(Gegenwind 254, November 2009)

Diplomarbeit über StattAuto Kiel und Lübeck

Mobilität und Zufriedenheit

"Mobilität" wird von vielen Menschen mit dem Auto gleichgesetzt. Doch in den Innenstädten relativiert sich das. Die Parkplatzsuche wird zu einem immer größeren Problem, der "Parksuchverkehr" in den Innenstädten stellt einem immer größeren Anteil am Gesamtverkehr. In den Wohnvierteln werden immer mehr Straßen "verkehrsberuhigt" - meistens wird die Fahrbahn auf eine Spur verengt, um rechts und links Platz für parkende Autos zu schaffen. Der normale Privat-PKW führt ein erlebnisarmes Leben, denn mehr als 90 % seines Lebens steht er.

Eine Alternative zum PKW-Besitz bildet die gemischte Nutzung von Fahrrad, öffentlichen Verkehrsmitteln und einem Auto, das man sich mit anderen teilt. In der professionellen Form heißt das "Car-Sharing", das Teilen von Autos. Stefan Rößler hat jetzt eine Diplomarbeit über "Stattauto" Kiel und Lübeck vorgelegt.

Car-Sharing

Das Teilen von Autos ist die ökologischere Alternative zum Autobesitz. Die "AutoteilerInnen" sind Mitglied, im Falle von Stattauto Kiel & Lübeck Anteilseigner der Genossenschaft. Durch die Zahlung einer Kaution oder eines Genossenschaftsanteils legen sie sich fest, das unterscheidet das Car-Sharing von der Autovermietung. Gleichzeitig werden die Nutzungszeiten professionell verwaltet und abgerechnet, das unterscheidet das Car-Sharing vom Familienauto oder dem WG-Auto.

Wichtig für die Mitglieder ist, dass durch die professionelle Verwaltung die tatsächlichen Kosten der Nutzung abgerechnet werden. Das führt offensichtlich zu einer besseren Planung der PKW-Nutzung, bei rund der Hälfte der Teilnehmer nimmt die PKW-Nutzung während der Mitgliedschaft ab. Außerdem wird ein Sechstel weniger Benzin verbraucht, verglichen mit privaten PKW. Das liegt daran, dass man im Car-Sharing für größere Einkäufe ein größeres Auto nutzen kann, für die Fortbewerbung selbst auf ein kleines und sparsames Modell zurückgreift. Durch die intensivere Nutzung ist es möglich, die Fahrzeuge schneller durch neuere Modelle zu ersetzen, die sparsamer im Verbrauch sind.

Da sich durchschnittlich 35 Nutzer ein Fahrzeug teilen, werden nicht nur weniger Parkplätze gebracht, auch die festen Kosten des Autos (Anschaffung, Versicherung, Steuern, Reparaturen) werden durch viel mehr Personen geteilt und dadurch für die Einzelnen weniger.

Nachteil des Car-Sharing ist, dass das Auto nicht "direkt vor der Tür" steht. Man muss auch bereit sein, einen Weg zum Stellplatz des Autos, bei zu kurzfristiger Buchung auch zu einem weiter entfernten Stellplatz in Kauf zu nehmen. In der Diplomarbeit ermittelt der Autor zweierlei: Mitglied werden vor allem Menschen, die im Nahbereich der Stellplätze leben. Und die Entfernung führt anscheinend eben dazu, dass verstärkt das Fahrrad genutzt wird, also selbstkritischer überlegt wird, ob bestimmte Fahrten wirklich mit dem Auto erfolgen müssen.

Das erste organisierte Car-Sharing wurde 1987 in der Schweiz gegründet, 1988 begann eine Initiative in Berlin mit zunächst einem Auto. Das Statt-Auto Kiel wurde genauso wie das Statt-Auto Lübeck 1992 gegründet, ist jetzt also 17 Jahre alt.

Bundesweit sind 137.000 Menschen Mitglied in einer Organisation zur Auto-Teilung, gemeinsam besitzen sie rund 3.900 Fahrzeuge (also ein Auto auf 35 Nutzerinnen und Nutzer).

Zufrieden?

Schwerpunkt der Diplomarbeit ist die Auswertung einer Umfrage unter den Nutzerinnen und Nutzern des Statt-Autos Kiel und Lübeck. In Kiel und Lübeck gibt es zusammen rund 1400 NutzerInnen (Stand: Ende 2008, Zuwachs 2009 etwa 15 %), von denen 10 % Firmen und 90 % Privatpersonen sind. Ihnen standen Ende 2008 67 Fahrzeuge an 14 Stationen (Lübeck 7, Kiel 6, Preetz 1) zur Verfügung, darunter fünf Kleinbusse bzw. Transporter. Die NutzerInnen legten im Jahr 2008 rund 1.325.000 km zurück, wobei die Firmen rund ein Drittel davon zusammenbrachten. Jedes Auto wird ungefähr 8 Stunden pro Tag genutzt und legt im Jahr etwas mehr als 20.000 km zurück.

Da die Rücklaufquote der Fragebögen ungefähr 48 Prozent betrug, kann man feststellen, das die Nutzer zufrieden, aber auch engagiert sind. Für alle Bereiche gaben die NutzerInnen Schulnoten zwischen 1 und 2, geringfügig schlechter wird nur das Tarifsystem beurteilt (Note 2,09). Bei der Verfügbarkeit, also der Erfüllung des ersten Wunsches bei einer Buchung, gab es für die Station Franckestraße in Kiel mit 1,33 die beste Note, für die Station Mönkhofer Weg in Lübeck mit 1,85 die schlechteste Note.

Über die Hälfte aller eingetragenen NutzerInnen buchen seltener als einmal monatlich ein Auto, nur 12 Prozent benötigen ein Auto öfter als einmal wöchentlich. Dieses Ergebnis der Umfrage zeigt auch schon, für wen Statt-Auto anscheinend die bessere Alternative zum Privat-PKW ist. Statt-Autos werden zu über der Hälfte Nachmittags genutzt, zu zwei Dritteln für Einkäufe und Freizeit.

Achtzig Prozent der NutzerInnen benötigen weniger als 10 Minuten Fußweg zur nächsten Station - das bedeutet umgekehrt: In Stadtteilen, in denen Statt-Auto die Einrichtung einer Station nicht finanzieren kann, wird es auch kaum neue Mitglieder gewinnen.

Anders als der Durchschnitt

Mitglieder von Statt-Auto nutzen ein PKW zu 4 Prozent täglich - im Schnitt der Bevölkerung sind es 51 %. Dagegen nutzen Mitglieder zu 75 Prozent täglich ihr Fahrrad, was nur 18 Prozent der "Normal"-Bevölkerung machen.

Dazu muss man natürlich sehen, dass Mitglieder (zu 80 Prozent in einem Ein-Kilometer-Umkreis der Station ansässig) nur Stadt-Menschen sind, während die normale Bevölkerung zu einem Großteil aus Land-Menschen, Kleinstadt-Menschen, Vorstadt-Menschen etc. besteht.

Übrigens besitzen fast 20 Prozent der Car-Sharing-Mitglieder in Kiel und Lübeck auch einen Privat-PKW in ihrem Haushalt. Hier ersetzt die Mitgliedschaft also nicht das Auto, sondern nur das Zweitauto. Rund 30 Prozent der Mitglieder besitzen und besaßen kein Auto, waren also schon vor dem Beitritt autolos. Rund die Hälfte der Mitglieder haben mit dem Beitritt das Auto abgeschafft oder nach Verschrottung des alten Autos den Beitritt als Alternative zu einem Neukauf gesehen. Wer vorher ein Auto hatte, nutzt übrigens das Stattauto öfter als diejenigen, die vorher bereits das Leben ohne Auto gewohnt waren.

Reinhard Pohl

Nutzer- und Mobilitätsprofile von Carsharing-Teilnehmern bei "StattAuto" in Kiel und Lübeck. Diplomarbeit von Stefan Rößler, 9. April 2009, CAU Kiel

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