(Gegenwind 337, Oktober 2016)

Ayesh Alsanadi

„Ich möchte in Sicherheit leben”

Interview mit Ayesh Alsanadi aus Tarp

Gegenwind:

Können Sie sich als erstes vorstellen?

Ayesh Alsanadi:

Ja. Mein Name ist Ayesh Alsanadi. Ich komme aus dem Jemen. Ich bin hier seit sieben Jahren. Ich habe mein Studium absolviert in Technologie im Gesundheitswesen (eHealth). Ich habe keine positive Entscheidung für meinen Asylantrag bekommen.

Gegenwind:

Sind Sie wegen des Studiums hergekommen?

Ayesh Alsanadi:

Ich bin erst 2008 alleine gekommen. Damals bin ich als Student gekommen. Dann bin ich zurück nach Jemen, danach bin ich wieder nach Deutschland gekommen mit meiner Familie, mit meiner Frau und zwei Kindern.

Gegenwind:

Und dann haben Sie Asyl beantragt?

Ayesh Alsanadi:

Genau.

Gegenwind:

Was haben Sie im Jemen für Probleme gehabt?

Ayesh Alsanadi:

Ich war im Iran, dort habe ich Informatik studiert. Damals war Krieg zwischen Huthis und der Regierung, damals gab es die Regierung von Ali Abdallah Saleh. Deshalb gab es für uns Probleme. Ich kam zurück aus dem Iran, und alle aus dem Iran standen unter Verdacht.

Gegenwind:

Wie lange hat es gedauert, bis das Bundesamt entschieden hat?

Ayesh Alsanadi:

Insgesamt ein Jahr und acht Monate. Und die Entscheidung war negativ, für meine Frau auch. Der Antrag war 2009, die Entscheidung 2010.

Gegenwind:

Haben Sie gegen die Entscheidung geklagt?

Ayesh Alsanadi:

Ja, das habe ich. Die Verhandlung war im August 2013. Und die war auch negativ.

Gegenwind:

Aber jetzt haben Sie ja eine Aufenthaltserlaubnis.

Ayesh Alsanadi:

Ja, das ist wegen meiner Arbeit und meinem Studium. Ich habe eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25b. Es ist schade, dass meine Frau nur eine Aufenthaltserlaubnis für sechs Monate bekommen hat. Sie ist Apothekerin, hat auch den Integrationskurs gemacht, aber eine Aufenthaltserlaubnis immer nur für sechs Monate ist für sie schwierig.

Gegenwind:

Was sind Ihre Ziele? Was wollen Sie in Deutschland erreichen?

Ayesh Alsanadi:

Ich möchte erstmal in Sicherheit leben, vor allem suche ich Sicherheit für meine Frau und meine Kinder. Dann wollen wir uns in die Gesellschaft in Deutschland integrieren. Und dann versuchen wir, eine gute Zukunft in Deutschland zu finden. Es gab für uns lange Zeit Schwierigkeiten, weil das Asylverfahren lange dauerte, das hat uns enttäuscht. Aber jetzt habe ich es mit meiner Familie geschafft, ich arbeite jetzt, meine Kinder gehen in die Schule, in die 4. Klasse und in die Sexta. Und das dritte Kind geht in die erste Klasse. Wir können also alles schaffen.

Gegenwind:

Ich möchte nach ein paar Personen und Gruppen im Jemen fragen. Wie beurteilen Sie den ehemaligen Präsidenten Saleh?

Ayesh Alsanadi:

Präsident Saleh war ein schlechter Mensch. Aber wir glauben jetzt, er ist ein guter Mensch geworden. Denn jetzt steht er an der Seite seines Landes. Er steht jetzt gegen die Aggression. Ich sehe ihn unterschiedlich in der Vergangenheit und in der Zukunft. Für die Zukunft ist er ein guter Mensch, er ist gegen den Krieg, der gegen unser Land geführt wird. Es ist egal, was er in der Vergangenheit gemacht hat. Jetzt macht er alles gut.

Gegenwind:

Wie beurteilen Sie seinen Nachfolger, Präsident Hadi?

Ayesh Alsanadi:

Er ist ein sehr, sehr schlechter Mensch. Er ist nach Saudi-Arabien geflogen. Er hat die Entscheidung zum Krieg gegen den Jemen unterstützt. Er hat mitgeholfen, den Jemen kaputt zu machen.

Gegenwind:

Wie beurteilen Sie die Huthis?

Ayesh Alsanadi:

Die Huthis sind die einzigen ehrlichen Menschen. In der Vergangenheit, in der Gegenwart und in der Zukunft waren sie immer ehrlich zu den Menschen, wir konnten ihnen immer vertrauen. Sie lügen nicht, sie wollen nicht an die Regierung, sie stehen an der Seite des Volkes.

Gegenwind:

Glauben Sie, dass die Bevölkerung im Süden auch zufrieden ist mit den Huthis?

Ayesh Alsanadi:

Sie waren nicht zufrieden. Aber zur Zeit, nach dem Krieg von Saudi-Arabien, haben sie verstanden: Die Huthis hatten Recht. Sie hielten damals die Huthis für falsch. Sie hatten gedacht, wenn Saudi-Arabien und andere Länder einmarschieren, würden sie dem Jemen helfen. Aber jetzt stehen einige auf der Seite der Huthis. Im Süden haben sie keine Sicherheit, kein Geld, keine Arbeit. Saudi-Arabien hilft ihnen nicht. Saudi-Arabien und die anderen Länder haben den Süden für die eigenen Interessen besetzt, sie helfen der Bevölkerung dort nicht.

Gegenwind:

Wie beurteilen Sie den südlichen Widerstand, Hirak?

Ayesh Alsanadi:

In der Vergangenheit war Hirak gut. Sie hatten richtige Forderungen, richtige Ziele. Sie hätten die Ziele erreichen können. Aber jetzt haben sie sich die falschen Freunde ausgewählt. Sie haben jetzt den Krieg gewählt. Sie konnten durch gute Politik ihre Ziele erreichen.

Gegenwind:

Wie beurteilen Sie al-Qaida?

Ayesh Alsanadi:

Al-Qaida, das sind sehr, sehr schlechte Menschen. Ihr Glauben ist falsch, sie machen alles kaputt. Wir glauben auch, sie wurden und sie werden von Saudi-Arabien und USA unterstützt. Saudi-Arabien und die USA benutzen al-Qaida für ihre Interessen.

Gegenwind:

Gibt es auch im Jemen Leute, die al-Qaida unterstützen?

Ayesh Alsanadi:

Ja, es gibt eine Partei im Jemen, die sagt, al-Qaida ist schlecht, aber trotzdem unterstützen sie sie. Das ist die Islah-Partei. Sie steht an der Seite von al-Qaida.

Gegenwind:

Wie beurteilen Sie den „Islamischen Staat”, Daesch?

Ayesh Alsanadi:

Ich glaube, ein Staat sollte nie abhängig von einer Religion oder einer Richtung sein. Die Menschen im Jemen haben einen unterschiedlichen Glauben, und es sollte ein demokratisches Land sein.

Gegenwind:

Was macht Saudi-Arabien im Jemen? Welche Interessen hat Saudi-Arabien?

Ayesh Alsanadi:

Saudi-Arabien möchte schon immer den Jemen beherrschen. Sie möchten den Jemen regieren, sie wollen dem Jemen nicht helfen. Sie wollen einen Kanal durch den Jemen zur Küste bauen. Aber Saudi-Arabien hat verschiedene Ziele. Aber seit einem Jahr und acht Monaten versucht sie, diese Ziele durch einen Krieg zu erreichen, aber sie können das nicht. Weil die Menschen im Jemen für ihre Interessen kämpfen, gegen Saudi-Arabien.

Gegenwind:

Was macht der Iran? Welche Interessen hat der Iran?

Ayesh Alsanadi:

Saudi-Arabien behauptet immer, dass der Iran im Krieg die Huthis unterstützt. Das war nicht richtig. Ich habe lange im Iran gelebt. Ich bin in den Jemen zurückgeflogen, ich habe auch im Jemen gearbeitet. Es gab dort keine iranische Unterstützung für die Huthis. Es gab keine militärische Unterstützung, keine Waffen aus dem Iran. Im Norden ist die Grenze zu Saudi-Arabien. Im Krieg der Huthis gegen die Regierung unter Präsident Saleh kontrollierte die Regierung die Grenzen, man konnte den Huthis nicht einfach Waffen schicken.

Gegenwind:

Welche Rolle spielen die USA im Jemen? Was sind die Interessen der USA?

Ayesh Alsanadi:

Die USA möchten die eigenen Interessen im Jemen durchsetzen. Sie möchten im Land bleiben, sie möchten Militär im Jemen stationieren. Wir haben jetzt 200 oder 300 Soldaten der USA im Land, und die USA möchte im Jemen bleiben.

Gegenwind:

Die USA sagt, dass sie al-Qaida bekämpft.

Ayesh Alsanadi:

Das ist nicht richtig. Die USA sagt das, aber die USA unterstützt al-Qaida. Sie hat durch Saudi-Arabien Waffen zu al-Qaida geschickt, Saudi-Arabien hat die Waffen mit Flugzeugen gebracht und abgeworfen über dem Gebiet von al-Qaida. Das ist auch bekannt. Es ist ein Spiel der USA.

Gegenwind:

Macht Russland etwas im Jemen?

Ayesh Alsanadi:

Russland macht nichts im Jemen.

Gegenwind:

Macht die Europäische Union etwas? Oder wünschen Sie sich etwas von der Europäischen Union?

Ayesh Alsanadi:

Die macht leider nur schlechte Sachen im Jemen. Großbritannien, Deutschland und Frankreich schicken Waffen nach Saudi-Arabien. Und die Waffen werden gegen Menschen eingesetzt, die Menschen im Jemen werden von diesen Waffen getötet. Es gab ja eine größere Diskussion im Bundestag, im Juni 2016, zu diesem Problem. Wir hoffen, dass die europäischen Länder nicht weiter Waffen nach Saudi-Arabien schicken. Es ist ein diktatorisches Land. Das Land rüstet sich auf, und es tötet Zivilisten.

Gegenwind:

Wie ist im Moment die Situation im Jemen?

Ayesh Alsanadi:

Es gibt zur Zeit Krieg an der Grenze zwischen Jemen und Saudi-Arabien. Das jemenitische Militär hat nach Norden angegriffen. Und im Süden gibt es auch Kämpfe.

Gegenwind:

Wie ist die Situation für die Bevölkerung?

Ayesh Alsanadi:

Die Bevölkerung leidet sehr, es geht ihr sehr schlecht. Sie haben keine Medikamente, keine Lebensmittel. Es gibt eine Belagerung auf dem Meer. Saudi-Arabien erlaubt keinem Schiff, das nach Jemen geschickt wurde, die Durchfahrt nach Jemen. Kein Flugzeug darf nach Jemen. Nach Informationen von Vereinten Nationen leiden 12,9 Million Menschen im Jemen unter Hunger.

Gegenwind:

Der Krieg dauert jetzt schon sehr lange. Können Sie schätzen, wie lange der Krieg noch dauert?

Ayesh Alsanadi:

Wir hoffen, dass der Krieg schnell beendet wird. Aber ich glaube, er dauert noch lange. Denn die internationale Gemeinschaft macht gar nichts. Sie gucken nur. Saudi-Arabien möchte den Jemen nicht verlassen. Die USA haben auch das Interesse, noch lange Waffen an Saudi-Arabien zu verkaufen.

Gegenwind:

Wenn Sie für sich selbst und Ihre Familie in die Zukunft sehen: Wie müsste der Jemen aussehen, damit Sie mit ihrer Frau besprechen, ob Sie dort leben können?

Ayesh Alsanadi:

Wenn der Krieg gestoppt ist, wenn das Land eine Regierung hat, die sich auch um die Bevölkerung kümmert, wenn gute Menschen im Jemen regieren, dann könnten wir das besprechen. Zuletzt: Für den freundlichen Empfang von mir und meiner Familie, für die humanitären Unterstützung möchte ich mich bei Deutschland bedanken.

Interview: Reinhard Pohl

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