(Gegenwind 328, Januar 2016)

Pressekonferenz am 13. Januar 2016
Pressekonferenz am 13. Januar. Von links: Peter Fritzsche (LKA), Jörg Muhlack (Polizeiabteilung MIB), Stefan Studt (Innenminister), Norbert Scharbach (Zuwanderungsabteilung MIB), Patrick Tiede (Pressesprecher MIB)

Albanische Einbrecher

Geschichten und Fakten

Seit einigen Monaten berichten Zeitungen sowie Radio und Fernsehen vermehrt über Einbrüche und Wohnungen, von der Polizei „Wohnungseinbruchsdiebstahl” (WED) genannt. Die Täter (selten: Täterinnen) sollen Ausländer sein, vor allem Albaner. Und genau hier setzen dann andere an, die das für eine natürliche Folge der steigenden Flüchtlingszahl halten oder damit zumindest Politik machen.

Einbruch und Einbruch

Die Polizei unterscheidet zunächst zwischen Wohnungseinbrüchen und Firmeneinbrüchen. Von Letzteren, „ED Gewerbe” genannt, gab es in den letzten Jahren zwischen 4.200 und 6.200 pro Jahr. 2014 waren es 5.133. Dabei handelt es sich um „Ausgangszahlen”: Also die Zahl der Akten, die die Polizei fertig bearbeitet an die Staatsanwaltschaft geschickt hat. Bei der Zahl für 2014 handelt es sich also schwerpunktmäßig um Einbrüche, die zwischen Sommer 2013 und Sommer 2014 angezeigt wurden.

Bei den Wohnungseinbrüchen gehen die Emotionen höher, weil Unsicherheitsgefühl im privaten Bereich entsteht. Wohnungseinbrüche gab es in den 90er Jahren noch 10.000 bis 12.000 im Jahr, sie sind 2004 auf unter 5.000 gesunken, dann wieder auf rund 7.500 im Jahr gestiegen. Im Jahre 2015 sind die angezeigten Wohnungseinbrüche auf rund 8.600 gestiegen. In der Kriminalitätsstatistik, die im März erscheinen wird, steht vermutlich eine etwas niedrigere Zahl drin, weil das wieder die Ausgangsstatistik und nicht die Statistik der Anzeigen ist. Außerdem gibt es immer angezeigte Einbrüche, die sich später als (versuchter) Versicherungsbetrug herausstellen.

Ausländische Täter

Ein großer Teil der Wohnungseinbrüche 2015 geht tatsächlich anscheinend auf ausländische Täter zurück. Sie werden von der Polizei entweder dem Balkan oder Osteuropa zugeordnet. Fast alle sind „Positivstaatler”, sie können also ohne Visum einreichen. Das gilt für alle Unionsbürger, aber auch für die Bürger von Staaten, die mit der EU assoziiert sind: Die fünf Staaten des Balkan-Stabilitätspaktes, hier ist nur noch Kosova visumpflichtig, und aus der östlichen Partnerschaft Moldavien. Für die Ukraine ist die Visumfreiheit erst für Sommer 2016 geplant.

2014 lag die Aufklärungsquote bei 12,6 %, nachdem sie noch 2013 bei 10,2 % gelegen hatte. Auch diese Zahl spiegelt aber eine Exaktheit wieder, die sie nicht hat: Es gibt auch verhaftete Täter, denen 10 oder 15 Einbrüche nachgewiesen werden - das reicht für eine Verurteilung, und weitere 10 Verdachtsfälle bleiben offiziell „unaufgeklärt”, weil sich die Ermittlungen und die Beweisführung nicht lohnen. Die Täter sind dann bekannt, verurteilt, werden anschließend entweder entlassen oder abgeschoben.

Manchmal gibt es auch Absprachen: Vor Gericht stehende Angeklagte geben eine Reihe von Taten zu, die sind dann „aufgeklärt”, bekommen eine bestimmte Strafe, über den Rest wird geschwiegen. Das spart dem Steuerzahler und der Steuerzahlerin viel Geld, weil ein paar Einbrüche mehr die Strafe auch nicht wesentlich erhöhen und Täter auch bei Geständnissen oft nicht die genaue Adresse angeben können.

„Banden” oder Tätergruppen

Die Polizei spricht nicht von „Banden”, weil das einen falschen Eindruck erweckt. Nach den Ermittlungen, die von einer extra eingerichteten Gruppe von Kriminalistinnen und Kriminalisten beim LKA koordiniert werden, gibt es ungefähr 220 Personen in Schleswig-Holstein, die diese Einbrüche begehen und für etwa ein Drittel aller Einbrüche verantwortlich sind. Es handelt sich aber um einzelne Gruppen von drei bis fünf Personen, die sich auch wieder trennen. Die einzelnen schließen sich dann auch wieder zu anderen Gruppen zusammen.

Es ist also nicht straff organisiert. Die Einbrecher selbst sind dann in einem bestimmten Gebiet tätig, also zum Beispiel in Kiel oder Itzehoe oder Flensburg, wechseln dann aber auch nach Hamburg, Hannover oder Apenrade.

Die Polizei sichert DNA-Spuren, Schuhspuren und Werkzeugspuren in drei Dateien, wobei die DNA-Datei beim BKA geführt wird und verbunden ist mit entsprechenden DNA-Dateien aller anderen europäischen Länder.

So hat das Landeskriminalamt (LKA) in Kiel im Jahre 2015 insgesamt 119 „Ermittlungskomplexe” gebildet, und in diesen Ermittlungskomplexen (die jeweils einer Tätergruppe entsprechen) gibt es 221 verdächtige Personen, gegen die ermittelt wird. Von diesen sind 80 eingewandert, 141 sind einheimische Verdächtige. Die 80 Einwanderer sind ausländisch, von den 141 Einheimischen haben 115 eine ausländische und 26 eine deutsche Staatsangehörigkeit.

Von den 195 ausländischen Verdächtigen kommen 135 vom Balkan (meistens Albanien oder Serbien) und 27 aus anderen osteuropäischen Staaten.

Seit dem Herbst 2012 (bis Ende 2015) sind allerdings insgesamt 352 mutmaßliche Täter festgenommen worden, denen vorgeworfen wird, überregional agiert zu haben.

Was hat das mit Flüchtlingen zu tun?

Von den 80 Verdächtigen haben sie meisten Asyl beantragt. Es gibt da zwei Muster:

Entweder haben sie Asyl beantragt, sind abgelehnt worden, dann wurde die Ausreise angeordnet und die Abschiebung angedroht. Sie sind untergetaucht und sind zu Einbrechern geworden.

Oder sie sind (visumfrei) eingereist, haben mit Einbrüchen angefangen und sind irgendwann erwischt worden. Nach der Festnahme haben sie dann Asyl beantragt. Dann kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine Anhörung ansetzen und über den Asylantrag entscheiden - das macht das BAMF in Neumünster zur Zeit aber nicht. Das BAMF vergibt einen Anhörungstermin, der ungefähr ein Jahr entfernt ist. Das scheinen einige zu wissen und auszunutzen. Warum die Bundesbehörde das so regelt, wissen nur der Leiter in Nürnberg oder der Innenminister in Berlin.

Flüchtlinge im Sinne von Verfolgten waren nach bisheriger Kenntnis von Behörde noch nicht dabei, eher handelt es sich um Einbrecher, die das Verfahren zur Verzögerung von behördlichen Entscheidungen nutzen, so die Aussage des Innenministers in Kiel.

Möglicherweise ändert sich die Situation, weil arbeitswillige Frauen und Männer aus Serbien, Albanien, Mazedonien, Bosnien, Montenegro und Kosova seit dem 1. Januar 2016 ein Visum und eine Arbeitserlaubnis beantragen und erhalten können. Damit können nicht nur Arbeitslose, sondern insbesondere Angehörige diskriminierter Minderheiten einen zweiten Weg ausprobieren, um dem Elend zu entkommen.

Ob diese Möglichkeit wirklich etwas ändert, hängt von der Anwendung ab, die wir noch nicht kennen. (vgl. dazu: 328, Seite 13).

Allerdings sind über 4.000 Flüchtlinge vom Balkan im ganzen Jahr hergekommen, davon stehen vielleicht 40 im Verdacht, an Einbrüchen beteiligt zu sein - neben anderen, die vor fünf oder zwanzig Jahren eingewandert sind. Weit über 3.900 Balkan-Flüchtlinge haben damit nichts zu tun, einige sind vielleicht mal als Ladendiebe aufgefallen, die allermeisten überhaupt nicht.

Ende 2015 hatte das Bundesamt in Neumünster bei rund 3.500 Asylanträgen aus den sechs Balkan-Ländern allerdings noch keinen Anhörungstermin durchgeführt, die Betroffenen sitzen also irgendwo und bekommt keine Nachricht über ihre individuellen Chancen.

Beispiele

Am 13. Januar stellten Jörg Muhlack (Polizeiabteilung des Innenministerium) und Peter Fritzsche, der die Sonderkommission „Reisende Täter Eigentum” beim LKA leitet, diese Ermittlungsergebnisse vor. Peter Fritzsche schilderte anschließend zwei Tatverdächtige:

Ein 1996 geborener Albaner reist am 9. April 2015 alleine ein und meldete sich am 7. Mai als Asylsuchender. Einen Asylantrag stellen durfte er erst im August. Das BAMF setzte die Anhörung dazu auf den 16. Dezember fest. Er lebt in Ammersbek. Die Polizei wirft ihm heute 26 Ladendiebstähle, einen Einbruch und zweimal Schwarzfahren vor. Er wurde schon mal von Frankreich abgeschoben und hat eine Einreisesperre, ist also illegal eingereist.

Ein andere 1995 geborener Albaner wurde im Januar in Kiel-Friedrichsort festgenommen, nachdem Nachbarn einen versuchten Einbruch beobachtet hatten. Er kam im Oktober 2014, meldete sich als Asylsuchender. Das Bundesamt gab ihm aber einen Termin für November 2015 für den Asylantrag und im Januar 2016 für die Anhörung. Gegen ihn laufen 25 Strafverfahren, davon 19 Wohnungseinbrüche, ein Drogendelikt und ein Fahrraddiebstahl. Er wurde bereits von der Schweiz abgeschoben und hat eine Einreisesperre, kam also illegal her (auch das führt zu Strafverfahren, so kommt man auf 25).

Diskussion

Immer wieder wird der Polizei und der Politik vorgeworfen, zu wenig Informationen zu veröffentlichen - und unterstellt, man wollte Flüchtlinge nicht in ein schiefes Licht rücken.

Das ist falsch.

Die Polizei veröffentlicht viele Ermittlungsergebnisse nicht, um die Verdächtigen nicht vorzuwarnen. Sobald Nationalitäten genannt werden, können die Verdächtigen das Handy wechseln, und schon klappt das Abhören nicht mehr.

Und die Zahl der Fälle führt zur Anweisung, dass die damit befassten Polizistinnen und Polizisten ihre Arbeitszeit investieren sollen, um die Einbrüche aufzuklären, nicht um Berichte an das Ministerium zu schreiben.

Das Innenministerium hat jetzt dem Druck der CDU-Opposition nachgegeben und vorab einen Bericht zum ganzen Komplex gegeben, auf der Landtagsseite unter den „Drucksachen” als Bericht 18/3713 zu finden. Das lässt sich auch machen, dafür müssen nur einige der ermittelnden Polizisten für ein paar Tage von der Polizeiarbeit abgezogen und ins Büro verbannt werden. Sie können dann ein paar Tage lang keine Spuren sichern und nichts für die Aufklärung tun. Hier muss man in einer Demokratie einfach abwägen, was wichtiger ist - Einbruchsopfer haben mehr Interesse an der Ermittlung, die Nachbarn mehr Interesse am Bericht.

Die Vermischung mit der Diskussion über Flüchtlinge, Asylverfahren und Integration ist auf jeden Fall unsinnig, weil er niemandem hilft. Sinnvoll wäre es nur zu überlegen, wie intelligent es ist, Asylantragsteller aus bestimmten Ländern von Deutschkursen und Arbeitserlaubnissen auszuschließen. Die meisten akzeptieren es zähneknirschend, aber eben nicht alle.

Reinhard Pohl

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