. Dezember:

Prozess gegen Antimilitaristin

Februar 2008: Auf dem selten genutzten Bahngleis zum Munitionsdepot Wester-Ohrstedt, in dem das Material für die euphemistisch "Auslandseinsätze" genannten Kriegsmissionen der Husumer Bundeswehr-Truppen lagert, bewegt sich ein Zug. Er verlässt die Kaserne durch ein Tor und fährt durch die Landschaft. Doch in der nahen Ortschaft Ohrstedt-Bahnhof muss der Zug anhalten. Ein Arbeiter springt vom Zug, um eine Weiche umzustellen. Überrascht greift er zum Telefon: "Ja, ich stehe hier in Ohrstedt. Und soll hier einen Militärtransport auf die Strecke holen und jetzt hat sich hier eine Gruppe zusammengefunden, und eine hat sich festgekettet!"

Hanna Poddig ist keine typische Aktivistin. Keine schwarzen Kapuzenpullover, keine Scheu vor der Öffentlichkeit. Statt dessen offene lockige Haare, und ein freundliches Lachen. Wenn man sie trifft, würde man sie überall einordnen, aber nicht an ein Gleis vor einen Militärtransport. "Warum nicht? Auch 1,57 reichen für große Proteste!" Die 23jährige machte schon Aktionen in Schottland und Finnland und ist ständig in ganz Deutschland unterwegs. Ob ihr Nordfriesland da nicht ein bisschen zu unbedeutend sei? "Nein!" ist ihre Antwort. "Die Militäreinheiten hier sind überhaupt nicht unbedeutend. An allen Auslandseinsätzen der Bundeswehr sind Husumer Truppen beteiligt. Genau hier kann man die aggressive Außenpolitik der Eliten der Bundesrepublik empfindlich treffen!"

Das soll Hanna nun zum Verhängnis werden. Das Amtsgericht Husum hat Hanna wegen Nötigung und Störung öffentlicher Betriebe angeklagt. Die Verhandlung gegen sie findet am 1. Dezember am Amtsgericht Husum statt. Hanna sagt zu den Vorwürfen: "Ich werde nicht wegen meines Protestes gegen die Bundeswehr angeklagt, sondern für abstrakte Straftatbestände." Damit solle ihr Handeln entpolitisiert und von ihrer Kritik an der Existenz gewalttätiger Herrschaftsapparate wie der Bundeswehr abgelenkt werden. "Justiz ist eben nicht neutral, sondern dazu da, die bestehenden Herrschaftsverhältnisse zu schützen. Und das ist in diesem Fall die Beteiligung der Bundeswehr an Kriegen wie in Afghanistan."

Malte Jensen, Sprecher des HusumA-Solifonds, einer Organisierung, die Menschen unterstützt, die aufgrund ihres politischen Engagements von Repression betroffen sind, sagte: "Das ist in Husum nichts neues. Polizei, Justiz und Armee arbeiten ständig zusammen, wenn es darum geht, Kritik zu unterbinden. Beim Zapfenstreich am 15.9.2009 auf dem Marktplatz verboten Militärpolizisten selbst das Verteilen von Flugblättern, und vertrieben Menschen, die sich in Gesprächen kritisch zu dem Spektakel äußerten. Deshalb wundert es mich nicht, dass auch das Amtsgericht alles tut, um die Armee vor Kritik zu schützen."

Im Februar 2008 war in Nordfriesland ein Schienentransport der Flugabwehrraketengruppe 26 aus Husum mit einer Ankettaktion blockiert worden. Der Transport befand sich auf dem Weg zu einem Manöver der NATO-Response-Force, der die Flugabwehrraketengruppe im zweiten Halbjahr 2008 unterstand. Die Aktion konnte erst nach mehreren Stunden beendet werden. Mit der Aktion protestierten die AktivistInnen für die Auflösung der Bundeswehr. "Aufgabe der Nato-Response-Force ist u.a. die "Offenhaltung des Zuganges zu Märkten und Rohstoffen", erklärt Hanna. "Wenn nun die Menschen eines Landes auf die Idee kommen, dass sie zu den ungerechten Bedingungen des neoliberalen Weltmarktes ihre Rohstoffe nicht mehr zur Verfügung stellen wollen, dann können die Husumer Einheiten in der Nato-Response-Force dazu eingesetzt werden, diesen Zugang zu erzwingen. Und wie soll diese "Wiederherstellung des Zuganges" anders aussehen als Krieg?"

Ob sie keine Angst vor den Folgen habe, wird Hanna oft gefragt. "Ich hoffe, dass viele Menschen mich und die drei weiteren Verfolgten bei den Prozessen unterstützen. Ich hoffe, dass die Prozess die Diskussion um die Auslandseinsätze beflügeln, und das noch mehr Menschen überall Aktionen machen." Aber Hanna denkt auch an andere: "Mir droht nur eine Geldstrafe. Andere, die gegen die Bundeswehr agieren, sind da ganz anders betroffen. Zwei Nato-Gegner aus Rostock schimmeln gerade im Knast von Straßburg vor sich hin, weil sie sich an den Protesten gegen das Nato-Treffen im April beteiligt haben. Und auch Totalverweigerer wie Hannes Weidmann und Jan-Patrick aus Flensburg droht Gefängnis!"

Hauke Thoroe

Solikonto: Inhaber: Hauke Thoroe, Kto: 111026274, BLZ 217 500 00, Betreff: Gleisblockade
Mehr Infos: www.militarismus-jetzt-stoppen.de.vu
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