(Gegenwind 287, August 2012)

Gespinstmotte

GRÜNE im Grünen

Im Feuchtbiotop Rethwisch

Auch 2012 luden die Steinburger GRÜNEN bei der letzten Veranstaltung vor der Sommerpause zu einer Exkursion GRÜNE im Grünen ein, die in diesem Jahr in das Feuchtbiotop Rethwisch/Lägerdorf ging. Naturschutz im Konflikt mit anderen Interessen ist der „grüne Faden” der sich durch die seit Jahren bestehende Veranstaltungsreihe zieht.

Über 20 NaturliebhaberInnen kamen zur „GRÜNE im Grünen-Exkursion” und erlebten unter der fachkundigen und unterhaltsamen Führung von Harold Ingwersen (NABU) einen informativen Abend, an dem die Besucher auf eine Vielzahl von kleinen Naturschönheiten hingewiesen wurden, an denen sonst oft nur achtlos vorbei gegangen wird.

So sah es auf den ersten Blick schon ein wenig „unheimlich” aus, auf was die Naturinteressierten am Wegesrand aufmerksam gemacht wurden. Dort hatten Gespinstmotten ganze Sträucher mit einer feinen silbrigen Hülle eingesponnen, durch die eine Vielzahl von hellen kleinen Raupen mit dunklen seitlichen Punkten zu erkennen waren. Die „gespenstisch” anmutende Verpackung dient aber lediglich dem Schutz der Raupen. Auf diese Art machen sie es hungrigen Vögeln schwer, sie zu erreichen; selbst können die Raupen jedoch ungestört Knospen und Blätter des Strauches fressen. Nach dem Verpuppungsstadium, wenn dann schließlich aus den Puppen kleine weiße Falter mit schwarzen Punkten auf den Flügeln geschlüpft sind, verwittern die Gespinste rasch und die Bäume treiben wieder aus; von dem Gespinst-Spuk ist dann bald nichts mehr zu sehen.

Interessantes wusste Harold Ingwersen auch über eine Raub- oder Jagdspinne zu erzählen, die er mit sicherem Griff vom torfigen Boden in eine Becherlupe transportierte. Dort konnten alle das Tier eingehend bewundern und erfuhren, dass vor der Paarung die Spinnenmännchen ihre „Liebste” mit einem Brautgeschenk - z.B. eine in Spinnfäden eingehüllte Fliege - gnädig stimmen, um nicht selbst von ihr gefressen zu werden. Von Juni bis Juli laufen die Weibchen dann mit dem Eikokon, den sie mit den Mundwerkzeugen festhalten, herum. Auch die in Rethwisch für kurze Zeit gefangene Spinne ließ selbst in der Becherlupe ihren Kokon mit den Eiern nicht los. Erst kurz vor dem Schlüpfen, so wusste Ingwersen zu berichten, wird der kugelförmige Kokon von dem Weibchen an ein Blatt geheftet und dort anschließend bis zum Schlüpfen der kleinen Spinnen bewacht.

Vor dem neu entstandenen Flachwassersee
Vor dem neu entstandenen Flachwassersee

Durch den lauten wehmütig klingenden Ruf wurden die Besucher wenig später auf einen Schwarm von etwa zwanzig Großen Brachvögeln aufmerksam, der über den „Rethwischer Halbmond” zog. Diese ca. 60 Zentimeter großen Watvögel, die man leicht an ihrem gebogenen langen Schnabel erkennen kann, sind in Mitteleuropa inzwischen sehr selten geworden. Wissenschaftler gehen davon aus, dass das Verbreitungsgebiet des Großen Brachvogels bis zum Ende des 21. Jahrhunderts um mehr als vierzig Prozent schrumpfen wird. Der Grund dafür: Er findet immer seltener großflächige, offene, gut überschaubare Moore und Feuchtwiesen, die er als Lebensraum während der Brutzeit benötigt. Dank des großräumigen Biotopverbundnetzes rund um das Breitenburger Moor und der Hörner-Au-Niederung ist der Große Brachvogel in diesem Gebiet erfreulicherweise wieder verstärkt anzutreffen. Eine ganz besondere Qualität für das Gebiet rund um das Feuchtbiotop Rethwisch hat das erst 2010/11 als Ausgleichsmaßnahme entstandene Flachgewässer erlangt. Dieses ehemalige Torfabbaugebiet ist binnen kürzester Zeit von vielen Vogelarten als Brut- oder als Rastplatz angenommen worden. „Hier entsteht wirklich einmal etwas sehr Gute für den Naturschutz”, zeigte sich Harold Ingwersen begeistert.

Wie der Große Brachvogel profitieren auch eine Reihe von weiteren, zu Teil sehr seltenen Vogelarten von dem Flachsee und dem großflächigen Feuchtbiotopverbund: So gehört die auf der Roten Liste stehende Wiesenralle („Wachtelkönig”) sowie u.a auch Kiebitze, Störche und Kraniche zu den Nutznießern und sogar der Seeadler, den man aber leider nicht beobachten konnte, bevorzugt dieses Gebiet zur Nahrungsaufnahme.

„Die hohe ökologische Bedeutung dieses Raumes darf auf keinen Fall gefährdet werden”, bekräftigte Dr. Jürgen Ruge, Fraktionsvorsitzender der GRÜNEN im Steinburger Kreistag. Er informierte die Exkursionsteilnehmer über die Pläne der Firma Holcim, die in diesem Gebiet einen Windpark errichten wollen, und erläuterte dieses detailliert an den Karten, die von den Planungsbüros im Auftrage des Zementwerkes erstellt worden sind. „Selbst diese Auftragsarbeiten belegen die tierökologisch landesweite Bedeutung dieses Gebietes. Jede hier errichtete Windkraftanlage kann das sensible Gleichgewicht zerstören. Wir GRÜNEN”, so Ruge weiter, „setzen uns engagiert für die Ausweisung von Windeignungsflächen ein, doch begründete tierökologische Belange müssen ebenso wie die Abstandsregelungen zu Wohnbebauungen unbedingt eingehalten werden. Die von Holcim in die Diskussion gebrachte Fläche ist als Windeignungsfläche definitiv nicht geeignet.”

Jürgen Ruge

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