(Gegenwind 165, Juni 2002)

Zum Gesamtschulbericht der Landesregierung

Viele Fragen bleiben offen

Aufgeschreckt durch die internationale Vergleichsstudie PISA und die schrecklichen Ereignisse von Erfurt nehmen die Stimmen zu, die um ein ernsthaftes Nachdenken über eine Reform des deutschen Schulsystems bemüht sind. Mit wissenschaftlich gesicherten Instrumenten versucht die PISA-Studie zu untersuchen, ob die Ziele, die das System Schule verfolgt, tatsächlich auch erreicht werden. Der Essener Bildungsforscher Klaus Klemm spricht von einer empirischen Wende unter dem Aspekt der Steuerung von Schule.

In anderen Ländern schon lange Standard, hatten sich in der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme der Gesamtschulen die Schulen solchen empirischen Untersuchungen bisher nicht unterziehen müssen. Vielleicht hat dies auch zum Aufschrei und Entsetzen über die Ergebnisse beigetragen. Die bis dahin aufgezeigte Selbstsicherheit oder selbstverständliche Überzeugtheit von ihrer Leistungsfähigkeit basierte nämlich nicht auf einer nachgewiesenen Leistungsþfähigkeit, sondern allenfalls auf Selbstgefälligkeit und beschworenen Traditionen, dies vor allem bei der gymnasialen Lobby. Im Gegensatz dazu wurde die Gesamtschule, die - auch im Interesse ihrer eigenenþ Optimierung - dafür offen war (!?), mit empirischen Untersuchungen seit ihrer Einführung Ende der sechziger Jahre immer wieder durchleuchtet. Von den Ergebnissen dieser Untersuchungen profitierte letztlich auch das gegliederte Schulwesen.

Besonders erfolgreich im internationalen Vergleich schneiden Länder wie Schweden und Finnland ab - beide mit integrierten Schulsystemen und einem gemeinsamen Lernen aller Kinder bis zu ihrem 15. Lebensjahr. Das gegliederte deutsche Schulsystem wird den Ansprüchen nicht gerecht.

Eine radikale Umstrukturierung des deutschen Schulsystems in ein integriertes System scheint zur Zeit ausgeschlossen. Selbst den bestehenden Gesamtschulen wird oft nicht zugetraut, ein Modell für die Schule der Zukunft zu sein. In diesem Beitrag soll der Frage nachgegangen werden, wie es um die Perspektiven der Gesamtschule in Schleswig-Holsteins steht und welche Ansatzpunkte diese für eine Weiterentwicklung geben.

Fakt ist, dass die Nachfrage nach Gesamtschulplätzen in Schleswig-Holstein in den vergangenen Jahren ständig gestiegen ist. Für das Schuljahr 2002/03 wurden 4628 Schülerinnen und Schüler an Gesamtschulen angemeldet, von denen nur 2408 aufgenommen werden konnten. Nimmt man die 250 Schülerinnen und Schüler, die sich in einer Befragung für eine IGS in Bad Bramstedt (die Einrichtung der IGS scheiterte auf der kommunalen Ebene) ausgesprochen hatten, hinzu, dann fand jedes zweite an einer Gesamtschule in Schleswig-Holstein angemeldete Kind keinen Gesamtschulplatz. Dabei wurden die Wünsche nur an den Standorten erhoben, an denen auch eine Gesamtschule angeboten wird.

Diese Situation veranlasste die Landtagfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen folgenden Leitantrag zur Situation der Gesamtschulen in Schleswig-Holstein in den Landtag einzubringen:

"Der Landtag stellt fest, dass es weiterhin in vielen Teilen des Landes den Wunsch zahlreicher Eltern nach Bereitstellung von Gesamtschulangeboten für ihre Kinder gibt, wie sie im Schulgesetz als Regelschulen vorgesehen sind. Die Gesamtschulen haben in vielen wichtigen Bereichen der Schulpolitik besonders früh Reformen eingeleitet; dazu gehören Ganztagsangebote, Gestaltung des Schulprofils, Teilnahme der Schülerinnen und Schüler sowie der Eltern an der Gestaltung der Schule, Zusammenarbeit mit dem sozialen Umfeld, binnen- differenzierter Unterricht sowie interkulturelles Lernen. Vor diesem Hintergrund bittet der Landtag die Landesregierung, bis zur 21. Tagung des Landtages einen Bericht über die Entwicklung und Perspektiven der Gesamtschulen in Schleswig-Holsteins vorzulegen."

Mittlerweile liegt der von der Landesregierung erbetene Bericht vor (hier kurz Gesamtschulbericht genannt) und kann im Internet unter www.parlanet.de über die Drucksache 15/1422 als PDF-Datei abgerufen werden. Leider ist eine Aussprache über den Bericht im Parlament noch nicht erfolgt.

Der Gesamtschulbericht stellt eine umfangreiche Beschreibung über Zustand und Entwicklung der Gesamtschulen in Schleswig-Holstein dar. Dem Anliegen der Antragsteller, Perspektiven für die weitere Gesamtschulentwicklung aufzuzeigen, wird er kaum gerecht. Die folgenden Ausführungen orientieren sich an den Abschnitten des Berichtes.

1. Das Gesamtschulangebot in Schleswig-Holstein

Im Gesamtschulbericht wird die historische Genese der Gesamtschulentwicklung in Schleswig-Holstein nachgezeichnet. Festgestellt wird, dass die 23 Gesamtschulen, die es zur Zeit in Schleswig-Holstein gibt, unter regionalen Gesichtspunkten ungleich verteilt liegen. Die meisten von ihnen befinden sich im Osten und Süden Schleswig-Holsteins und in der Nähe einer großen Stadt. An der Westküste sind keine Gesamtschulen zu finden.

Zusammenfassend wird festgestellt: "Die Gesamtschulen sind inzwischen zu einem festen Bestandteil des Schulangebotes vieler Städte und Gemeinden geworden. In Schleswig-Holstein besuchen 8 % der Schülerinnen und Schüler eine Gesamtschule." Nicht erörtert wird, ob es Überlegungen in der Landesregierung darüber gibt, den Ausbau von Gesamtschulen künftig voranzutreiben und unter anderem auch den vorhandenen regionalen Disparitäten entgegenzuwirken. Zu finden sind lediglich Hinweise auf ein in jüngster Zeit wieder zunehmendes Interesse an der Errichtung von Gesamtschulen wie zum Beispiel in Reinfeld, wo zum 1.8.2003 eine 7-zügige kooperative Gesamtschule startet.

2. Nachfrage nach Gesamtschulplätzen

Unter Bezug auf die oben schon angesprochenen Anmeldezahlen stellt der Bericht fest: "Damit wird der Bedarf an dieser Schulart weiterhin deutlich manifestiert." Mit einer gewissen Genugtuung wird ausgeführt, dass die Zahl der Widersprüche gegen die Aufnahmeentscheidungen an Gesamtschulen seit 1992 abgenommen haben und dass Verfahren vor dem Verwaltungsgericht zur Verfahrenssicherheit beitrugen und alle ohne Erfolg blieben. Weiter wird festgestellt, dass Gesamtschulen während der Anmeldephase sehr viel Zeit für Gespräche mit den Eltern verwendeten, so dass sich diese auch im Falle einer Ablehnung umfangreich beraten fühlten und die Ablehnung akzeptierten. Ausgeklammert bleiben die vielen kleinen Tragödien, enttäuschten Hoffnungen und vereitelten Chancen, die mit den Ablehnungen verbunden sind. Nicht selbstgefällige Zufriedenheit mit optimierten Verfahren, sondern ein Nachdenken über Möglichkeiten zur Veränderung sind erforderlich.

Die konkreten Anmeldungen erfordern, dass die Anzahl der angebotenen Gesamtschulplätze in Schleswig-Holsteins substantiell erhöht werden muss. Nachzudenken ist darüber, ob die Einrichtungskriterien für Gesamtschulen noch angemessen sind. Dazu heißt es im Gesamtschulbericht: "Neugründungen sind abhängig vom Elternwillen und von der Beschlussfassung durch den Schulträger. Die Feststellung eines öffentlichen Bedürfnisses sowie die Entscheidung über die Einrichtung einer Gesamtschule trifft das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur. Damit ist in der Regel gesichert, dass die Einrichtung vor Ort einvernehmlich verläuft. Insgesamt werden in Schleswig-Holsteins mit diesem Verfahren zur Einrichtung von Gesamtschulen, das sich von dem in anderen Bundesländern unterscheidet, gute Erfahrungen gemacht."

In der Praxis führt das Verfahren dazu, dass u.U. eine bildungspolitische Ideologie der kommunalen Mehrheit darüber entscheidet, ob Eltern eine Chance auf einen Gesamtschulplatz für ihre Kinder haben oder nicht. Selbst 300 Original-Unterschriften von Eltern aus Bad Bramstedt und Umgebung reichten nicht aus, die politische Mehrheit von FDP und CDU zu überzeugen, einen Antrag auf Einrichtung einer IGS für das Schuljahr 2002/2003 zuzustimmen.

3. Die gymnasiale Oberstufe an Gesamtschulen

19 der 21 voll ausgebauten Gesamtschulen des Landes haben eine erfolgreich arbeitende gymnasiale Oberstufe, die sich in ihren Leistungsansprüchen und Ergebnissen nicht von denjenigen der Gymnasien unterscheiden. Beleg dafür sind unter anderem zahlreiche Kooperationen von gymnasialen und Gesamtschuloberstufen (dabei besuchen sowohl Schülerinnen und Schüler aus Gesamtschulen Kurse an Gymnasien als auch umgekehrt). Regelmäßige Überprüfungen durch die Fachaufsicht, wie sie für alle gymnasialen Oberstufen durchgeführt werden, zeigen, dass sich das Spektrum der Leistungsanforderungen nachweislich in der gleichen Bandbreite wie an Gymnasien bewegt.

Die Oberstufe an Gesamtschulen ist insbesondere auch für Schülerinnen und Schüler mit besonders qualifiziertem Realschulabschluss (Notendurchschnitt 2,5 und besser) und nur einer Fremdsprache interessant, da die meisten Gesamtschulen auf Grund ihrer Stundentafel Kurse in einer neu beginnenden zweiten Fremdsprache ab Klasse 11 anbieten. Solche Kurse werden an Gymnasien in der Regel aus strukturellen Gründen nicht eingerichtet.

Als besonderes pädagogisches Angebot bieten einige Gesamtschulen sogenannte Profiloberstufen an, in denen in einer Reihe von Kursen fächerübergreifend an einem gemeinsamen Rahmenthema wie zum Beispiel "Mensch und Umwelt" gearbeitet wird. Solche Profiloberstufen machen es möglich, insbesondere auch kleine Oberstufen anbieten zu können.

Welche Bedeutung eine Oberstufe für eine Gesamtschule haben kann, zeigt sich vor allem dann, wenn eine Gesamtschule auf diese verzichten muss, wie dies zumindest zur Zeit noch in Trappenkamp der Fall ist.

Die IGS Trappenkamp wurde zum Schuljahr 1989/90 als erste Gesamtschule im ländlichen Raum in Schleswig-Holsteins gegründet. Sie war zunächst dreizügig konzipiert. Eine Oberstufe war nicht vorgesehen. Mittlerweile ist aus der dreizügigen eine vierzügige Schule geworden. Dies führte dazu, dass Elternschaft und Schule Bedarf für eine Oberstufe sahen. Das Bemühen von Schule und Elternschaft dauert nun schon vier Jahre an, ohne dass zur Zeit ein Erfolg absehbar wäre.

4. Grundschulgutachten und Leistungsfähigkeit von Gesamtschulen

Ein besonderes Merkmal integrierter Gesamtschulen besteht darin, die Schullaufbahn während der gesamten Sekundarstufe I offen zu halten und durch die entsprechenden Zuweisungen bei leistungsdifferenzierten Kursen flexibel auf die jeweilige Entwicklung der Schülerinnen und Schüler einzugehen (Gesamtschulbericht Seite 11). Ein von den Gesamtschulen erhobener Vergleich der erreichten Schulabschlüsse mit den Grundschulgutachten gibt zum einen Auskunft über die tatsächliche Prognostizität von Grundschulgutachten und zum anderen über den Erfolg eines nicht selektiven Schulangebotes.

Nach diesen Ergebnissen beschreibt die Grundschulempfehlung das Leistungsnvermögen im 4. Grundschuljahr zu 57 Prozent zutreffend. 13 Prozent der Schülerinnen und Schüler an Gesamtschulen schneiden schlechter ab, als es im Grundschulgutachten prognostiziert wurde, 30 Prozent der Schülerinnen und Schüler erreichen dagegen einen höheren Abschluss. Diese Ergebnisse werden im Bericht der Landesregierung folgendermaßen kommentiert: "Damit kann eine positive Leistungsbilanz der Gesamtschulen hinsichtlich ihres Bildungsauftrages gezogen werden." Auch hier bleibt der Bericht eine Antwort darauf schuldig, ob die Landesregierung aus den Ergebnissen für sich einen Handlungsbedarf ableitet oder nicht.

5. Ganztagsbetreuungs- und Ganztagsschulangebote

17 der 23 Gesamtschulen in Schleswig-Holstein sind Ganztagsschulen. Die IGS Hassee ist eine Halbtagsschule mit Ganztagsangebot durch den Schulträger. Grundlage der Gestaltung von Ganztagsschulen, der auch die Gesamtschulen Schleswig-Holsteins folgen, ist ein ganzheitliches Bildungs- und Erziehungskonzept, das in einem ganztägigen schulischen Organisationsrahmen verwirklicht wird. Im Unterschied zu Ganztagsangeboten nehmen an der Ganztagsschule alle Schülerinnen und Schüler obligatorisch an den unterrichtlichen und pädagogischen Veranstaltungen der Vor- und Nachmittage teil.

Da sich die Lehrkräfteversorgung der Gesamtschulen im Vergleich der letzten Jahre deutlich verschlechtert hat, als Ursache dafür wird eine Absenkung der Stellenzuweisung für Gesamtschulen im Haushaltsjahr 1999 vor dem Hintergrund eines Berichtes des Landesrechnungshofes von 1998 angegeben, traten bei einer Reihe von Gesamtschulen nicht unerhebliche Probleme bei der Aufrechterhaltung als Ganztagsschule auf. Selbst eine Erhöhung der gesonderten Personalzuweisung für Ganztagsschulen von drei Lehrkräftestunden pro Klasse auf fünf Lehrkräftestunden pro Klasse konnte nur bedingt Abhilfe schaffen. Im Bericht heißt es dazu: "Von drei Schulen wurde dennoch eine Kürzung der Betreuungszeiten durch die Eltern zurückgemeldet." Weitere Konsequenzen sind nicht erkennbar.

Zur Zeit gibt es in der bildungspolitischen Diskussion niemanden, der nicht die Forderung nach einer Ausweitung des Ganztagsangebotes stellt. Doch wer dies will, muss sich auch auf die damit verbundenen Konsequenzen einlassen. Ganztagsschulen, die die gewünschte pädagogische Funktion erfüllen, stellen ein qualitatives Angebot dar, das eine entsprechende materielle Ausstattung und personelle Besetzung benötigt. Doch wie diese künftig wieder hergestellt und ggf. sogar ausgebaut werden soll, darüber sagt der Bericht der Landesregierung nichts aus.

Stattdessen werden vom Bildungsministerium vorrangig an Haupt-, Sonder- und Gesamtschulen, die keine Ganztagsschulen sind, sog. Ganztagsangebote auf den Weg gebracht, die wesentlich kostenngünstiger als Ganztagsschulen sind, bei denen es sich in der Praxis um außerunterrichtliche Freizeitangebote handelt, die von den betroffenen Schulen selbständig organisiert werden. Ziel der Landesregierung mit dem Ausbau von Ganztagsangeboten ist es, Schülerinnen und Schüler aus sozial schwachen Elternhäusern oder aus Familien mit nur einem Elternteil, deren Kinder einen höherwertigen Abschluss nicht anstreben (können), die Möglichkeit zu bieten, am Nachmittag zumindest teilweise versorgt zu sein. Eine durchaus anerkennenswerte Absicht. Ob dadurch allerdings die Mängel im Bildungswesen Deutschlands, die durch die PISA-Studie offengelegt worden sind, auch nur teilweise behoben werden können, darf mit Recht bezweifelt werden. Denn diese Ganztagsangebote haben mit Ganztagsschulen, wie sie in den Ländern bestehen, die in den PISA-Tests gute Werte erreicht haben, nur wenig zu tun.

6. Innovationsfähigkeit von Gesamtschulen

Den Gesamtschulen wird bescheinigt, sich an vielen innovativen pädagogischen Projekten, wie z.B. an Modellversuchen der Bund-Länder-Kommission, zu beteiligen, so dass sie sich mit Selbstbewusstsein in einer vielfältigen bildungspolitischen Landschaft präsentieren können. Gesamtschulen haben sich seit ihrer Gründung als pädagogisch innovative Schulen verstanden. Pädagogische Programme, ähnlich wie sie heute von allen Schulen in Form von Schulprogrammen verlangt werden, waren für Gesamtschulen schon immer selbstverständlich. Im Verlauf ihres historischen Werdeganges sind Gesamtschulen immer wieder gezwungen worden, sich am gegliederten Schulsystem zu orientieren und dieses intern mehr oder weniger in sich abzubilden. Der in den letzten Jahren eingeschlagene Weg, den Schulen sowohl in organisatorischer als auch in pädagogischer Hinsicht größere Freiräume einzuräumen, gab Anlass zu der Hoffnung, dass auch die Gesamtschulen hier neue Möglichkeiten erhielten, sich im Sinne ihrer pädagogischen Zielvorstellungen weiter zu entwickeln. Vor dem Hintergrund der für die Zukunft geplanten regelmäßigen Schulvergleichsuntersuchungen, wie sie als Konsequenz aus der PISA-Studie beabsichtigt sind, muss genügend Spielraum verbleiben, um gesamtschulespezifische Zielsetzungen realisieren zu können.

7. Lehreraus- und Fortbildung

Das IPTS-Landesseminar für Gesamtschulen in Neumünster ist in seiner Art wohl einzigartig in der Bundesrepublik Deutschland. Es wurde 1992 offiziell gegründet, um die entstehenden neuen Gesamtschulen im Lande Schleswig-Holsteins in ihrer Aufbauphase bei der Gestaltung von Schule und Unterricht zu unterstützen. In der Folgezeit hat sich in diesem Seminar eine Kompetenz in Bezug auf Gesamtschulpädagogik und Organisationsentwicklung herausgebildet, die eine große Bedeutung für die Einrichtung und Weiterentwicklung des integrierten Schulsystems hat. Da Lehrerinnen und Lehrer- unabhängig von der Schulform - sich immer mehr heterogen zusammengesetzten Schülergruppen gegenüber sehen, muss die Qualifizierung für den Umgang mit solchen Schülergruppen unbedingt erhalten bleiben. Ob dies bei der geplanten Umstrukturierung des IPTS gesichert wird, ist dem Bericht nicht zu entnehmen.

Wer Gesamtschulen will, muss auch dafür sorgen, dass angemessen ausgebildete Lehrkräfte zur Verfügung stehen, die mit heterogen zusammengesetzten Lerngruppen umgehen können. Die im Gesamtschulbericht aufgezeigten Maßnahmen in den beiden Phasen der LehrerInnenausbildung reichen dazu nicht aus.

Fazit

In ihrem Gesamtschulbericht zeichnet die Landesregierung ein erfreuliches Bild der Gesamtschulen Schleswig-Holsteins. Die Gesamtschulen gehören zu den nachgefragtesten Schulen überhaupt. Dabei wird dem Elternwillen und bildungspolitischen Erfordernissen nicht hinreichend Rechnung getragen. Gesamtschulen arbeiten pädagogisch innovativ. Sie orientieren sich mit ihrer Pädagogik an einem demokratischen und humanistischen Menschenbild und wollen alle Kinder entsprechend ihren Möglichkeiten optimal fördern. Insbesondere leisten sie einen Beitrag zu mehr Chancengleichhheit. Zur Fortsetzung dieser Arbeit benötigen Gesamtschulen Freiräume, die sich z.B. mit der Erweiterung der Autonomie für die Schulen ergeben. Solche Freiräume dürfen nicht auf Kosten der künftig regelmäßig geplanten Schulvergleichsuntersuchungen wieder genommen werden.

Es ist ein Missverständnis, zu glauben, dass die mehrfache Gliederung unseres Schulsystems eine organisatorische Äußerlichkeit ist. Vielmehr prägt sie das Spartendenken von Lehrkräften und fordert dazu auf, Kinder abzuschieben, sich nicht für sie verantwortlich zu fühlen. Da die Lehrerinnen und Lehrer dieses Spartendenken schon aus der eigenen Schulzeit mitbringen und da es in der Ausbildung fortgesetzt wird, muss dieses Spartendenken bereits in der 1. Phase der Ausbildung aufgebrochen und das Umdenken offensiv geübt werden.

Von den Erfolgreichen zu lernen, bedeutet für die Zukunft, eine gemeinsame Schule für alle Kinder während der gesamten Pflichtschulzeit anzustreben. Unsere Gesamtschulen haben sich auf den Weg dazu begeben. Es ist nun Aufgabe der Politik, sie weiter zu unterstützen, ihren Ausbau zu befördern und die Weichen in Richtung eines integrierten Schulsystems zu stellen. In ihrem Gesamtschulbericht ist die Landesregierung dazu viele Antworten schuldig geblieben.

Dieter Zielinski
Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschulen, Landesverband Schleswig-Holstein

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