(Gegenwind 289, Oktober 2012)

Auf dem Anfänger-Plan mit der 1 liegt die Burg genau in der Mitte, rechts und links fließt der Fluss

Spielvorstellung

Die Burgen als Zentrum

Wenn man sagt, es ist ein Legespiel, sagt man zu wenig. Es geht um eine Zivilisation, bestehend aus Städten und Landwirtschaft, Flüssen, Schiffen und Waren, aus Wissenschaft und Verteidigung. Auch wenn die gelegten Landschaftsteile einheitlich sechseckig und aus Pappe sind - ein einfaches Legespiel ist es nicht.

Wer mitspielt, hat vor sich einen Plan liegen, der bis auf eine Burg leer ist. Auf dem „Anfänger-Plan” mit der „1” liegt die Burg genau in der Mitte, rechts und links fließt der Fluss. Für später gibt es acht verschiedene weitere Pläne, die dann verschieden angeordnet sind.

Die einzelnen Felder sind farblich markiert. Jeder Plan hat sechs Fluss-Felder, sechs Landwirtschafts-Felder, zwölf Stadtfelder und so weiter. Die müssen, ausgehend von der Burg (die auf den Plänen 2 bis 9 auf einem der vier Burgfelder frei platziert werden darf) belegt werden.

In der Mitte gibt es einen Plan, auf dem unter den Zahlen eins bis sechs jeweils vier (bei drei SpielerInnen drei) dieser Plättchen bereit liegen. Hier kommt das erste Glückselement zum Tragen: Die Felder, auf denen die Plättchen bereit gelegt werden, sind ebenfalls farblich markiert. Die Plättchen werden aber verdeckt gemischt uns ausgelegt, ob auf dem „Landwirtschafts-Feld” also ein Plättchen mit zwei Hühnern oder eines mit vier Kühen liegt, ist Zufall. Zu den bis zu 24 ausgelegten Plättchen, die mit den Zahlen eins bis sechs markiert sind, gesellen sich 12 Plättchen (bei drei SpielerInnen sind es neun Plättchen), die in der Mitte liegen.

In der Mitte gibt es einen Plan, auf dem unter den Zahlen eins bis sechs jeweils vier (bei drei SpielerInnen drei) dieser Plättchen bereit liegen.

Es gibt eine Leiste, auf der die vier SpielerInnen in der anfangs ausgewürfelten Reihenfolge markiert sind. In dieser Reihenfolge ziehen sie auch, nachdem sie gleichzeitig mit zwei Würfeln gewürfelt haben. Wer zum Beispiel eine Zwei und eine Fünf würfelt, darf ein Plättchen aus dem Vorrat „Zwei” und eines aus dem Vorrat „Fünf” nehmen, allen anderen stehen dann nur noch drei zur Auswahl zur Verfügung. Das Würfeln ist das zweite Glückselement im Spiel.

Die Reihenfolge im Spiel ändert sich: Mit jeden Schiff, das man auf den eigenen Fluss setzt und das einem zusätzlich Waren für den Verkauf einbringt, rückt man auf der Leiste ein Feld vor und ist damit früher an der Reihe. Das kann wichtig sein, wenn man an bestimmte Plättchen rankommen will, die man für die Komposition der eigenen Landschaft braucht.

Denn die auf dem eigenen Plan ebenfalls nach Würfelergebnis gelegten Plättchen entfalten eine Wechselwirkung. Die eingebrachte Wissenschaft der gelben Chips erlaubt einen größeren Spielraum oder belohnt das Sammeln bestimmter Chips mit Sonderpunkten am Schluss. So gibt es Chips, die ein Abweichen vom Würfelergebnis erlauben, andere belohnen das Sammeln von Kirchen oder Hühnern oder was auch immer.

Die Chips in der Mitte des Planes können nicht erwürfelt, sondern gekauft werden. Bringt das Einsetzen von Schiffen waren ein, die ebenfalls in sechs Sorten von Eins bis Sechs gekennzeichnet sind, können die später verkauft werden, das bringt Siegpunkte und Geld. Und mit diesem Geld kann man die Chips kaufen. Sie zeigen gleiche Motive wie die anderen, aber wenn das passende Würfelergebnis einfach nicht kommen will, kann man fehlende Chips eben dazu kaufen.

Ein weiteres Element im Spiel sind Arbeiter-Chips, die man ebenfalls erwürfeln kann. Sie dienen dazu, unpassende Würfelergebnisse zu korrigieren. Jeder Arbeiter ändert ein Würfelergebnis um einen Punkt nach oben oder nach unten, mit fortschreitender Wissenschaft auch um zwei Punkte.

Im Grunde genommen handelt es sich also um ein Zivilisationsspiel, bei dem es darum geht, das ständig präsente Glückselement des Würfels Schritt für Schritt zurückzudrängen, um einen Plan zu verfolgen. Wer durch die eigene Wissenschaft für die Zahl der verkauften Waren Sonderpunkte bekommt, muss darauf achten, Schiffe zu bekommen, auf dem eigenen Fluss zu Wasser zu lassen, um Waren zu bekommen. Diese verkauft man nicht nur durch (passendes!) Würfeln, sondern auch durch den Bau von Handelshäusern in der eigenen Stadt. So wird aus Zufall ein Plan, aus dem Plan dann hoffentlich eine Strategie.

Aber es bleibt doch ein Würfelspiel. Wenn es am Ende knapp wird, nur noch drei oder vier Chips auf dem Spielplan liegen, muss man eben hoffen, das „Richtige” zu würfeln, um voran zu kommen.

Das Spiel besteht aus 5 Runden mit jeweils 25 Durchgängen, man hat also insgesamt 50 Würfelergebnisse zur Verfügung. Dabei gibt es viele Bonus-Züge: Wer eine Burg baut, hat zum Beispiel einen beliebigen Zug (zwischen Eins und Sechs) frei. Wer ein Rathaus baut, darf einen weiteren Bau ohne festgelegtes Würfelergebnis verwirklichen. Wer ein Handelshaus baut, darf eine beliebige Ware ohne passenden Würfelergebnis verkaufen - alles Züge, die mit fortschreitendem Spiel bei guter Taktik zunehmen und das Glück zurückdrängen oder zumindest sinnvoll ergänzen.

Wer den ganzen Abend „schlecht würfelt”, kann das allerdings nie vollkommen ausgleichen, hat aber jedenfalls eine gute Ausrede.

Auf den ersten Blick ist das Spiel sehr komplex. Die vielen verschiedenen Gebäude, Landwirtschaftsflächen, Wissenschaftsarten, die Schiffe, Burgen und Silberminen, die Arbeiter und das Geld sind in den ersten Partien kaum im Blick zu behalten. Auch gewinnt man durch verbaute Wissenschaftschips Möglichkeiten dazu, die man zu Beginn leicht übersieht. So hat man Möglichkeiten und nutzt sie nicht, weil einfach die Übersicht fehlt. Zwei Würfel geben eben nicht nur zwei Möglichkeiten, sondern zu Beginn sind es eher 20 verschiedene Möglichkeiten und damit auch Richtungen, die man dem eigenen Spiel und dem eigenen Aufbau geben kann.

Für Leute, die wenig spielen, ist es vermutlich sehr schwer, in das Spiel einzusteigen, alle Möglichkeiten nicht nur zu verstehen, sondern auch „parat” zu haben. Deshalb werden sich die ersten Partien hinziehen, weil man immer mal in der sehr übersichtlichen Regel nachsehen muss, zusätzliche Übersichten und Hilfen findet man im Internet. Wer viel spielt, wird viele einzelnen Elemente dieses Spiels wiedererkennen, muss sich aber dann noch an die unendlich vielen Kombinationsmöglichkeiten gewöhnen und den eigenen Stil finden. Mit den dann wechselnden Spielplänen gibt es nahezu unendlich viele Möglichkeiten, wie eine Partie verläuft, so dass man nie Ähnlichkeiten findet und diese Spiel über viele Jahre mit immer neuen Überraschungen spielen kann.

Die vom Verlag versprochenen „30 Minuten Spielzeit” pro Spieler (zu Viert soll es angeblich zwei Stunden dauern) haben wir noch nie erreicht, allerdings sind wir zu Dritt mit zwei und zu Viert schon mit zweieinhalb Stunden ausgekommen. Um das Spiel zu lernen, waren zu Viert aber schon fünf Stunden Spielzeit eher realistisch. Aber: Wir sind dabei geblieben, haben es über Wochen und Monate gespielt und uns nie, wirklich nie dabei gelangweilt.

Reinhard Pohl

Die Bürgen von Burgund. Ein Spiel von Stefan Feld für zwei bis vier SpielerInnen ab 12 oder 14 Jahre, erschienen bei alea / Ravensburger. Dauert zwei Stunden, kostet ungefähr 25 Euro.

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