(Gegenwind 384, September 2020)

Ostsee schützen - Tunnelbau stoppen!
Taucher und Wassersportler am 12. Juli 2020 mit einem 24 Meter langen BELTRETTER-Kreuz - dem Symbol des Widerstands gegen den 18 Kilometer langen Tunnel

Verkehr

„... das Querungsbauwerk ad acta zu legen. Diese Entscheidung streben wir an“

Ende September beginnt vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die mündliche Verhandlung über die Klage verschiedener Verbände gegen den Planfeststellungsbeschluss für den deutschen Teil des Fehmarnbelt-Tunnels. Über den Inhalt dieser Klage und die grundsätzliche Kritik an der festen Fehmarnbelt-Querung sprachen wir mit Aktvist*innen der „Allianz gegen eine feste Fehmarnbelt-Querung“.

Gegenwind:

Auf der homepage der schleswig-holsteinischen Landesregierung heißt es zur festen Fehmarnbelt-Querung: „Mit einer festen Querung wird die natürliche Barriere des Fehmarnbelt überwunden. Gleichzeitig wird mit der Fehmarnbelt-Querung die letzte große Lücke im grenzüberschreitenden Verkehrsnetz Nordeuropas geschlossen. Dadurch entsteht eine grenzübergreifende Fehmarnbeltregion mit einem starken Wirtschaftspotenzial und neuen Chancen für die deutsch-dänische Zusammenarbeit. Das wollen wir erreichen:

Was sagt Ihr, als Kritiker der festen Belt-Querung zu diesen Aussagen?

Bodo Gehrke (BI „Holstein ohne Beltquerung“):

Beginnen wir mit der Erwiderung auf die drei Deklarationen der Landesregierung Schleswig-Holstein.

Erstens: Dänemark und Schleswig-Holstein werden weiter zusammenwachsen. Wir erwidern: Dänemark und Schleswig-Holstein sind heute zusammen gewachsen, in Richtung Jütland liegen diese beiden Länder eng beieinander. Dort durchdringen sich Kultur und Wirtschaft seit Jahrzehnten. Und über die schwimmende Brücke der hochmodernen ökologisch vorbildlichen Fähren von Puttgarden nach Rödby werden 48 mal täglich im Roll on roll off Verfahren Menschen und Güter transportiert. Selbst Personenzüge gehen an Bord der Fähre.

Zum Zweiten: Mit der festen Fehmarnbeltquerung werde der Transport von Gütern und Personen von und nach Skandinavien schneller billiger und umweltschonender. Es hat für den Transport von Gütern und Personen zwischen Skandinavien und Mitteleuropa diverse Kanäle und Achsen, die den Landweg und das Meer nutzen, die Straßen gebunden und Schienen gebunden sind und es hat sich weder aktuell noch in der Tendenz ein zunehmender Bedarf gezeigt. „Schneller“ dieses ist ein Attribut was auf Güterzug-Transporte schwer anzuwenden ist weil ein Güterzug Transport oftmals durchdrungen ist von Wartezeiten, Umkopplungen und Weiterfahrten in anderen Konstellationen.

„Billiger“ - das ist anzuzweifeln, wenn man die wahren Kosten ermittelt und bedenkt, die in Milliardenhöhe auf das Projekt anzuwenden sind. Und „umweltschonender“ - dagegen sprechen sämtliche Untersuchungen. Die Vergleiche gehen nicht nur davon aus dass schon beim Bau Millionen Tonnen - es sind bezüglich der Tunnelröhre allein über zwei Millionen Tonnen CO2 - in die Atmosphäre entlassen werden. Auch im Betrieb zeigt das Gutachten des Verkehrsbüros Rößler aus 2017, dass es keinerlei Vorzüge der festen Fehmarnbeltquerung gegenüber dem Fährverkehr gibt aus ökologischer Sicht wird.

Gegenwind:

In den letzten Monaten ist von verschiedensten Seiten (aus ökologischer, verkehrstechnischer, ökonomischer Sicht) erneut grundsätzliche Kritik an diesem Projekt laut geworden. Ende September beginnt vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig nun die mündliche Verhandlung über Eure Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss für den deutschen Teil des Fehmarnbelt-Tunnels. Kannst Du erläutern, worum es in der Klage konkret geht und welches Ergebnis Ihr euch erhofft.

Bodo Gehrke:

Vor dem Bundesverwaltungsgericht werden 8 Klagen gegen das Großprojekt verhandelt werden - unter anderem hat der Naturschutzbund NABU Klage eingereicht. Die Organisation sieht erhebliche Verstöße gegen mehrere europäische und nationale Umweltrechtsnormen.

Das Aktionsbündnis Fehmarn, das aus dem Kreis der Bürgerinitiativen auch zu den Klägern gehört betont: Das Verfahren beim BVerwG dient zur Nachprüfung, ob der Planfeststellungsbeschluss (PFB) die gesetzlichen Vorgaben eingehalten hat. Stellt das Gericht sehr schwerwiegende Fehler fest, muss es den PFB aufheben. Konsequenz: Femern A/S muss dann die Unterlagen für ein erneutes Planfeststellungsverfahren weitgehend neu erstellen.

Bei Rechtsfehlern in nur einigen Punkten des PFB erklärt das Gericht den PFB für nicht vollziehbar wegen Rechtswidrigkeit. Dann muss ein Planänderungsverfahren zu den monierten Punkten erfolgen. Die Erfahrung bei der A20 zeigt, dass diese Planänderungen mehrere Jahre dauern können. Solange besteht aber auch kein deutsches Baurecht. Verzögerungen und die inhaltliche Infragestellung sind zwei wesentliche Aspekte, das Projekt in Zweifel zu ziehen wie es die Faktenlage verlangt. Letztendlich ist es eine politische Entscheidung in Deutschland und Dänemark das Querungsbauwerk ad acta zu legen. Diese Entscheidung streben wir an. Der Weg dazu ist der § 22 des Staatsvertrages zwischen Deutschland und Dänemark.

Gegenwind:

Seit Jahren wird auf die drohenden schwerwiegenden Umweltfolgen des Tunnelbaus hingewiesen. Jetzt gibt es neue Untersuchungen, die noch weitaus größere Schäden befürchten lassen. Der Bauantrag für den Fehmarnbelt-Tunnel muss aufgrund dessen eventuell überarbeitet werden - das bestätigte sogar Verkehrsstaatssekretär Rohlfs (FDP) gegenüber dem NDR am 20. Juni 2020. Worum handelt es sich dabei genau?

Isabel Arent (BIPS-„BI Pönitzer Seenplatte“ und Pressesprecherin der „AG Belt Hamburg“):

Der Naturschutzbund Deutschland (NaBu) hat auf eigene Kosten bereits 2019 eine umfassende Dokumentation von Riffen im Fehmarnbelt erstellt. Taucher haben Bildmaterial von Riffen mit extrem vielfältiger Meeresflora und -fauna gemacht - wo der Vorhabenträger Femern A/S in den Unterlagen des Planfeststellungsverfahrens nur Sand ausgewiesen hat. Die Nabu Dokumentation ist im Internet zu finden: https://www.nabu.de/news/2019/09/26928.html. Dieser Dokumentation schließt sich nun auch die Landesregierung Schleswig-Holstein im Sommer 2020 mit eigenen Nachforschungen an. Die Riffe sind die Kinderstube vieler und seltener Meeresbewohner; durch die erwartete massive Sedimentierung des Meereswassers und die Bauarbeiten auf dem Boden des Belt geraten sie in höchste Gefahr. Ebenso finden wir eine Gefährdung des Wasseraustausches zwischen Nord- und Ostsee ausgelöst durch die Bauweise des Absenktunnels, die das Durchflussvolumen des Fehmarnbelt verkleinern wird. In der Folge könnte sich der Salzgehalt der Ostsee verändern, was massive Auswirkungen auf Fauna und Flora nach sich zieht. Letztendlich geht es bei der Verhinderung dieses Eingriffs in die Ostsee auch um Klimaschutz, denn ein gesundes Meer ist ein wichtiger Faktor für einen wirksamen Klimaschutz.

Gegenwind:

Hat nicht das Gericht der Europäischen Union 2018 Klagen der Reedereien Scandlines Danmark und Scandlines Deutschland sowie der schwedischen Stena Line Scandinavia teilweise stattgegeben, in dem es feststellte, dass die vorgesehene staatliche Förderung des geplanten Fehmarnbelt-Tunnels nicht rechtens sei? Wie ist hier der Stand der politisch-juristischen Auseinandersetzungen?

Bernd Friedrichs (Konzernbetriebsratsvorsitzender Scandlines Deutschland):

Am 20. März 2020 veröffentlichte die Europäische Kommission eine neue Genehmigung der Finanzierung - jedoch mit wesentlichen Einschränkungen. Die EU stimmt dem dänischen Staat nicht zu und kommt eindeutig zu dem Ergebnis, dass die Kredite und Garantien des Dänischen Staates an Femern AS staatliche Beihilfe sind. Dies schafft klare Rahmen dafür, wie ein sich in staatlichem Besitz befindliches Unternehmen mit einem privaten Akteur wie uns konkurrieren kann. Das dänische Verkehrsministerium hat vehement dafür gekämpft, dass es sich nicht um wirtschaftliche Aktivität handelt, dass der Tunnel kein Konkurrent sei und dass sich deshalb nicht um staatliche Beihilfe handelt. In ihrer neuen Genehmigung hat die EU festgelegt, dass die Verwendung von Staatsgarantien und staatlichen Darlehen begrenzt werden soll. So sollen höchstens 9,3 Mrd. EURO während der ersten 16 Jahre des Betriebs einer festen Querung, und nicht wie ursprünglich vorgesehen 55 Jahre zur Verfügung stehen. Am 25. Mai 2020 kündigte Dänemark an, gegen die Neubewertung der Europäischen Kommission zu klagen.

Gegenwind:

Im September 2011 wurde auf Initiative der Landesregierung Schleswig-Holsteins das „Dialogforum Feste Fehmarnbeltquerung“ als unabhängiges Forum einberufen. Es sollte eine neue Form der Bürgerbeteiligung darstellen und größtmögliche Transparenz schaffen. Ihr seit von Anfang an daran beteiligt. Wie bewertet Ihr die Tätigkeit dieses Forums?

Susanne Brelowski (Vorsitzende der Allianz gegen die FFBQ):

Zu Beginn freuten wir uns, dass wir ernst genommen wurden. Um zu verhindern, dass ein weiteres „Stuttgart 21“ entsteht, richtete man das Dialog Forum (DF) Feste Fehmarnbeltquerung ein, setzte allerdings einen versierten, gerade pensionierten Diplomaten als Leiter des Dialogforums ein. Dr. Jessen bezeichnet sich gerne nur als „Sprecher“ des Forums. Das sehen wir anders.

Unter anderem war dieses für das Aktionsbündnis ein Grund, sich frühzeitig aus dem DF zurückzuziehen. Die meisten Bürgerinitiativen der „Allianz gegen die Feste Fehmarnbeltquerung“ entschieden sich dazu, im DF zu bleiben, um im Gespräch zu bleiben und Kontakte nicht abreißen zu lassen. Die Tätigkeit des Forums wäre ohne uns Bürgerinitiativen schon lange eingestellt worden. An übergesetzlichen Lärmschutz für die Hinterlandanbindung zur FFBQ hatte keiner außer uns gedacht. Es hatte auch niemand einen Plan, wie man so etwas gestalten kann. Dafür brauchte man uns und wir brauchten dafür gute Verbindungen.

Im Projektbeirat, der später eingerichtet wurde, um in kleineren Gruppen effektiv das DF vorzubereiten, wird oft hart gestritten und um Interessen gekämpft. Die „Runden Tische“, die die eigentliche Bürgerbeteiligung darstellen und dem Projektbeirat die Aufgaben, die man für wichtig hält, erteilen sollen, sind inzwischen eingestellt worden. Der Projektbeirat hat alles an sich gerissen.

Uns allen ist klar, dass wir häufig als Alibi der Bürgerbeteiligung missbraucht werden und versuchen doch, gestalterisch einzuwirken. Bei dem Antrag auf übergesetzlichen Lärmschutz an den deutschen Bundestag sind wir wesentlich beteiligt und haben auch einen gewissen Erfolg zu verzeichnen.

Unser Ziel bleibt weiterhin, den Bau des „Ostseetunnels“ zu verhindern! Zur Gesamtbewertung des Projektes anhand bereits erfolgter Gutachten und eventuell einer Neubewertung durch einen unabhängigen, international wirkenden Gutachter wurde beim letzten Dialogforum eine Arbeitsgruppe eingerichtet. So versuchen wir, der Stachel im Pelz der Befürworter zu bleiben!

Gegenwind:

Von dänischer Seite hören wir in der Presse nur, dass das Tunnelprojekt ausgemachte Sache sei und die Bauarbeiten am 1. Januar 2021 beginnen würden und auf breite Zustimmung der dänischen Bevölkerung stößt. Habt ihr Kontakt zu dänischen Tunnel-Kritikern?

Bodo Gehrke:

Von dänischer Seite haben wir in jüngster Zeit durch den Kontakt zur Friday for future Bewegung eine interessante Entdeckung gemacht. Nachdem die dänische Sektion der Fridays von den Fakten rund um das Tunnelprojekt erfahren haben - und das ist in Dänemark nicht so einfach jenseits der Veröffentlichungen des Vorhabenträgers Fehmarn AS - gab es eine breite, sogar 100 prozentige Ablehnung der Festen Querung aus den Reihen der dänischen Friday for future Bewegung. Das zum einen, zum anderen haben wir seit Jahren eine fachliche Unterstützung des dänischen Verkehrsexperten Knud Erik Andersen, der sein Leben lang im Bereich der Verkehrsplanung auch für Regierungsstellen in Dänemark gearbeitet hat und der von Anbeginn an die Ansätze der festen Fehmarnbeltquerung kritisiert hat und dezidiert darlegen konnte warum diese Querung keinerlei Sinn macht, auch nicht für die Dänen.

Gegenwind:

Danke für das Gespräch.

Die Fragen stellte Günther Stamer

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