(Gegenwind 378, März 2020)

Verdächtige Hamburger Parkbank
Verdächtige Hamburger Parkbank

Repression

Hochsicherheitssaal 237, Strafjustizgebäude Hamburg

In Hamburg laufen seit 2017 immer mehrere Prozesse wegen der G20-Proteste gleichzeitig. Seit dem achten Januar bis in den Herbst läuft auch der Strafprozess gegen „Die Drei von der Parkbank“.

Am achten Juli 2019 stürmten um kurz nach Mitternacht fünf Zivilpolizisten auf eine Parkbank in einer kleinen Grünanlage in Hamburg-Eimsbüttel zu und nahmen die dort sitzenden engagierten Linken Felix R., Ingmar S. und Lykke D. fest. Angeblich, so hieß es von seitens der Pressestelle der Hamburger Polizei in den Tagen danach, hätten sich die drei Verhafteten auffällig verhalten. In der linken Szene Hamburgs stieß diese Darstellung auf Unglauben - sich in einer der in Hamburg raren lauen Sommernächte in einem kleinen Park aufzuhalten, ist wohl kaum ungewöhnlich.

Aber die Beamten durchsuchten die drei Verdächtigten und erklärten später, sie hätten in einem Rucksack neben Grillanzündern und Handschuhen vier Brandsätze gefunden - Halbliterplastikflaschen, gefüllt mit Benzin, an denen Lunten befestigt gewesen seien. Außerdem hätte der Verdächtige, dem der Rucksack von der Polizei zugeordnet wurde, einen Zettel dabei gehabt mit vier Adressen: Dem Firmensitz der Vonovia, die viele Wohnhäuser in Hamburg besitzt und der vom Mieterverein Hamburg und Initiativen vorgeworfen wird, rabiat Mieterhöhungen durchzusetzen und bei der Instandhaltung der Wohnungen gerne zu sparen - siehe Kasten. Außerdem die Adresse des Firmenparkplatzes der Vonovia, sowie einer Filiale der Maklerfirma Großmann & Berger und von der Villa von Hamburgs Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Dorothee Stapelfeldt in Hamburg-Winterhude - allesamt einige Kilometer entfernt von der Parkbank und über drei Stadtteile verteilt.

Die beiden anderen Verdächtigten hätten, so die Polizeipressestelle, in ihren Rucksäcken: „Wechselkleidung“! Seit dem G20-Gipfel in Hamburg im Juli 2017 gilt die Mitnahme von Ersatzklamotten durch aktive Linke als Hinweis auf geplante Straftaten. Bereits in den ersten Polizeiberichten stand nach dem G20-Protest, Verdächtige hätten auffällig oft Wechselkleidung dabei, um sich zu tarnen. In den fünf großen Öffentlichkeitsfahndungen der Polizei wurden in der Regel Fotos der Gesuchten in unterschiedlicher Kleidung ins Netz gestellt, oft an verschiedenen Tagen aufgenommen. Auch hier wurde bereits eine Tarnung durch Wechselkleidung behauptet. Sehr verdächtig außerdem in den Augen der Polizei: Alle Drei Verhafteten hätten „funktionierende Feuerzeuge“ und zusätzlich Streichhölzer bei sich gehabt - aber „keine Zigaretten oder ähnliches“.

Zwei der drei Verdächtigten sitzen seitdem mittlerweile über sechs Monate in Untersuchungshaft - eine Dauer, die nur bei schweren Straftaten üblich ist. Begründung: Sie würden nicht an ihren Meldeadressen wohnen. Die dritte Person bekam Haftverschonung, weil Meldeadresse und Wohnort übereinstimmen würden - dafür wurde im Oktober das Wohnprojekt durchsucht, in dem sie lebt. „Es handelte sich um eine Durchsuchung des Staatsschutzes aus einem laufenden Ermittlungsverfahren heraus“, erging sich Polizeisprecher Ulf Wundrack danach gegenüber der taz in Andeutungen, „und diente zum Auffinden von schriftlichen Unterlagen“. Dabei wurde aber nicht nur das Zimmer der Beschuldigten durchsucht: „Das LKA benahm sich auf gewohnte Weise daneben“, so ein anonymer Bericht auf Indymedia, „ZeugInnen wurden nicht zugelassen und weitere Räume betreten“. Offensichtlich fahndet der Staatsschutz nach einer vierten Person, um ihr den vierten Brandsatz zuzuordnen.

Bereits im August steckte der Staatsschutz gegenüber der Hamburger Lokalredaktion der „Welt“, dass mit der Festnahme der Drei von der Parkbank ein großer Fahndungserfolg gelungen sei: „Wir haben ins Herz der anarchistischen Szene gestochen“ wird er anonym zitiert. Schon öfters klang durch, nach den Zufallsverhaftungen bei den G20-Protesten wolle der Staatsschutz auch bekannte Aktive der linken Szene „überführen“. „Wir haben die Nadel im Heuhaufen gesucht und gefunden“ raunte der anonyme Staatsschützer der „Welt“ im August zu und räumte nebenbei ein, einer der Drei sei am Tag vor dem Showdown an der Parkbank permanent observiert worden.

Auch aus der Anklageschrift, die Anfang November zugestellt wurde, wird deutlich, dass die Justiz den Prozess hoch hängt - die Drei hätten sich „zu einem Verbrechen verabredet“, behauptet darin die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg. „Die vermeintlichen Straftaten bezeichnet die Generalstaatsanwaltschaft als geplante Brandstiftungen sowie eine geplante schwere Brandstiftung“, so die Solidaritätsgruppe auf ihrem Blog parkbanksolidarity.blackblogs.org, „Die Unterscheidung in Brandstiftungen und eine schwere Brandstiftung basiert darauf, dass bei einem der vermeintlichen Ziele eine akute Gefährdung für Leib und Leben von Menschen auf Grundlage von Spekulationen fabuliert wird“. Im Falle einer Verurteilung könnte diese bis zu elf Jahren und drei Monaten Haft bedeuten. Außerdem sei das Mitführen von Brandsätzen durch einen Beschuldigten ein „Verstoß gegen das Waffengesetz“, zu dem die anderen beiden „Beihilfe zum Verstoß gegen das Waffengesetz“ geleistet hätten.

Die Drei von der Parkbank würden sich, so die Solidaritätsgruppe, „weder zu den Anklagepunkten, noch zu den Ermittlungen äußern“ - die Generalstaatsanwaltschaft könne nur versuchen, sie mit Hilfe der Ermittlungsergebnisse zu überführen. Aufgrund des Zeitpunktes der Verhaftung spekuliert die Generalstaatsanwaltschaft in der Anklageschrift, die Beschuldigten hätten bestimmt Anschläge zum G-20 Jahrestag geplant. Genauso plausibel wäre die Mutmaßung, die Drei seien auf Wohnungssuche gewesen. „Dass die Haustür der Wohnanschrift einer Hamburger Senatorin konkretes Anschlagziel gewesen sein soll, basiert auf reiner Spekulation“, kritisiert die Solidaritätsgruppe. Und wenn „die Tür ein geeignetes Ziel gewesen sein könnte, heißt noch lange nicht, dass diese auch angezündet werden sollte und Menschenleben aufs Spiel gesetzt werden“ würden.

Fünf Tage vor dem Prozessbeginn am achten Januar wurden die Ermittlungen vom Polizeireporter des „Hamburger Abendblatt“ referiert, ohne die Kritik der Solidaritätsgruppe auch nur zu erwähnen: Es sei „ein spektakulärer Schlag gegen die linksextremistische Szene gelungen“, so Daniel Herder, „kein G20-Prozess hat die internationale linksautonome Szene derart elektrisiert“. Wieder wird ein anonymer Beamter zitiert: „wir haben die anarchistische Szene kalt erwischt“. Während die politischen Zuschreibungen so munter durcheinander purzeln, wird es bei der Schilderung der Verhaftung umso eindimensionaler. Die Polizeidarstellung wird eins zu eins übernommen. Minutiös wird die Observation des Hauptverdächtigten nacherzählt: „Sie beobachten, wie er um 21:26 seine Wohnung in Hohenfelde verlässt, wie er mit dem Fahrrad zu einer Shell-Tankstelle an der Eiffestraße fährt, dort an Zapfsäule vier einen gelben Kanister mit Benzin befüllt...“ So funktionierte der polizeinahe Journalismus einmal mehr, den nicht nur die Abteilung sieben des LKA Hamburg, der Staatsschutz, sondern auch die Polizeiführung Hamburgs schätzt. Dass der Prozess im Hochsicherheitssaal 237 im Strafjustizgebäude stattfindet, in dem eine Panzerglasscheibe die Angeklagten vom Publikum trennt, ist selbstverständlich keine Präjudizierung des Urteils, sondern eine reine Sicherheitsvorkehrung - „wegen der gewaltigen Resonanz aus dem linksextremistischen Spektrum“, wie das Abendblatt einen Staatsschützer zitiert, der damit auf eine Serie von Brandstiftungen und Farbbeutelwürfen anspielt, mit denen nicht nur in Hamburg gegen die Verfolgung der Drei von der Parkbank protestiert wird. Trotz der schikanösen Einlasskontrollen an den ersten Prozesstagen, bei denen sogar Schuhsohlen durchleuchtet wurden, kam es im Gerichtssaal zu Solidaritätsbekundungen.

Generalstaatsanwalt Ralf Schakau forderte die Richterin auf, dagegen einzuschreiten. Alexander Kienzle, einer der Verteidiger, konterte, Schakau solle nicht den Ablauf zu stören, hier sei Deeskalation nötig. Worauf der Generalstaatsanwalt erwiderte: „Genau diese Art Deeskalation ist es, die den Nährboden für extremistische Taten bereitet!“ Einen Anwalt so anzugehen, erinnert an die Prozesse gegen die Angehörigen der RAF. Dazu passt, dass Torsten Voß, Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz in Hamburg im Dezember durch Hamburger Medien gereicht wurde mit der Behauptung: „Der Linksextremismus wird zunehmend militant - er ist auf dem Weg, die Schwelle des Linksterrorismus zu erreichen.“ Der Anlass waren Farbbeutelwürfe am 13. Dezember auf eine Dienstlimousine, in der Hamburgs Innensenator Andy Grote mit Body Guards saß, zufällig war auch sein zweijähriger Sohn mit im Auto. Das Bekennerschreiben zu den Farbbeutelwürfen, bei denen kein Personenschaden entstand, beginnt mit der Widmung: „Für die Parkbankcrew“.

Gaston Kirsche

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