(Gegenwind 343, April 2017)

Anleitung zum Schwarz sein
Anne Chebu: Anleitung zum Schwarz sein. Unrast Verlag, Münster 2016 (3. Auflage), 116 Seiten, 9,80 Euro

Weitergabe von Erfahrungen an junge Leute:

Als Schwarze in Deutschland

Es beginnt mit der Selbstdefinition: Bin ich schwarz? Bin ich braun? Bin ich farbig? Junge Menschen, deren Hautfarbe anders ist als die „normaler Einheimischer”, sind oft unsicher. Denn als Kinder finden sie vor allem sich selbst normal, aber bald wird ihnen klar, dass sie auch Sicht anderer nicht „zu uns” gehören.

Die Autorin beschreibt zunächst Fremdenfeindlichkeit, Ausländerfeindlichkeit und Schwarz-sein in Deutschland. Dabei kann sie - natürlich? - auf eigene Erfahrungen zurückgreifen. Außerdem gehört sie zur „Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland e.V. (ISD)”, ist also auch im ständigen Austausch mit anderen und beantwortet auch viele Anfragen, die sie oder den Verein erreichen, auch von Beraterinnen und Beratern, Lehrerinnen und Lehrern, die Unterstützung suchen, um schwarze Kinder und Jugendliche zu unterstützen.

In diesem Buch wird dann der Rassismus systematisch eingeordnet: „Woher kommst Du” ist das Startkapitel, im folgenden geht es um Haare, die auch wohlmeinende Freunde gerne einmal anfassen wollen. Weiter geht es dann mit Witzen über Schwarze, die manchmal begleitet werden von dem vorwurfsvollen „Stell Dich doch nicht so an. Sei doch nicht so empfindlich. Ist doch nicht böse gemeint.” Insgesamt schildert die Autorin den Umgang mit Rassismus bei Freunden und Bekannten als schwieriger als das Anpöbeln durch Fremde auf der Straße - bei Freunden trifft es einen mehr, und man möchte sie vielleicht nicht verlieren.

Weiter geht es mit Selbstwahrnehmung, Mutproben oder der Konfrontation mit „Blackfacing” im Fasching, also dem Verkleiden und Auftreten als „Neger”, der meistens so aussieht wie in der Bebilderungen bei Pipi Langstrumpf oder anderen Kinderbüchern. Und sie bezieht dann engagiert Standpunkt zur Frage, ob man Kinderbücher verändern sollte, wenn dort von „Negerkönigen” oder „Buschnegern” die Rede ist. Auch hier ist die Frage: Soll man sich als Betroffene „anstellen”? Soll man „kompliziert werden”? Ist das eine gesinnungspolizeiliche Maßnahme, wenn man als Betroffene Rassismus kritisiert?

Ein Thema ist natürlich auch die Kontrolle durch die Bundespolizei im Zug. Die meisten, die dies hier lesen, sind vermutlich noch nie während einer Zugfahrt kontrolliert worden. Die Autorin schon, Warum wohl? Und: Ja, eine rassistische Auswahl bei der Durchführung von Kontrollen ist verboten, ist illegal. Und: Ja, auch die Polizei, selbst die Bundespolizei muss sich an Gesetze halten.

Zum Schluss werden Hilfe und Selbsthilfeorganisationen, politische Organisationen überhaupt vorgestellt. Die Autorin fordert dabei auch dazu auf, eine eigene Gruppe (oder Ortsgruppe der vorgestellten Organisationen) zu gründen. Das ist vermutlich für viele ein zu großer Schritt, aber hoffentlich probieren es einige aus.

Das Buch ist, trotz des schweren Themas, kurzweilig und unterhaltsam geschrieben. Die Autorin billigt auch denen, die sie rassistisch angehen, einen zweiten Versuch zu. Dann sollte man aber Benehmen gelernt haben. Und: Nein, man darf einer schwarzen Frau nicht einfach an die Haare fassen.

Reinhard Pohl

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