(Gegenwind 312, September 2014)

Denk Mal!

Denk-mal-gegen-Krieg

Kunstaktionen provozieren Aufmerksamkeit und Debatte

Viel ist schon geschrieben, gesagt und im Fernsehen gezeigt worden zum 1.Weltkrieg. Doch trotzdem bleiben die zahlreichen Kriegerdenkmäler mit ihrer Heldenverehrung und Kriegslegitimation (für Vaterland, König, Gott...) unbeachtet, obwohl gerade sie dazu beigetragen haben, dass ein neuer Weltkrieg vorbereitet werden konnte. Solche Kriegerdenkmäler finden sich auch in Schleswig-Holstein in fast jedem Dorf und jeder Stadt. Einen Eindruck davon kann man sich verschaffen auf der neuen Website www.denk-mal-gegen-krieg.de.


Mit einer temporären Kunstaktion, die in diesen Wochen an verschiedenen Kriegerdenkmälern in Hamburg und Umgebung stattfindet, sollen einige dieser stummen und doch so beredten Zeugen für Kriegsverherrlichung, Nationalismus und Heldenverehrung für kurze Zeit in den Focus der Aufmerksamkeit gerückt. Wenn sich lokale Bündnispartner finden bei Initiativen, Kirchengemeinden oder Heimat- und Geschichtsvereinen, soll diese Aktion in den nächsten Wochen und Monaten fortgesetzt werden.

Worum geht es bei dieser Kunstaktion und dem gesamten Projekt Denk Mal!?

Das Jahr 2014 wird erinnerungspolitisch stark geprägt von zwei Jahrestagen: dem Beginn des 1.Weltkriegs durch die deutsche Kriegserklärung am 1. August 1914 und dem Beginn des 2.Weltkriegs mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen am 1. September 1939. In Medien, Filmen, Theater und Museen, in Parlamenten und an historischen Gedenkorten wird an die Ereignisse vor 100 und vor 75 Jahren erinnert. Dabei geht es nicht nur um die Frage nach der Verantwortung für den Tod von vielen Millionen Menschen und um historische „Wahrheiten”, sondern ebenso um Interpretationen und Schlussfolgerungen für das Gestalten einer kriegsverhindernden Politik in unserer Zeit. Es ist aber auch zu beobachten, dass die Erinnerung benutzt wird, um alte Feindbilder und Ideologien wieder zu beleben und gegenwärtige machtpolitische Optionen zu legitimieren.


Auch 100 Jahre später ist die Erschütterung groß über die Brutalität dieses Krieges, seine Millionen Opfer, seine hasserfüllten Parolen und Ideologien. Es wird nach Erklärungen gesucht, doch Rechtfertigungen kann und darf es nicht geben, auch nicht für die mörderischen Kriegspredigten und -lieder in den Kirchen.

Das Projekt Denk Mal! soll in diesem Kontext einen besonderen Beitrag leisten, indem es die zahlreichen Kriegerdenkmäler im öffentlichen Raum und auf Friedhöfen in den Focus rückt. Diese Denkmäler sind vor allem in den 20er Jahren in zahlreichen Städten und Gemeinden errichtet worden. Sie bringen Deutungen des Kriegs und der deutschen Niederlage zum Ausdruck, die mit Heldenverehrung und religiöser Verklärung des Opfertodes für Kaiser, Vaterland und Gott sehr problematisch sind. Vielfach konnten diese Denkmäler in der Nazi-Zeit für die ideologische Einstimmung auf den 2.Weltkrieg genutzt werden. So sind sie zu stummen und gleichwohl immer noch präsenten Zeugen einer unheilvollen Geschichte und oft auch der kirchlichen Mitverantwortung geworden.

Spätestens seit der Friedensbewegung in den 80er Jahren besteht auch in der Kirche ein weitgehender Konsens darüber, dass die Botschaft dieser Denkmäler mit dem biblischen Friedensauftrag unvereinbar ist. Diese Unvereinbarkeit findet allerdings an den allermeisten Standorten keinen sichtbaren Ausdruck.

Nach jahrzehntelangem öffentlichem Desinteresse hat die Nutzung der Denkmäler durch rechte Kameradschaften und Nazi-Gruppen in einzelnen Orten Aufmerksamkeit und Gegenwehr bei den Bewohnern erzeugt. Dabei stellte und stellt sich Frage, wie solcher Inanspruchnahme auf Dauer der Boden entzogen werden kann.

In zahlreichen kirchlichen oder kommunalen Gemeinden wird weiterhin am Volkstrauertag das Ritual der Gedenkfeiern mit den obligatorischen Kranzniederlegungen vollzogen. Das Unbehagen an diesem Ritual soll allerdings dadurch abgemildert werden, dass nicht mehr nur an die getöteten Soldaten, sondern an „alle Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft” erinnert wird.


Die damit verbundene Gefahr einer Gleichsetzung von Opfern und Tätern wird selten reflektiert.

Das Projekt Denk Mal! will die Bedeutung der Denkmäler und der mit ihnen verknüpften Rituale ins Bewusstsein bringen. Sie will zu einer Auseinandersetzung ermutigen. Zentrale christliche und kirchliche Themen wie Trauer, Buße und Versöhnung werden dabei kritisch reflektiert und in Dialog mit anderen, nichtkirchlichen Deutungen und Traditionen gebracht.

Denk Mal! richtet sich nicht nur an Menschen im kirchlichen Kontext. Es werden ebenso lokale Kooperationen mit nichtkirchlichen Gruppen, wie Friedens- oder Erinnerungsinitiativen, angestrebt.

Die Aktion soll generell das Bewusstsein schaffen und verstärken, dass die Geschichte und ihre Interpretation den gegenwärtigen Umgang von Gesellschaft und Kirche zu aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen (Nationalismus, Rassismus, Kriegseinsätzen ...) prägen und beeinflussen.

Denk Mal! Ist ein Projekt des Arbeitsbereiches Erinnerungskultur der Evangelischen Akademie der Nordkirche in Kooperation mit dem KunstHaus am Schüberg und anderen kirchlichen Einrichtungen.

Ausführliche Informationen zu dem Projekt und viele Informationen, Originaltexte und Bilder zum 1. Weltkrieg finden sich unter:
www.denk-mal-gegen-krieg.de

Wer mitmachen will, kann sich wenden an: ulrich.hentschel@akademie.nordkirche.de

Ulrich Hentschel,
Studienleiter an der Evangelischen Akademie der Nordkirche für den Arbeitsbereich Erinnerungskultur

Inschriften auf Kriegerdenkmälern zum 1. Weltkrieg in Schleswig-Holstein

Pinneberg:

In unwandelbarer Treue zum Vaterland und in der Hoffnung auf den Sieg liessen 312 Helden dieser Stadt ihr teures Leben auf dem Felde der Ehre

Ellerhoop (auf dem Gelände des MTV Ellerhoop):

Deutsche Jugend gedenke deiner Helden! 1914-1918
Blüh Deutschland überm Grabe mein / jung stark und schön als Heldenhain / W.Flex

Brande-Hörnerkirchen:

Wir sind die Saat, von Deutschland ausgesät mit bebender Hand
Wollt ernten ihr so gebt euch hin wie wir dem Vaterland

Appen:

Glücklicher, der du die Sonne noch siehst, o grüss uns die Heimat, die wir getreu bis zum Tod mehr als das Leben geliebt

Stadum:

Den gefallenen und vermißten Söhnen zur Ehre, der großen ernsten Zeit ein Gedächtnis. Kommenden Geschlechtern zur Stärkung in der Treue zu Heimat und Vaterland

Norderstapel:

Helden, gefallen im Ringen Deutschlands.
Es künde der Stein: Nie wird ihr Name verklingen heilig soll er uns sein.

Langstedt:

Unseren tapferen Söhnen in Ehrfurcht und Dankbarkeit.
Sie stritten und litten für deutsche Ehr
1959, Stele vom Verband der Heimkehrer:
Das Leid der Gefangenen sei ein Baustein für die Zukunft

Ahrensburg-Wulfsdorf:

Im Völkerringen 1914-18 erlitten aus der Gemeinde Wulfsdorf den Heldentod

Den Beschützern der Heimat von 1939-1945 aus Dankbarkeit

Agethorst:

Im Glauben an Deutschlands Grösse besiegelten ihre Liebe zum Vaterland mit dem Tod

Mühlenbarbek:

Ihr starbet im Glauben an Deutschland. Es erlag. Nicht wankt unser Glaube. Wofür ihr kämpftet, wir wollen's erringen. Künde, Stein, den Enkeln dies Wort!

Stafstedt, Ehrenbürger Prof. Dr. Günther Fielmann:

Wir Toten fordern als unser Recht die alte Treue vom neuen Geschlecht

Haale:

Sie gaben ihr Alles / ihr Leben ihr Blut. / Sie gaben es hin / mit heiligem Mut. Für uns!
Sie waren unsern Herzen Licht im Leben und sind im Tod unser Stolz geblieben

Kellenhusen:

Den gefallenen Brüdern zur Ehre, der Gegenwart und der Zukunft zur Erinnerung an die große Zeit

Heiligenhafen:

Sie starben alle fürs Vaterland
O Volk sei deiner Helden wert

Wyk:

In Kampf und Not für uns in den Tod
Ihr Opfer die Saat für künftige Tat

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