(Gegenwind 368, Mai 2019)


Foto: Jens Kramer

Kommunale Wohnungen statt Vonovia & Co!

Unter der zentralen Parole „Kommunale Wohnungen statt Vonovia & Co“ fand am 27. April eine Demonstration in Mettenhof statt, die sich sowohl gegen das Geschäftsgebaren von Vonovia als auch gegen die unsoziale Wohnungspolitik der Stadt Kiel wandte. An der Demonstration, zu der das Bündnis für bezahlbaren Wohnraum aufgerufen hatte, beteiligten sich rund 250 Teilnehmer und Teilnehmerinnen. Viele von ihnen waren Mieter und Mieterinnen von Vonovia.

Allein in Mettenhof besitzt dieser Wohnungskonzern rund 2.400 Wohnungen. In den letzten vier Monaten sind in dem Stadtteil 1.100 Wohnungen aus der Sozialbindung gefallen, darunter sehr viele aus den Vono-via-Beständen. Das bedeutet, dass hier künftig die Mieten deutlich erhöht werden können.

Vonovia-Mieter und -Mieterinnen treffen sich in Mieterversammlungen

Der Demonstration sind Versammlungen von Vonovia-Mietern und -Mieterinnen in Projensdorf, Gaarden und Mettenhof vorausgegangen, in denen zunächst die Erfahrungen mit dem Geschäftsgebaren dieses Konzerns Thema waren. Inzwischen folgte eine weitere Versammlung in Friedrichsort.

Im Mittelpunkt standen dabei Mieterhöhungen als Folge von Modernisierungen oder mögliche Mieterhöhungen bei Wohnungen, die aus der Mietpreisbindung fallen. Darüber hinaus wurde über die Vernachlässigung notwendiger Reparaturen und Instandhaltungen geklagt, die nicht selten Schimmel, Zugluft und Feuchtigkeitsschäden zur Folge haben oder über überhöhte Betriebskostenabrechnungen und häufig schlechte Serviceleistungen der Vonovia-Tochterunternehmen, zum Beispiel bei Reparaturen, Hausmeister-, Winter- und Gartendiensten. Nicht selten wurden auch Leistungen in Rechnung gestellt, die überhaupt nicht erbracht wurden.

Weiterhin wurden die langwierigen und komplizierten Beschwerdeverfahren bemängelt, die dazu führen, dass viele Mieter und Mieterinnen genervt aufgeben oder sich gar nicht erst in die Telefonwarteschleife der Zentrale in Bochum begeben, über die alles läuft.

Doch der Ärger und die Gefühle eigener Ohnmacht sind für viele Mieter und Mieterinnen der Grund dafür, in Mieterversammlungen über ihre Erfahrungen zur reden und darüber nachzudenken, wie man sich gegen diese Missstände wehren kann.

Dass das sehr erfolgreich sein kann, zeigten zum Beispiel die Vonovia-Mieter und Mieterinnen in einem Hochhaus in der Projensdorfer Straße. Hier hatte Vonovia als Folge geplanter Modernisierungen erhebliche Mieterhöhungen angekündigt. Dabei bewegten sich viele der angekündigten Maßnahmen, wie häufig bei Vonovia, in der Grauzone zwischen Modernisierungen und Instandhaltungen, die nicht auf die Miete aufgeschlagen werden dürfen.

In Reaktion auf diese Ankündigung versammelten sich die Mieter und Mieterinnen des Hauses, luden die Presse, den Mieterverein und das Bündnis für bezahlbaren Wohnraum ein und erklärten öffentlich, dass sie sich gegen diese Mietererhöhung kollektiv wehren würden. Im weiteren Verfahren wählten sie eine Verhandlungsdelegation, die in ihrem Namen mit Vonovia verhandelte. Das vorläufige Ergebnis dieser Verhandlungen besteht darin, dass Vonovia in den nächsten drei Jahren auf die angekündigten Modernisierungsmaßnahmen und die damit verbundene Mieterhöhung verzichtet.

Die politische Auseinandersetzung mit privaten Wohnungskonzernen

Neben dem gemeinsamen Widerstand gegen Mieterhöhungen und konkrete Missstände in den Wohnungen muss vor allem auch auf der politischen Ebene sehr deutlich werden, dass es nicht hinzunehmen ist, dass das Grundbedürfnis aller Menschen nach einer guten und bezahlbaren Wohnung den Anlageinteressen und Renditeerwartungen von Aktionären, Immobilienfonds und Bodenspekulanten untergeordnet wird.

Dass sich dagegen ein breiter Widerstand formiert, wird durch die großen Demonstrationen in München, Hamburg und Berlin deutlich. Allein in Berlin gingen nicht nur 40.000 Menschen gegen die Wohnungsnot in dieser Stadt auf die Straße, sondern es entstand auch eine Volksinitiative, die die Enteignung der „Deutschen Wohnen“, Berlins größten privaten Wohnungskonzern, und aller privaten Gesellschaften mit einem Wohnungsbestand von mehr als 3.000 Wohnungen fordert.

Kiel ist nicht Berlin, und 250 Demonstranten auf einer stadtteilbezogenen Demonstration nehmen sich gegenüber 40.000 Demonstranten in Berlin bescheiden aus. Doch es war ein wichtiger Anfang, über den in den Medien berichtet wurde. Auch künftig muss Vonovia durch öffentliche Aktionen und Berichte über Missstände politisch unter Druck gesetzt werden. Schon jetzt ist dem Konzern nicht nur bundesweit, sondern auch in Kiel ein erheblicher Imageschaden entstanden.

Das Versagen der Kieler Wohnungspolitik

Neben dem Geschäftsgebaren und der Rolle der großen privaten Wohnungskonzerne hat natürliche die kommunale Wohnungspolitik für die Versorgung einer Stadt mit bezahlbarem und gefördertem Wohnraum eine zentrale Bedeutung. Dabei hat die Stadt Kiel im Verlauf der letzten zwanzig Jahren völlig versagt.

Bereits 1999 verkaufte Kiel unter dem SPD-Oberbürgermeister Gansel den gesamten Bestand ihrer kommunalen Wohnungsgesellschaft an die Aktiengesellschaft WCM zu einem Schleuderpreis. Für die rund 11.000 Wohnungen bekam sie 250 Millionen DM. Im Durchschnitt zahlte WCM somit gerade einmal rund 22.700 DM für eine Wohnung.

Die meisten davon sind inzwischen nach deftigen Preisaufschlägen bei Vonovia gelandet.

In den Folgejahren wurde von der Stadt der soziale Wohnungsbau völlig vernachlässigt, obwohl absehbar war, dass immer mehr Sozialwohnungen aus der Mietpreisbindung fallen werden. Von ehemals 13.700 Sozialwohnungen sind in Kiel inzwischen nur noch 1.500 übriggeblieben

Nach mehreren Prognosen wächst in dieser Stadt der Bedarf an neuen Wohnungen bis zu dem Jahr 2020 insgesamt auf 21.000. Entsprechend dem Masterplan Wohnen der Stadt Kiel sollten zwischen 2015 und 2019 insgesamt 8.770 Wohnungen neu gebaut werden. Gebaut wurden bis 2017 aber nur 1.030 Wohnungen. Das sind einmal ein Achtel der angestrebten Zahl. Dabei beschränkte sich der Wohnungsbau fast ausschließlich auf den Bau von Eigentumswohnungen oder teuren Mietwohnungen, die sich nicht einmal Haushalte mit einem Durchschnittseinkommen leisten können.

Bei dieser Entwicklung verwundert es nicht, wenn laut einer Studie der Böckler Stiftung in Kiel Wohnungen für 24.000 Haushalte fehlen, die mit weniger als einem mittleren Einkommen auskommen müssen. Steigende Mieten und der eklatante Mangel an bezahlbaren und geförderten Wohnungen führten darüber hinaus dazu, dass die Zahl der Menschen, die überhaupt keine Wohnung mehr haben, in den letzten vier Jahren um 40 Prozent auf 2.157 angestiegen ist.

Auch hinsichtlich der sozialen Spaltung von Wohngebieten kommt Kiel in einer Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung im Vergleich mit anderen deutschen Großstädten schlecht weg. Das „Westufer und die Innenstadt auf der einen Seite, Gaarden und Mettenhof auf der anderen. Diese Spaltung ist wie auch in anderen deutschen Großstädten eine Folge einer allgemeinen sozialpolitischen Entwicklung“, die der Studienleiter Prof. Marcel Helbig laut KN vom 21.8.2018 wie folgt beschreibt: „Die Ghettobildung schreitet voran, weil die staatliche Sozialpolitik die Armen bis heute in bestimmte Viertel hineinschiebt.“

Doch dieser Prozess vollzieht sich nicht nur durch die Sozialpolitik sondern auch durch eine Stadtplanung, die zulässt, dass private Investoren mit hohen Gewinnerwartungen in guten zentralen Lagen fast ausschließlich Luxuswohnungen bauen, wie beispielsweise in Kiel am Schlosspark und an der alten Feuerwache.

Wir brauchen in Kiel dringend eine soziale Wohnungspolitik

Die überwiegende Mehrheit der Kieler und Kielerinnen braucht eine Wohnungspolitik, die nicht von den Interessen privater Wohnungskonzerne, Investoren und Bodenspekulanten bestimmt wird, sondern von den Bedürfnissen der Menschen nach gutem und bezahlbarem Wohnraum. Dazu gehört besonders ein ausreichendes Angebot an gefördertem Wohnraum.

Um das zu erreichen, sind im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten mindestens die folgenden Instrumente auf kommunaler Ebene dringend erforderlich:

Eine schlagkräftige kommunale Wohnungsgesellschaft

Nach zähem Ringen und wachsendem politischen Druck hat die Kieler Rathauskoalition die Entwicklung einer kommunalen Wohnungsgesellschaft beschlossen. Das ist zu begrüßen. Doch leider verläuft der Aufbau sehr schleppend und ist, nach dem, was bisher bekannt ist, in seiner Konzeption völlig unzureichend.

In der Endausbaustufe ist ein Bestand von 4000 Wohnungen geplant und zur Finanzierung der künftigen kommunalen Wohnungen ist ein jährliches Investitionsvolumen von zehn Millionen Euro eingeplant. Bedenkt man, dass die ehemalige kommunale Gesellschaft KWG einen Bestand von 11.000 Wohnungen hatte und allein Vonovia in Kiel über 15.000 Wohnungen besitzt, ist das ein äußerst bescheidener Ansatz und sieht eher nach einer Notversorgung aus.

Der Verband des Deutschen Baugewerbes geht in einer Berechnung bei dem Neubau eines Mehrfamilienhauses zurzeit von 2400 Euro pro Quadratmeter aus.

Rechnet man den durchschnittlichen Bodenpreis hinzu, kommt man auf 3000 Euro.

Damit würde beispielsweise eine 60 Quadratmeter-Wohnung 144.000 Euro ohne Grundstückspreis kosten. Mit einem Jahresbudget von 10 Millionen könnte die Stadt Kiel gerade einmal jährlich 70 Wohnungen dieser Größe auf eigenen Grundstücken bauen. Auch bei einem Ankauf von Wohnungen mit einem hohen Sanierungsbedarf fällt die Bilanz nicht sehr viel besser aus. Angesichts des beschriebenen Mangels an bezahlbarem Wohnraum reicht das hinten und vorne nicht.

Wir brauchen eine Wohnungsgesellschaft, die jährlich deutlich mehr investiert und letztlich einen Bestand von mindestens 15.000 Wohnungen zum Ziel hat. Als GmbH wäre eine solche Gesellschaft nicht der Schuldenbegrenzung öffentlicher Haushalte unterworfen und könnte auf dem Kapitalmarkt für den Kauf und Bau von Wohnungen bei derzeit niedrigen Zinsen Kredite aufnehmen. Dazu kämen Fördermittel vom Land und vom Bund. Dass das in weit größerem Ausmaß als von Kiel geplant möglich ist, zeigen kommunale Wohnungsgesellschaften in verschiedenen deutschen Großstädten.

Vierzig Prozent sozialer Wohnungsbau bei privaten Neubauprojekten

Um den in der Vergangenheit völlig vernachlässigten sozialen Wohnungsbau bei Neubauprojekten halbwegs auszugleichen, ist auch privaten Investoren eine Quote von vierzig Prozent sozialer Wohnungen über die Bebauungsplanung vorzuschreiben.

Kein Verkauf städtischer Flächen an private Investoren

Flächen im städtischen Besitz sind der eignen Wohnungsgesellschaft vorbehalten und sollten als Ausnahmen nur für gemeinnützige Wohnungsgenossenschaften oder alternative und soziale Bauprojekte in Erbpacht vergeben werden.

Aktive Bodenpolitik

Gerade in Hinblick auf eine eigene Wohnungsgesellschaft ist es notwendig, den Bestand an kommunalen Grundstücken und Liegenschaften kontinuierlich auszubauen. Dabei können Vorkaufsrechte und die kommunale Planungshoheit gezielt eingesetzt werden.

So kauft beispielsweise die Stadt Ulm schon seit vielen Jahren Flächen für künftige Entwicklungen auf. Inzwischen ist mehr als ein Drittel des Stadtgebiets in öffentlicher Hand.

Keine Verdrängung von Mietern durch Milieuschutzsatzungen

Eine Verdrängung der bisherigen Mieter und Mieterinnen aus einem Quartier durch Modernisierungen, durch die Umwandlung von Mietwohnungen zu Eigentumswohnungen oder durch die Aufwertung eines Stadtteils mit der Folge allgemeiner Mietsteigerungen ist durch eine „Milieuschutzsatzung“ zu verhindern. Nach dem Baugesetzbuch können Kommunen eine sogenannte Erhaltungssatzung beschließen, um die soziale Zusammensetzung der Wohnbevölkerung eines Quartiers zu schützen. Damit können Luxussanierungen, Grundrissänderungen oder der Abriss preisgünstiger Wohnungen untersagt werden.

Kauf auslaufender Mietpreisbindungen

Künftig müssen die Mietpreisbindungen im geförderten Wohnungsbau unbefristet sein. Doch eine solche grundsätzliche Veränderung liegt rechtlich nicht in den Gestaltungsmöglichkeiten der Kommune. Die Kommune kann aber durch Zuschüsse an die Vermieter Mietpreisbindungen kaufen und sich damit Belegungsrechte sichern.

Wahrnehmung des kommunalen Vorkaufsrechts

Unter bestimmten Bedingungen können Kommunen nach dem Baugesetzbuch ein Vorkaufsrecht wahrnehmen. Das gilt besonders in Milieuschutzgebieten, Sanierungsgebieten und sog. städtebaulichen Entwicklungsbereichen. Auch damit lässt sich bezahlbarer Wohnraum sichern. In Berlin wurden nach diesem Verfahren beispielsweise in 20 Fällen rund 500 Wohnungen rekommunalisiert.

Soziale Anpassung der Kosten der Unterkunft und die Verhinderung von Zwangsräumungen

Die Kosten der Unterkunft (KdU) werden für Hartz IV-Beziehende von den Kommunen übernommen. Dabei wird eine Höchstmiete je nach Haushaltsgröße festgelegt. Steigen die Mieten über diese Grenze, müssen die Mieter und Mieterinnen aus ihrem dürftigen Hartz IV-Satz die Differenz zahlen. Das kann in letzter Konsequenz zu Mietschulden, zum Auszug oder sogar zur Wohnungslosigkeit führen.

Die Höchstgrenze für die Kosten der Unterkunft muss sich mindestens am Durchschnitt der ortsüblichen und quartiersüblichen Mieten orientieren und ständig auf der Basis des Mietspiegels der Mietentwicklung angepasst werden.

Natürlich werden durch ein solches Verfahren Mietsteigerungen privater Vermieter und Investoren mit Steuergeldern finanziert. Deswegen wird diese Vorgehensweise von dieser Seite auch gegenüber dem kommunalen Wohnungsbau propagiert und favorisiert. Ein Grund mehr, ihn engagiert zu betreiben.

Dennoch ist es unter den gegebenen Verhältnissen nicht zu akzeptieren, dass Menschen mit einem niedrigen Einkommen diesem Monopoly zum Opfer fallen, ihre Wohnung verlieren und schlimmstenfalls auf der Straße landen. Letzteres ist häufig die Folge von Zwangsräumungen. Sie müssen durch frühzeitige Hilfsangebote, die von der Schuldnerberatung bis zur Übernahme von Schulden reichen, verhindert werden.

Wohnungslosigkeit ist für die betroffenen Menschen eine existenzielle Not, die einhergeht mit sozialer Ausgrenzung und Gefühlen von Erniedrigung und Wertlosigkeit. Sie ist ein sozialpolitischer Skandal für ein reiches Land wie die Bundesrepublik. Das gilt auch für Kiel mit über 2000 Menschen ohne Wohnung.

Andreas Meyer

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