(Gegenwind 254, November 2009)

Wie das Staatsschiff durch einen Lastenausgleich wieder flott gemacht werden kann!

Die einzige erfolgreiche sozialistische Revolution in Deutschland fand nicht 1918 statt - sondern 1948 bis 1953. Sie bestand aus der Währungsreform von 1948 und wurde dann mit den Lastenausgleichsgesetzen durch eine CDU-geführte Bundesregierung abgeschlossen. Ergebnis war die Entschuldung des Staates nach dem 2. Weltkrieg und eine erhebliche Umverteilung von Vermögen. So wurde die Grundlage für das beispiellose Wirtschaftswunder der 50-er Jahre gelegt - ganz im Gegensatz zur lähmenden Stagnation nach dem 1. Weltkrieg.

Schulden der öffentlichen Haushalte in Deutschland 2008

Bund 957,6 Mrd. €
Länder 481,7 Mrd. €
Kommunen 78,5 Mrd. €
Gesamt Ende 2008 1.517,6 Mrd. €
Schätzung Ende 2009 * 1.655,0 Mrd. €
Schätzung Ende 2013 ** ca. 2.000 Mrd. €
Quelle: Focus-online 22.2.2009
*  Schätzung vom Bund der Steuerzahler 23.6.2009
** Schätzung nach Focus-online 8.7.2009

Ausgaben der öffentlichen Haushalte in Deutschland 2008

Bund 316,6 Mrd. €
Sozialversicherungen 477,4 Mrd. €
Länder 277,7 Mrd. €
Kommunen 167,3 Mrd. €
Sonstige ?
Gesamt* 1 053,2 Mrd. €
Quelle: Statistisches Bundesamt (www.destatis.de 26.8.2009)
* ohne Zahlungen zwischen den öffentlichen Haushalten

Heute ist Deutschland mit 1,6 Bio. € erneut hoch verschuldet. Bis 2013 wird die Verschuldung der öffentlichen Haushalte auf die gigantische Summe von 2 Bio. € angewachsen sein. Während sich das Nettovermögen der privaten Haushalte seit der Wende 1990 verdoppelt hat, haben sich die öffentlichen Schulden verdreifacht. Heute gehen bereits 17% der Steuereinnahmen des Bundes nur für die Zinsen für Schulden der Vergangenheit drauf.

Angesichts dieser Zahlen müssen die Phantasien der FDP und CSU von Steuersenkungen in Milliardenhöhe an der Realität zerschellen. Gerade erst wurde mit der sogenannten Schuldenbremse ein Neuverschuldungsverbot in die Verfassung aufgenommen. Wenn dann in einer Phase drastisch wachsender Neuverschuldung Steuersenkungen in Höhe von mehr als 30 Mrd. € versprochen werden, dann beweist das nur, dass Ideologien immer noch den nüchternen Blick auf die Realität vernebeln. Allein die Vorgaben der EU werden schon zu Milliarden Einsparungen zwingen. Weitere Einschnitte ins soziale Netz sind programmiert.

Und in den Ländern und Kommunen sind große Einsparungen kaum ohne Stellenstreichungen bei Bildung, Kinderbetreuung, Polizei und Justiz denkbar - denn diese Bereiche umfassen 80% aller Stellen der Länderhaushalte. Weit über die Hälfte der Länderhaushalte sind sowieso festgezurrt. So können z. B. Zinszahlungen, Beamtenpensionen, Zuweisungen an die Kommunen, bundesgesetzlich festgelegte Sozialausgaben und zweckgebundene Zuweisungen des Bundes oder der EU, z. B. für Landwirtschaft, Regionalentwicklung oder Regionalbahnverkehr, in der Höhe von den Ländern kaum beeinflusst werden.

Unsere Demokratie steht jetzt vor einer Nagelprobe. Die Konzentration von Armut und Vermögen nimmt ständig zu. Die Demokratie gerät bei Teilen der Bevölkerung in Misskredit. Zugleich stehen wir vor gewaltigen Aufgaben: Die Ausgaben für Bildung und Betreuung dürfen nicht gekürzt, sondern müssen im Gegenteil um mehr als 30% gesteigert werden. Der Klimawandel erfordert den Umbau ganzer Wirtschaftszweige. Der demografische Wandel stellt gewaltige Ansprüche an das Pflege- und Gesundheitswesen. Und der Staat ist aufgrund seiner Schuldenlast auf Jahre hinaus handlungsunfähig.

Deshalb steht jede Regierung heute vor der Frage: Gelingt es den Staat zu entschulden, damit er die Zukunftsaufgaben finanzieren kann? Gelingt es das Anwachsen von Armut und Reichtum zu stoppen und wieder mehr Gerechtigkeit zu schaffen? Davon wird es abhängen, ob die Menschen Demokratie und soziale Marktwirtschaft als ihre Gesellschaftsordnung akzeptieren oder nicht.

Vergleich von Eckdaten
Dänemark und Deutschland

  DK D
  1994 2008 1994 2008
Arbeitslosigkeit (%) 12,3 2,9 11,4 7,1
Staatsschulden (%) 80 26 49 63
Steuer- und Abgabenquotequote (%) 50 49 37 35
BIP pro Kopf ($) 20 990 38 900 19 760 35 442
Bildungsausgaben (% vom BIP) 8,3 8,5 4,7 5,1
Quellen: Wikipedia: Dänemark, Deutschland, Wirtschaft von Dänemark (englisch), Europa-Infoshop - die Angaben schwanken nach Berechnungsmethode - ggf. gemittelt

Das alles sind große Herausforderungen. Sie können bewältigt werden. Unsere Nachbarn im Norden machen es vor. In Dänemark sank die Arbeitslosigkeit von 12,3 % im Jahr 1994 auf das Rekordtief von 1,6% im Sommer 2008 und liegt jetzt bei 3,2 %. Die Staatsschulden sanken im gleichen Zeitraum von 80,1 % des BIP auf 26%. Es geht also. Aber dafür braucht man einen handlungsfähigen Staat. Nicht zufällig ist Dänemark nicht nur eines der wohlhabendsten Länder der Welt, sondern auch das mit den höchsten Steuern.

Um dahin zu kommen, helfen uns keine Ideologien über Steuersenkungen. Wir brauchen eine gemeinsame nationale Anstrengung. Deswegen wird es Zeit, einen Vorschlag aufzugreifen, der schon 1992 intensiv diskutiert wurde: Eine Vermögensabgabe nach dem Vorbild des Lastenausgleichs, durch die das Schiff "Deutschland" wieder flott gemacht wird.

Diese Idee ist nicht neu. Sie wurde 1992 nach der Herstellung der deutschen Einheit intensiv diskutiert. Hauptbefürworter waren damals der Bundespräsident Richard von Weizsäcker, die GRÜNEN, der Arbeitsminister Norbert Blüm, die stellvertretende CDU-Vorsitzende Angela Merkel und die SPD-Finanzexpertin Ingrid Matthäus-Maier. Aber die Gegner um Finanzminister Theo Waigel und FDP-Parteivorsitzenden Otto Graf Lambsdorff setzten sich durch. Die Folge war, dass die deutsche Einheit überwiegend auf Pump finanziert wurde. Nicht zufällig liegt der aufsummierte West-Ost-Transfers seit 1990 mit ca. 1,5 Billionen € in der gleichen Größenordnung, wie die Schulden aller öffentlichen Haushalte. Ohne die Vereinigung wäre Deutschland also schuldenfrei.

Die Wahrheit ist aber etwas komplizierter. Denn den größten Beitrag zur Finanzierung des Transfers mussten die Sozialversicherungen leisten. Dadurch wuchsen die Beiträge für die Sozialversicherungen - und damit wurden wesentliche Kosten der Einheit auf die sozialversicherungspflichtigen ArteitnehmerInnen mit unteren und mittleren Einkommen abgewälzt. Die so wachsenden Lohnnebenkosten belasteten dazu noch den arbeitsintensiven Mittelstand besonders und trugen dazu bei, dass die Arbeitslosenzahlen noch mehr in die Höhe gingen.

Und worum ging es Weizsäcker? Er wollte ein neues Wirtschaftswunder initiieren - indem er auf die Initiative der Menschen setzen wollte. Er wollte die Einheit gerecht finanzieren. Und er wollte dazu keine neuen Schulden machen. Es ging den Initiatoren aber auch darum, dass die Kosten der Einheit solidarisch von denen getragen werden, die sie tragen können - und die voraussichtlich auch den Nutzen davon haben. Denn wenn ein Staat nicht mehr die Zukunftsaufgaben finanzieren kann, dann leiden alle darunter. Insbesondere die Wirtschaft braucht eine gute Infrastruktur, gut ausgebildete Menschen und auch eine leistungsfähige Justiz und Polizei, die den Rechtsstaat gewährleisten.

Heute stellt sich das Problem noch klarer: Wenn der Staat nicht mehr in der Lage ist, die Zukunftsaufgaben zu finanzieren, dann sägen wir an dem Ast, auf dem wir alle sitzen - und das gilt auch und gerade für die Wirtschaft!

Und dass die Kritiker wie Weizsäcker Recht hatten und dass in den vergangenen Jahren seit der Vereinigung die Weichen falsch gestellt wurden, dass lässt sich an der Vermögensentwicklung seit 1990 sehr gut ablesen. Allein das Reinvermögen der privaten Haushalte nach Abzug der Schulden hat sich seit 1990 von ca. 4 auf 8 Bio. € verdoppelt. Selbst im Krisenjahr 2008 und der ersten Jahreshälfte 2009 ist das private Reinvermögen - wenn auch etwas gedämpft durch die Wertpapierverluste - weiter gewachsen. In der gleichen Zeit haben sich die Schulden des Staates von 536 Mrd. € auf 1,6 Bio. € verdreifacht.

Es stellen sich also mehrere Fragen: Ist eine Entschuldung überhaupt möglich? Wie könnte eine solche Entschuldung aussehen? Wieso wird in der Diskussion auf den Lastenausgleich von 1952 Bezug genommen? Was geschah eigentlich 1948 und 1952?

Um diese Fragen zu beantworten, beginne ich mit der letzten Frage: Mit der Währungsreform von 1948 wurden alle Geldvermögen um bis zu 90% entwertet und der Staat von den Kriegslasten befreit. Mit dem Lastenausgleich wurden dann alle sonstigen Vermögen mit einer Lastenausgleichabgabe in Höhe von 50% belegt. Stichtag war rückwirkend der Tag der Währungsreform, der 21. Juni 1948. Die Abgabe musste innerhalb von 30 Jahren bezahlt werden - also bis 1979. Der kleinere Teil (28,6 Mrd. DM) wurde zur Entschädigung von Vermögensverlusten durch Vertreibung oder Ausbomben eingesetzt, der größere Teil (138,6 Mrd. DM) ging in Rentenentschädigung, vergünstigte Darlehen und den Bau von Altersheimen, Lehrlingsheimen usw.

Die Belasteten hatten allerdings 30 Jahre Zeit die eingetragene Schuld an den Staat zu begleichen. Wachsender Wohlstand und die Inflationsrate trugen dazu bei, dass die Belastung am Schluss viel geringer war, als sie ursprünglich angesetzt wurde. Trotzdem geht man heute davon aus, dass die fast vollständige Entschuldung des Staates, die gerechte Umverteilung und die Abschöpfung der Kaufkraft dazu beitrugen, dass es zu dem erstaunlichen Boom der 50-er Jahre in Deutschland kam.

Für den Vorschlag von Weizsäcker dient deshalb der Lastenausgleich von 1952 als Vorbild. Wie könnte heute ein solches Vorhaben aussehen? Wollte man die gesamte Schuldenlast der öffentlichen Haushalte tilgen, dann müsste eine Sonderabgabe von 1,6 Bio. € erhoben werden. Das klingt ungeheuer viel. Verglichen mit 1952 wäre das aber "nur" eine Belastung der Vermögen von ca. 16%. Die Abgabe würde aber nicht sofort erhoben werden, sondern könnte in einem Zeitraum von 30 Jahren getilgt werden. Wenn während dieser Zeit die jeweils noch zu erbringende Restschuld mit 4% verzinst wird, dann ergibt sich für Tilgung und Zins eine jährliche Anfangsbelastung von gerade mal 0,9% - die mit der Inflationsrate jährlich geringer wird. Es ist also machbar.

Die wichtigsten Argumente der Gegner waren denn 1992 auch nicht die Belastung der Eigentümer, sondern die Drohung mit der Steuerflucht. Aber gerade der Vorschlag einer Sonderabgabe vermeidet diese Gefahr. Wenn die Abgabe am Vermögenswert zu einem Zeitpunkt in der Vergangenheit ansetzt, ist Kapitalflucht sinnlos. Angesichts eines Zeitraumes von 40 Jahren, in dem eine Steuerhinterziehung entdeckt und verfolgt werden kann, ist die Entdeckungsgefahr so groß, dass Steuerhinterziehung sehr unattraktiv wird.

Vermögen (Mrd. €)

Quelle: Deutsche Bundesbank Monatsbericht 2008
  1991 2005
Privates Sachvermögen 3 022 4 857
davon Anlagegüter 2 243 3 391
davon Bauland 779 1 466
Geldvermögen *) 2 014 4 305
- Schulden (überwiegend Hypotheken) - 828 - 1 569
Privates Reinvermögen 4 208 7 594
Schätzung für 2009 über 8.000
Reinvermögen von Firmen **) 1 163 1 646
Gesamt 5 371 9 240
*) Bargeld, Konten, Forderungen und Wertpapiere
**) nach Abzug von Anteilsrechten und Fremdkapital, da diese beiden Positionen bereits im privaten Geldvermögen enthalten sind

Die Sonderabgabe sollte so gestaltet werden, dass alle Vermögen zum Zeitwert veranlagt werden. Die Vermögen natürlicher deutscher Personen sollten grundsätzlich der Abgabe unterliegen, egal wo das Geld oder die Wertanlage sich befindet. Von Firmenvermögen sollte nur das Reinvermögen nach Abzug des Wertes der Anteilsrechte und des Fremdkapitals abgabepflichtig sein. So wird eine Doppelesteuerung vermieden. Das hat zur Konsequenz, dass Anteilsrechte und Fremdkapital von Ausländern nicht besteuert werden, wohl aber Auslandsanlagen von Deutschen.

Ein anderes Argument ist die Behauptung, es gäbe keine Datengrundlage für eine Vermögensabgabe. Das ist aber nur noch begrenzt richtig. Die deutsche Bundsbank hat nämlich 2007 zum ersten Mal eine Statistik aller Vermögen und Schulden von Privaten, Firmen, Finanzinstituten und öffentlichen Haushalten erstellt. Die Grundlage dafür sind Datenanforderungen der OECD, die mittlerweile international vereinbart wurden und weiter fortentwickelt werden. Diese Regeln könnten also sehr gut als Grundlage für eine Feststellung der Vermögen zum Zeitwert genutzt werden.

Ein politisch wichtigerer Gesichtspunkt ist die Tatsache, dass heute anders als 1952 große Teile der Mittelschichten Wohneigentum besitzen. 53% der Bevölkerung wohnen in einem eigenen Haus oder einer eigenen Wohnung. Sie alle würden natürlich der Besteuerung unterliegen. Damit wäre auch der Widerstand gegen eine solche Abgabe viel größer. Gerade die Menschen, denen nur ein Teil ihres Hauses gehört, den sie mühsam abgezahlt haben, werden nicht einsehen, dass sie für die Folgen der Finanzmarktkrise und der deutschen Einheit bezahlen sollen. Das ist allerdings ein gewichtiges Argument, wenn es darum geht, politische Mehrheiten zu überzeugen. Es spricht deswegen vieles dafür, dass die Abgabe nicht linear, sondern progressiv erhoben wird: Das macht angesichts des Auseinanderklaffens von Reichtum und Armut in der Republik auch verteilungspolitisch Sinn. Denn mittlerweile besitzen 10% der Bürger über 60% des privaten Reinvermögens, während die Hälfte der Bevölkerung praktisch keinen Besitz hat oder sogar verschuldet ist. Nur wenn die Menschen das Gefühl bekommen, dass es gerecht zu geht, wird sich eine Mehrheit für eine solche Maßnahme gewinnen lassen.

Vermögensverteilung von 2002 bis 2007

Die Abgabe sollte deshalb progressiv gestaffelt werden: Dazu könnten zum Beispiel Vermögen bis 20T € abgabenfrei bleiben. Größere Vermögen unterliegen dann einem progressiven Abgabensatz der von 5% bis 25% schrittweise wächst. Der höchste Steuersatz würde dann für Vermögen ab 1 Million € gelten. Auch bei einem solchen Modell läge die Belastung selbst für die großen Vermögen weit unterhalb des Lastenausgleichs von 1952. Damit die Abgabe breit akzeptiert wird, sollte sie unmittelbar mit Maßnahmen wie die Verbesserung der Kinderbetreuung und der Schulen, mit der Abschaffung der Studiengebühren und der Einführung von Stipendien verbunden werden. Also mit Maßnahmen, die sowieso erforderlich sind, aber nun endlich auch finanzierbar werden. Wenn dann noch ein Plan beschlossen wird, die Sozialabgaben schrittweise zu senken, dann wäre schon eher eine Akzeptanz erreichbar.

Man kann natürlich fragen, warum dann nicht gleich eine entsprechend hohe Vermögenssteuer eingeführt wird. In der Tat halte ich eine Vermögensbesteuerung, wie sie international üblich ist, für notwendig und sinnvoll. Nicht nur die Skandinavier, auch die ansonsten liberalen angelsächsischen Länder haben bekanntlich die höchsten Vermögenssteuern. Auch die OECD hat Deutschland empfohlen, eine Vermögensbesteuerung wieder einzuführen und dafür die Lohnnebenkosten zu senken. Aber die Einführung einer Vermögenssteuer stößt bekanntlich auf eine Vielzahl von Problemen, die sich nur schrittweise lösen lassen. Zumindest würde sie die Gefahr beinhalten, unerwünschte Reaktionen der Kapitalbesitzer auszulösen. Umgekehrt aber wird ein Schuh draus. Eine einmalige Vermögensabgabe kann eine solide Grundlage für eine Bewertung und Erfassung aller Vermögen schaffen. Zu einem späteren Zeitpunkt könnte dann eine Vermögensbesteuerung eingeführt werden, die parallel zum Ablaufen der Abzahlung der Abgabe einsetzt. Die jeweilige Höhe der Besteuerung sollte dann flexibel so gestaltet werden, dass das weitere Auseinanderdriften von Armut und Reichtum in der Gesellschaft in Zukunft vermieden wird.

Es gibt aber noch ein entscheidendes politisches Argument für eine einmalige Vermögensabgabe. Auch wenn diese erst im Laufe von 30 Jahren fällig wird und zunächst nur Zinsen anfallen, dann ist rechtlich damit der Staat mit einem Schlag schuldenfrei. Damit könnte die neue Schuldenbremse, die in der Verfassung verankert worden ist, unmittelbar in Kraft treten und eine erneute Verschuldung verhindert werden. Es gibt dann für die Politik keine Ausreden mehr.

Natürlich ist die Entschuldung des Staates nur ein erster Schritt. Wer die Schuldenbremse macht es dann auch Sinn, die Finanzverfassung des Staates insgesamt zu überprüfen. Dazu gehören Projekte wie die weitgehende Verlagerung von Aufgaben und Finanzierung auf die Kommunen, wie das in Skandinavien Praxis ist. Dann brauchen die Kommunen und Länder natürlich auch das Steuerheberecht. Und die Bürger können dann jeweils vor Ort entscheiden, was ihnen die Leistungen der Kommune Wert sind und ob sie bereit sind, mehr Steuern zu bezahlen, um eine Schule, ein Krankenhaus usw. zu bauen oder die ÖPNV auszuweiten, um nur drei Beispiele zu nennen.

Eine weitgehende Entschuldung des Staates durch eine Vermögensabgabe ist aber für all das die Vorraussetzung. Wenn zugleich die Verabschiedung einer solchen Abgabe mit einer Verbesserung des Bildungssystems und mit einer schrittweisen Senkung der Sozialabgaben verbunden wird, wie es von der OECD empfohlen wird, dann wäre schon eher eine Akzeptanz erreichbar. Die Republik würde wieder handlungsfähig, die Zukunftsaufgaben können angepackt werden. Davon würden dann nicht zuletzt auch die Wirtschaft und all diejenigen, die die Abgabe zahlen müssen, profitieren.

Karl-Martin Hentschel

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